Fake-Berichterstattung über Geflüchtete? Die Behauptungen zu diesen Bildern sind unbelegt oder falsch
Ein Facebook-Nutzer veröffentlicht eine Collage verschiedener Bilder und wirft den Medien Manipulation vor. Die Zusammenstellung soll zeigen, dass Journalisten angeblich mit gefälschten Bildern über Geflüchtete berichten. Wir haben den Kontext recherchiert.
Ein Nutzer teilte am 26. Oktober eine Grafik mit vier Bildergruppen. Sein Kommentar dazu: „Macht mal die Augen auf, das sind die Praktiken linker Journalisten“. Die einzelnen Bilder sollen unter anderem Flüchtlinge zeigen. Sie sind mit weiteren Kommentaren versehen und kursieren schon seit Jahren im Internet. Wir haben die Ursprünge und Hintergründe zusammengetragen.
1. Bild: „Alle drohen zu ertrinken, bis auf einen. […] “
Dieses Bild taucht immer wieder im Zusammenhang mit Flüchtlingen auf – es soll belegen, dass Bilder von Menschen in Seenot gestellt seien. Die Behauptung ist, dass der Mann, auf den der rote Pfeil zeigt, im Wasser stehe, und dass „Lügenmedien“ nur den Ausschnitt zeigen, in dem der Mann nicht zu sehen ist.
Der österreichische Faktencheck-Verein Mimikama hat das Bild bereits im Februar 2016 und erneut im Juli 2019 analysiert. Auch CORRECTIV hat im August 2019 einen Faktencheck dazu veröffentlicht. Es gibt ein Video der türkischen Küstenwache von den Menschen im Wasser. Unser Fazit: „Teilweise falsch. Der Vorfall ereignete sich im offenen Meer, nicht in knietiefem Wasser. Es kann nicht geklärt werden, warum es so wirkt, als stünde der Mann – möglich ist eine optische Täuschung.“
Dass Medien nur einen Teil des Bildes in ihrer Berichterstattung nutzten, konnten wir nicht belegen. Eine Bildersuche nach dem Ausschnitt auf deutschen Webseiten brachte keine relevanten Ergebnisse.
2. Collage: „ARD / ZDF Nachrichten – Ungarn Polizist verprügelt hilflosen Flüchtling“ und „Original Bild – Polizist kommt seinen Kollegen zu Hilfe“
Zu dieser Behauptung gibt es zwei Bilder. Im oberen sieht man einen Mann in Uniform und Schutzhelm, der seinen Schlagstock gegen einen scheinbar strauchelnden Mann richtet. In der unteren Hälfte sieht man, dass der strauchelnde Mann tatsächlich einen weiteren Mann in Uniform zu Boden drückt.
Dieses Bild ist echt, es stammt aber nicht aus Ungarn, sondern aus Israel.
Der Blog Bildmanipulation schrieb im Januar 2018, das Bild stamme von der Nachrichtenagentur Associated Press (AP) von November 2005 und sei im Dorf Abud in der Nähe von Ramallah aufgenommen worden. Tatsächlich findet man mit diesen Orts- und Zeitangaben das Bild in der AP-Datenbank.
Auf der Uniform des Mannes, der rechts im Bild ist, ist ein Emblem zu erkennen. Wir baten Kollegen der israelischen Faktencheck-Organisation The Whistle um Hilfe. Sie fanden heraus, dass es sich um ein Abzeichen auf den Uniformen der israelischen Grenzpolizei handelt.
Das Bild wird in dem Facebook-Beitrag also in einen falschen Kontext gesetzt. Einen Hinweis darauf, dass ARD und ZDF es in ihrer Berichterstattung benutzt haben, konnten wir nicht finden. Bildersuchen mit dem oberen Bildausschnitt brachten kein relevantes Ergebnis (ARD, ZDF).
3. Collage: „Vom Westen finanzierte Weißhelme retten gleiches Mädchen an drei verschiedenen Orten“
Die Behauptung ist falsch. Sie bezieht sich darauf, dass es drei Fotos von demselben Mädchen in derselben Kleidung gibt, die sie auf den Armen von drei unterschiedlichen Männern zeigen.
CORRECTIV hat im Februar 2018 einen Faktencheck über die Bilder veröffentlicht. Wir fanden ein Video, das die Szene zeigt, der TV-Sender Sky News hatte es im August 2016 in Aleppo aufgenommen. Darin sind sowohl das Mädchen als auch zwei der Männer von den Fotos zu sehen (im karierten Hemd und in gelber Kleidung).
Auf einem Bild der Nachrichtenagentur AFP ist der Mann im grauen T-Shirt zu sehen, er trägt deutlich das blau-gelbe Abzeichen der Weißhelme. Er ist gerade dabei, das Mädchen dem Helfer im karierten Hemd zu übergeben.
Die Bilder wurden also alle am selben Ort aufgenommen. Hinweise darauf, dass die Bilder einzeln in deutschen Medien kursierten, und damit unterschiedliche Angriffe in Syrien illustriert werden sollten, fanden wir nicht.
4. Collage: Bilder eines Mädchens, das Wunden aufgemalt bekommt
Die letzte Bildergruppe trägt keine explizite Behauptung. Sie zeigt, wie ein Mann einem Mädchen blutige Wunden ins Gesicht schminkt. Im nächsten Bild liegt ein ähnlich angezogenes Mädchen auf einem schmutzigen Boden, mit roten Spritzern um sich herum. Ob es sich um dasselbe Kind handelt, ist unklar, da ihr Gesicht nicht erkennbar ist.
Auf deutschen und russischen Webseiten wird das Bild in Zusammenhang mit dem Krieg in Syrien gebracht. Die Behauptung lautet, dass westliche Medien angeblich falsche Bilder nutzen, um Bashar al-Assad und das verbündete Russland zu diskreditieren. Dafür fanden wir in unserem Faktencheck aber keine Belege und keine Berichte in deutschen Medien, die mit dem Bild den Krieg in Syrien illustrierten.
Unsere Recherche ergab außerdem, dass die Collage ursprünglich aus einem anderen Kontext stammt: dem des Jemen-Kriegs. Dort herrscht ein Bürgerkrieg zwischen Huthis und einer Koalition, die von Saudi-Arabien unterstützt wird.
Wir fanden das Bild mit dem blutenden Mädchen auf dem Boden in einer Bildstrecke der iranischen Nachrichtenagentur FARS, die einen Luftangriff im Jemen durch Saudi-Arabien von März 2015 bebilderte.
Das Bild als Collage mit den Schmink-Bildern tauchte laut der Bildersuchmaschine Tineye einen Monat später, am 12. April 2015, erstmals im Netz auf – auf Twitter. Der Nutzer, der es veröffentlichte, behauptete damit, die Huthis würden Saudi-Arabien mit gestellten Bildern angebliche Opfer unterstellen.