Faktencheck

Nein, Markus Söder will Ärzten, die keine Corona-Impfungen verabreichen, nicht die Zulassung entziehen

Auf einer Webseite wird der Eindruck erweckt, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder Ärzten die Zulassung entziehen möchte, die ihre Patienten nicht gegen das Coronavirus impfen wollen. Er bezog sich jedoch auf Ärzte, die sich allgemein gegen Impfungen aussprechen.

von Steffen Kutzner

Piqsels
Markus Söder will Ärzten, die nicht gegen das Coronavirus impfen wollen, nicht die Approbation entziehen. (Symbolfoto: Piqsels, gemeinfrei: CC0 1.0)
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Teilweise falsch. Der Beitrag reißt Söders Aussagen aus dem Kontext.

In einem am 4. Juli 2020 veröffentlichten Beitrag auf der Webseite Journalistenwatch wird getitelt: „Corona und das neue Gesundheitsregiment: Söder will Ärzten die Zulassung entziehen, wenn sie nicht impfen“. Das habe Bayerns Ministerpräsident Markus Söder in einem Radiointerview geäußert. 

In dem Beitrag wird impliziert, dass Söder sich auf eine etwaige Impfung gegen SARS-CoV-2 bezog, sobald diese verfügbar sei. Denn in dem Artikel auf Journalistenwatch geht es unmittelbar vorher um das Coronavirus:

Auszug aus dem Artikel von Journalistenwatch, in dem behauptet wird, Markus Söder wolle Ärzten, die nicht gegen das Coronavirus impfen wollen, die Zulassung entziehen. (Screenshot: CORRECTIV)

Journalistenwatch schreibt, aus dem Wortlaut des Interviews gehe „nicht eindeutig hervor“, ob Söder „Impfgegner-Ärzte generell“ meine oder solche, die nicht gegen SARS-CoV-2 impfen. 

Das stimmt jedoch nicht, denn Söders Aussage ist recht klar: Er bezog sich auf Impfungen, die bereits existieren und gut geprüft sind. Er sagte, dass man noch einmal überdenken solle, „ob jemand dann tatsächlich die normale Zulassung als Arzt haben kann, wenn er grundlegende medizinische Erkenntnisse ignoriert“. Es geht also nicht darum, Ärzte zu zwingen, Patienten gegen das Coronavirus zu impfen. 

Die Behauptung wurde auch auf Facebook veröffentlicht und dort mehr als 800 Mal geteilt. Die Seite Compact griff die Behauptung ebenfalls auf. Auch dort wird der irreführende Bezug zu einer Corona-Impfung hergestellt. 

Was Söder genau über die Zulassung von Ärzte im Zusammenhang mit Impfungen sagte

Die genaue Aussage Söders in dem Radiointerview bei Bayern 3 vom 2. Juli lautet wie folgt (ab Minute 37:08): „Letzte Woche oder vor zwei Wochen lief auf Frontal 21 ein Beitrag über normale Impfgegner. Da gibt’s echt auch Ärzte – Ärzte! –, die empfehlen, und stellen dann auch irgend so eine Unbedenklichkeitsbescheinigung aus, dass man Kinder nicht impfen darf. Und jetzt nicht bei einem neuen Impfstoff, sondern bei erprobten, erfolgreichen Impfstoffen! Da muss ich ganz ehrlich sagen, das ist hochgefährlich. Ich bin auch der festen Überzeugung, da müssen wir uns nochmal überlegen, auch die jeweiligen Ärzteorganisationen, ob das überhaupt vertretbar ist und ob jemand dann tatsächlich die normale Zulassung als Arzt haben kann, wenn er grundlegende medizinische Erkenntnisse ignoriert, ja sogar berät zum Schaden. Das verletzt sogar den eigentlichen Eid der Medizin.“

Mit „Unbedenklichkeitsbescheinigung“ meint Söder vermutlich den Impfunfähigkeitsnachweis, der in Ausnahmefällen ausgestellt wird, wenn ein Kind beispielsweise wegen Vorerkrankungen nicht gegen Masern geimpft werden kann. Das ZDF-Format Frontal 21 hatte dazu am 16. Juni 2020 einen Beitrag veröffentlicht. Darin geht es unter anderem um Ärzte, die sich grundsätzlich gegen Impfungen aussprechen und Tipps geben, wie man an eine solche Bescheinigung kommt, um die Masern-Impfpflicht für Kinder zu umgehen. Auf diesen Beitrag bezieht sich Söder vermutlich.

Söder bezog sich auf Ärzte, die pauschal von Impfungen abraten und fragwürdige Bescheinigungen ausstellen

Söder sagte also nicht, er wolle pauschal Ärzten die Approbation entziehen, die solche Impfunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen, wie es der Beitrag auf Journalistenwatch behauptet. „Söder drohte Ärzten, die ihre Patienten nicht impfen wollen und ihnen gar ‚Unbedenklichkeitsbescheinigungen‘ für einen Verzicht auf Impfungen ausstellten, mit dem Entzug der Approbation“, heißt es dort. 

Söder bezog sich auf Ärzte, die pauschal von Impfungen abraten. Mutmaßlich meinte er damit auch solche, die Bescheinigung gegen Geld auf dem Postweg anbieten, ohne das Kind vorher überhaupt gesehen zu haben. Denn darum ging es in dem Beitrag von Frontal 21 unter anderem. 

Eine Impfunfähigkeitsbescheinigung auszustellen ist nicht verboten, sondern im Infektionsschutzgesetz vorgesehen. Masern-Impfungen sind als einzige Impfungen in Deutschland verpflichtend, zum Beispiel für Kinder, wenn sie in den Kindergarten gehen sollen. Daher muss für diese entweder ein Nachweis einer Impfung oder einer Immunität wegen einer bereits durchgemachten Erkrankung vorliegen – oder eben eine ärztliche Bescheinigung, dass sie nicht geimpft werden können.

Dieser Kontext fehlt im Beitrag von Journalistenwatch.

Wann kann einem Arzt die Approbation entzogen werden?

Ob Ärzten die Approbation entzogen wird oder nicht, entscheidet nicht ein Ministerpräsident, sondern die jeweiligen Approbationsbehörden, teilte uns der Pressesprecher der Bundesärztekammer, Samir Rabbata, mit. Diese würden den Gesundheitsministerien der Länder unterstehen.

Auszug aus der E-Mail des Pressesprechers der Bundesärztekammer. (Screenshot: CORRECTIV)

Florian Wagle, ein Pressesprecher der Bayerischen Landesärztekammer, teilte uns auf Anfrage mit, dass die Voraussetzung für einen Entzug der Approbation sei, dass sich ein Arzt oder eine Ärztin als unzuverlässig oder des Berufes unwürdig erweist. Dabei sei jedoch „die Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Arztes und seiner Lebensumstände“ zu beachten.

Auszug aus der E-Mail des Pressesprechers der Bundesärztekammer. (Screenshot: CORRECTIV)

Bayerische Landesärztekammer: Ärzten, die Impfgegner sind, kann nicht allein deshalb die Approbation entzogen werden

Wagle erklärte auch, dass einem Arzt nicht die Zulassung entzogen werden könne, weil er Impfgegner sei. Solange „die Gesundheit der Bevölkerung aufgrund des Phänomens der Herdenimmunität eine gewisse Quote an Nicht-Geimpften verträgt, dürfte der Konflikt mit Impfgegnern – auch ärztlichen – für die Gesellschaft auszuhalten sein.“ Androhungen von Approbationsentzug seien dann unnötig.

Auszug aus der E-Mail des Pressesprechers der Bayerischen Landesärztekammer. (Screenshot: CORRECTIV)

Bevor geprüft werde, ob einem Arzt die Approbation entzogen wird, „müssen generell gravierende Verstöße gegen das Straf- oder Berufsrecht vorliegen“, erklärt der Sprecher der Bayerischen Landesärztekammer weiter. Dies käme „in der Regel eher selten vor.“

Auszug aus der E-Mail des Pressesprechers der Bayerischen Landesärztekammer. (Screenshot: CORRECTIV)

Söder kann nicht darüber entscheiden, ob Ärzte ihre Zulassung verlieren

Der Artikel von Journalistenwatch lässt wesentlichen Kontext aus. Markus Söder hat nicht gesagt, dass er Ärzten, die nicht gegen Corona impfen, die Approbation entziehen möchte. Seine Forderung bezog sich auf Ärzte, die von Impfungen generell abraten, also auch etablierte Impfstoffe ablehnen. Tatsächlich sagte Söder, man müsse überlegen, ob diese Ärzte ihre Zulassung verlieren sollten. Eine solche Entscheidung steht aber nicht in seiner Macht.

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