Faktencheck

Nein, es sind nicht 90 Prozent aller positiven PCR-Tests in den USA falsch-positiv

Sind 90 Prozent aller positiven Corona-Tests in den USA „falsch“? Diese Behauptung kursiert im Netz. Sie beruht auf einer irreführenden Interpretation eines Artikels der New York Times. Darin ging es nicht um falsche Testergebnisse, sondern um die Viruslast und die Frage, wann Infizierte ansteckend sind.

von Sarah Thust

PCR-Test
Es stimmt nicht, dass sich bis zu 90 Prozent der positiven PCR-Test-Ergebnisse in den USA als falsch erwiesen haben. (Quelle: CDC / Unsplash)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Der Bericht der New York Times wird irreführend interpretiert, es fehlt wichtiger Kontext. Die Zeitung hat nicht berichtet, dass 90 Prozent aller PCR-Tests in den USA falsch-positiv sind.

 In mehreren Online-Beiträgen, zum Beispiel in einem Artikel von Journalistenwatch und auf Facebook in einem Beitrag des Arztes Michael Spitzbart sowie von anderen Facebook-Nutzern (hier und hier) wird behauptet, dass 90 Prozent der positiven PCR-Tests auf SARS-CoV-2 in den USA „falsch“ beziehungsweise „falsch-positiv“ seien. Das stimmt so nicht. Laut dem Analysetool Crowdtangle und den Angaben auf Facebook wurden die Beiträge zusammengenommen mehr als 18.000 Mal geteilt.

Die Beiträge beziehen sich auf einen Bericht, den die US-amerikanische Tageszeitung New York Times am 29. August über die Sensitivität von PCR-Tests veröffentlicht hat. Darin sei angeblich vom „größten Betrug der Geschichte“ die Rede gewesen, wird in einem der Beiträge auf Facebook behauptet.

Unsere Recherchen haben ergeben: Die New York Times hat nicht berichtet, dass 90 Prozent der positiv getesteten Proben in Wahrheit gar nicht positiv waren. Die New York Times hat auch nicht vom „größten Betrug der Geschichte“ geschrieben. Der Artikel wird irreführend interpretiert. Dies geschieht insbesondere durch die Verwendung von Begriffen wie „falsch positiv“ (Michael Spitzbart) oder „falsche Positiv-Tests“ (Jouwatch). Diese verweisen auf Laborfehler. Doch darum ging es in dem Artikel der New York Times nicht.

„90 Prozent falsche Positiv-Tests in den USA?“ – Das behauptet der Blog Jouwatch am 8. September.
„90 Prozent falsche Positiv-Tests in den USA?“ – Das behauptet der Blog Jouwatch am 8. September. (Quelle: Jouwatch / Screenshot: CORRECTIV)

Kein Nachweis einer Coronavirus-Infektion? Das wird über den PCR-Test behauptet

In den verschiedenen Beiträgen werden mehrere, teilweise falsche Behauptungen aufgestellt. Sie lauten:

  1. Durch den PCR-Test würden in den USA in 90 Prozent der Fälle Menschen als positiv diagnostiziert, obwohl sie gar nicht positiv seien oder nur geringe Mengen des Virus in sich tragen würden. Dies zeige ein Bericht der New York Times über Daten von Behörden aus Massachusetts, New York und Nevada. 
  2. Die Personen mit einer geringen Viruslast seien „sehr wahrscheinlich“ nicht ansteckend.
  3. Es wird suggeriert, die New York Times habe dies einen „massiven Betrug“ an der amerikanischen Bevölkerung genannt.

Warum der Bericht der New York Times nicht sagt, dass 90 Prozent der Ergebnisse falsch-positiv seien

Tatsächlich wurde in dem Text der New York Times nicht behauptet, dass der PCR-Test Betrug sei, oder dass 90 Prozent der Ergebnisse falsch-positiv seien. Die Forscher zweifelten die Zuverlässigkeit von PCR-Tests nicht an. Sie betonten, dass ein breiter Einsatz von Tests notwendig sei, da auch Menschen ohne Symptome das Virus übertragen können.

Doch die Autoren des New York Times-Artikels kritisieren die Art, wie in den USA die Testergebnisse übermittelt werden. Bei einem PCR-Test erhielten Ärzte und Patienten nur eine Ja-Nein-Antwort. 

Die Virologin Angela Rasmussen aus New York wird in dem Artikel mit den Worten zitiert: „Es wäre eine nützliche Information, zu wissen, wenn jemand positiv ist, ob er eine hohe Viruslast oder eine niedrige Viruslast hat.“

Am 29. August hat die US-Tageszeitung einen Text mit dem Titel „Ihr Coronavirus-Test ist positiv, vielleicht sollte er es aber nicht sein“ veröffentlicht.
Am 29. August hat die US-Tageszeitung einen Text mit dem Titel „Ihr Coronavirus-Test ist positiv, vielleicht sollte er es aber nicht sein“ veröffentlicht. (Quelle: New York Times / Screenshot: CORRECTIV)

Die New York Times hatte Daten von Verantwortlichen in Massachusetts, New York und Nevada gesammelt. Das Ergebnis: „In drei Sätzen von Testdaten […] trugen bis zu 90 Prozent der Menschen, die positiv getestet wurden, kaum Viren in sich.“ Sie seien möglicherweise nicht ansteckend, also nicht infektiös. 

Das bedeutet aber nicht, dass das Testergebnis „falsch“ wäre. Um das zu verstehen, muss man wissen, wie PCR-Tests funktionieren.

Was ist ein PCR-Test?

PCR steht für Polymerase-Ketten-Reaktion. Mit diesem Verfahren werden im Labor ganz bestimmte Sequenzen des Erbguts (RNA) von SARS-CoV-2 vervielfältigt, um sie nachweisen zu können. Die Proben dafür werden mit einem Abstrich (meist durch die Nase im Rachen eines Menschen) entnommen und untersucht. CORRECTIV hat bereits darüber berichtet, dass ein PCR-Testergebnis der Nachweis einer Infektion ist – es bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Person ansteckend oder krank ist.

Es gibt zwei Werte, mit denen die Genauigkeit eines Tests gemessen wird: Sensitivität ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Test Infizierte als infiziert erkennt. Spezifität ist die Wahrscheinlichkeit, dass er Gesunde als gesund erkennt. 

Worum geht es bei der Kritik der New York Times wirklich? 

Im Teaser des Artikels steht, der PCR-Test sei möglicherweise „zu sensitiv“. Die Forscher aus den USA äußerten jedoch keine Kritik an den PCR-Tests, sondern am sogenannten Zyklus-Schwellenwert oder Ct-Wert (Cycle Threshold). 

Was ist der Ct-Wert? Um das zu verstehen, muss man Folgendes wissen: Bei einem PCR-Test wird die Probe mit bestimmten Stoffen im Labor vermischt. „Dann gibt es einen Wechsel zwischen erhitzen der Probe und wieder abkühlen, das sind diese Zyklen“, erklärte Sandra Ciesek, die Direktorin des Instituts für Medizinische Virologie am Uniklinikum in Frankfurt am Main, in einem NDR-Podcast. Der Ct-Wert sei wiederum die Menge der Zyklen, die benötigt werde, um dann Erbsubstanz des Virus (RNA) in der Probe nachweisen zu können. 

„Wenn der Ct-Wert niedrig ist, heißt das, dass wir […] nur sehr wenige von diesen Zyklen brauchen, um das Virus sichtbar zu machen“, erklärte Sandra Ciesek weiter. Der Ct-Wert könne stark schwanken, je nachdem, wie der Abstrich genommen wird und in welchem Krankheitsstadium der Mensch sei. 

Das medizinische Labor MVZ aus Ravensburg erklärt auf seiner Internetseite: „Je höher der Ct-Wert, desto niedriger ist die Viruskonzentration in der untersuchten Probe.“ Ein Wert über 35 Zyklen weise auf eine sehr niedrige Konzentration hin. Sie kann aber dennoch vorhanden sein. 

Ciesek sagte zudem, dass man die Ct-Werte nicht unbedingt miteinander vergleichen könne. „Ich kann meine Ct-Werte […] nicht mit einem anderen Labor direkt [vergleichen], was zum Beispiel einen anderen [PCR-]Test anwendet.“ (Seiten 5 und 8). Denn die Ct-Werte von PCR-Reaktionen entstehen unter unterschiedlichen Bedingungen oder werden mit unterschiedlichen Stoffen (Reagenzien) durchgeführt (CORRECTIV berichtete).

Mit einem Zyklus-Schwellenwert von über 40 gelten PCR-Tests meist als negativ

Die US-Behörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) geht offenbar von einem Schwellenwert von 40 Zyklen aus, darunter ist der PCR-Test positiv, darüber negativ (Stand Juli 2020 / PDF, Seite 36). 

Laut New York Times setzen die meisten Tests den Schwellenwert bei 40, einige bei 37 an. Diesen Wert kritisierten einige Epidemiologen und Virologen in dem Bericht als zu hoch. Ihre Annahme: Es würden dadurch Fälle registriert, die kaum noch infektiös seien. Denn je größer die Viruslast, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass der Mensch ansteckend sei.

Der Zyklus-Schwellenwert sollte bei 30 liegen, sagte der Epidemiologe Michael Mina von der Harvard T.H. Chan School of Public Health laut New York Times. „85 bis 90 Prozent der Menschen in Massachusetts, die im Juli mit einem Zyklus-Schwellenwert von 40 positiv getestet wurden, hätte man als negativ betrachtet, wenn der Zyklus-Schwellenwert bei 30 gelegen hätte.“

Wie bereits erläutert, bedeutet das jedoch nicht, dass diese Personen keine Bestandteile des Coronavirus in sich trugen. Sie waren dem Laborbefund nach mit SARS-CoV-2 infiziert. Die US-Forscher im Artikel kritisierten, dass die PCR-Tests in den USA keinen Anhaltspunkt dafür bieten würden, wie ansteckend ein mit SARS-CoV-2 infizierter Patient sei. Sie forderten, dass die Testergebnisse künftig eine grobe Schätzung der Virusmenge im Körper des Patienten enthalten sollten.

Zwischenfazit: In dem Artikel der New York Times ging es nicht um „falsch positive“ PCR-Tests, sondern darum, dass nach Ansicht von US-Experten bei (korrekt) positiven Tests auch die Viruslast betrachtet werden sollte. Je niedriger der Ct-Wert, also je weniger Zyklen erforderlich sind, um das Virus nachzuweisen, desto größer ist die Virusmenge beziehungsweise die Viruslast in der Probe. 

Das sagen Experten in Deutschland über die Ct-Werte bei den Coronavirus-Tests

Hendrik Borucki ist Sprecher von Bioscientia, einem Verbund medizinischer Labore mit Hauptsitz in Ingelheim, der aktuell nach eigener Aussage etwa acht Prozent aller Corona-Tests in Deutschland durchführt. 

Wir haben ihm den Bericht der New York Times vorgelegt und um eine Einschätzung gebeten. Er sagte uns am Telefon: „Man versucht da aus dem PCR-Test was rauszuholen, was er nicht leisten kann.“ Es könne beim PCR-Test nur darum gehen, die Viruslast in einer Probe nachzuweisen – aus nicht standardisiertem Abstrich-Material. „Bis 40 Zyklen müssen wir annehmen, dass da etwas Spezifisches ist. Wir wollen nicht riskieren, dass ein Altenpfleger mit SARS-CoV-2 arbeiten geht, nachdem er falsch negativ getestet wurde. Über 40 Zyklen ist es meistens ein unspezifisches Rauschen, da zieht man zu Recht die Grenze, und dafür gibt es auch Studien. Aber grundsätzlich macht die PCR keine Aussage über Infektiosität.“

Das Labor Bioscientia melde ein Testergebnis in der Regel ab 40 Zyklen als negativ. Es melde zudem nicht nur das Testergebnis, sondern auch den Zyklus-Schwellenwert an den zuständigen Arzt. „Das wird ja gewertet wie ein Symptom. Der Arzt schaut dann zusätzlich, ob der Patient andere Symptome wie Fieber zeigt, oder er fragt nach, ob er vor Kurzem in einem Risikogebiet war“, sagt Borucki. „Wir geben im Meldeformular für die Gesundheitsämter den Ct-Wert des Tests ebenfalls an. Das tun allerdings noch nicht alle Labore.“ 

RKI nutzt Ct-Wert ebenfalls

Die Behörden nutzen den Ct-Wert als Leitfaden: Bei unklaren Ereignissen wie einem „grenzwertigen Ct-Wert“ empfiehlt das Robert-Koch-Institut zum Beispiel eine geeignete laborinterne Überprüfung oder eine neue Probe. „Der Befund soll eine klare Entscheidung im Hinblick auf die Meldung ermöglichen.“

Wenn eine Person aus der Quarantäne entlassen werden soll, schreibt das RKI, könne „ein Ct-Wert >30 als Kriterium herangezogen werden, der nach bisherigen Erfahrungen mit einem Verlust der Anzüchtbarkeit einhergeht.“ Das heißt, liegt der Ct-Wert über 30, kann die Person unter Umständen aus der Quarantäne entlassen werden. Denn die Erfahrung zeige, dass das Virus dann nicht mehr „anzüchtbar“, also nicht mehr vermehrungsfähig sei.

Der hohe Ct-Wert kann also tatsächlich darauf hindeuten, dass die Person nicht mehr ansteckend ist. Experten warnen jedoch davor, sich allein darauf zu verlassen.

Um zu entscheiden, ob eine Person aus der Quarantäne entlassen werden kann, kann laut Robert-Koch-Institut der Ct-Wert als Kriterium herangezogen werden.
Um zu entscheiden, ob eine Person aus der Quarantäne entlassen werden kann, kann laut Robert-Koch-Institut der Ct-Wert als Kriterium herangezogen werden. (Quelle: RKI / Screenshot: CORRECTIV)

Bioscientia: „Ct-Wert sagt nichts über die Infektiosität aus“

Der Verbund ärztlich geleiteter medizinischer Laboratorien Bioscientia weist auf seiner Webseite daraufhin, dass der Ct-Wert nichts über die Infektiosität aussage. „Studien korrelierten einen hohen Ct-Wert (>30) mit einer geringen Anzuchtrate des Virus. Zusätzlich wird der Ct-Wert aber auch maßgeblich von der Präanalytik wie Abstrichort, Qualität des Abstrichs und Transportzeit beeinflusst.“

Bioscientia-Sprecher Borucki schrieb uns dazu: „Wir wissen im Labor nicht: War der Abstrich gut? Ist der Patient schon länger positiv? War er vielleicht in einem Risikogebiet? Darum bewertet der Arzt des Patienten den Laborbefund.“

Tatsächlich korreliere die Viruslast in einer Zellkultur mit der Infektiosität, erklärte die Virologin Sandra Ciesek im NDR-Podcast (PDF, Seite 34). Dennoch riet die Expertin davon ab, „nur auf die Viruslast zu gucken“ und daraus zu schließen, ob jemand ansteckender als der andere sei. „Es ist ein wichtiger Punkt, aber es gibt ganz viele andere wichtige Punkte. Und es ist auch ein Riesenunterschied, in welcher Phase der Infektion sich diese Person befindet. Also: Ist er ganz frisch infiziert? Hier gehen wir davon aus, dass dann die Ansteckung höher ist als, wenn er schon viele Tage infiziert ist.“

Virologe Drosten: „Ein Ct-Wert von 30 in dem einen Labor ist nicht dasselbe in Form von Viruslast wie in einem anderen Labor“

Der Virologe Christian Drosten bezog sich in einer anderen Folge des NDR-Podcast auch direkt auf die Kritik in der New York Times: „Es gab ja in den letzten Tagen einen New York Times-Artikel […] da ging es um einen Ct-Wert von 30, der wurde vorgeschlagen. Das ist nur auf den ersten Blick gut. Wenn man genau hinschaut, wird man feststellen: […] Ein Ct-Wert von 30 in dem einen Labor ist nicht dasselbe in Form von Viruslast wie ein Ct-Wert von 30 in einem anderen Labor.“ Labore verwendeten zum Beispiel verschiedene Maschinen, die Laborergebnisse müssten besser standardisiert werden (Seite 53). 

Christian Drosten hat sich im Podcast mit dem NDR am 9. September zum Bericht der New York Times geäußert.
Christian Drosten hat sich im Podcast mit dem NDR am 9. September zum Bericht der New York Times geäußert. (Quelle: Coronavirus-Podcast NDR / Screenshot: CORRECTIV)

Zwischenfazit: Ct-Werte geben zwar einen Anhaltspunkt über die Viruslast, sind aber nicht gut vergleichbar. Je höher die Viruslast, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Träger, der die Probe abgegeben hat, ansteckend ist. Die Viruslast sagt aber ebenfalls nicht zwingend, ob jemand infektiös ist. Ein Laborergebnis muss laut Experten immer von einem Arzt interpretiert werden, um eine Diagnose zu stellen. 

Woher stammt die Aussage vom „massiven Betrug“? 

In den Facebook-Beiträgen und dem Artikel von Journalistenwatch wird der Text der New York Times als angeblicher Beleg dafür genommen, dass es sich bei dem PCR-Test um „Betrug“ handele. In einem Facebook-Beitrag wurde der US-amerikanischen Zeitung diese Aussage sogar direkt zugeschrieben.

Von Betrugsvorwürfen steht jedoch nichts in dem Artikel. Es handelt sich bei dem Betrugsvorwurf um eine Einschätzung Dritter, die mutmaßlich aus dem US-amerikanischen Internet-Blog RedState stammt und von Journalistenwatch übernommen wurde.

„Echte“ falsch-positive Testergebnisse sind in der Praxis selten

Falsch-positiv bedeutet: Ein Corona-Test zeigt für eine Person, die eigentlich nicht infiziert ist, ein positives Ergebnis. Die Konsequenz: Die Person geht in Quarantäne, obwohl sie das Virus nicht in sich trägt. Träte so ein Fehler häufig auf, würden sich die Fallzahlen erhöhen, obwohl es eigentlich gar nicht mehr Infizierte gibt.

Wie eine CORRECTIV-Recherche ergab, spielen falsch-positive PCR-Tests laut Betreibern von Laboren in der Praxis so gut wie keine Rolle. Als positiv eingestufte Proben werden in vielen Laboren nicht nur einmal, sondern mehrfach überprüft. Darüber haben wir ausführlich hier berichtet. Sandra Ciesek betonte diese Kontrollen auch noch einmal kürzlich im NDR-Podcast (Seite 9-10).

Das RKI geht davon aus, dass die Fallzahlen in Deutschland aktuell nicht durch falsch-positive Tests verzerrt werden. Im Epidemiologischen Bulletin vom 27. August (Seite 12) steht: „Aufgrund des Funktionsprinzips von PCR-Testen und hohen Qualitätsanforderungen liegt die analytische Spezifität bei korrekter Durchführung und Bewertung bei nahezu 100 Prozent.“ In der Regel würden „nicht plausible Befunde in der Praxis durch Testwiederholung oder durch zusätzliche Testverfahren bestätigt oder verworfen“. Das RKI gehe „von einer sehr geringen Zahl falsch-positiver Befunde aus, die die Einschätzung der Lage nicht verfälscht“.

Fazit

In dem Bericht der New York Times steht nicht, dass 90 Prozent der Positiv-Getesteten in den USA falsch-positiv gewesen seien oder die Tests fehlerhaft. Richtig ist stattdessen: Die Personen waren mit SARS-CoV-2 infiziert, doch die Viruslast in den Proben war niedrig (hoher Ct-Wert).

Zum Beispiel in dem Text von Jouwatch wurde wichtiger Kontext ausgelassen. Es wird teilweise richtig aus dem Bericht der New York Times zitiert, wie dass „bis zu 90 Prozent der positiv getesteten Personen kaum eine Viruslast“ trugen. Doch daraus wird falsch geschlussfolgert, dass 90 Prozent der Positiv-Getesteten gar nicht positiv gewesen seien.

Bioscientia-Sprecher Borucki bestätigte CORRECTIV, dass sich das Verhältnis von positiven und negativen Testergebnissen durch das Verschieben der Zyklusschwelle verändert – bei jeder Art von Labortest. Die Frage sei aber, ob man eher Infizierte, die falsch-negativ getestet wurden, in Kauf nehmen wolle, oder Nicht-Infizierte, die falsch-positiv getestet wurden. Das sei seiner Meinung nach die gesellschaftliche Relevanz dieser Betrachtung. 

Borucki sieht in dem Bericht der New York Times den „Wunsch nach einer Begründung, warum Tests mit geringerer Sensitivität (etwa der Antigen-Schnelltest statt des PCR-Tests) in dieser Phase der Pandemie eher gefragt sind und besser passen.“ Darüber könne man zwar diskutieren, doch man dürfe einen Aspekt nicht ausblenden: „Hauptsächliche Unwägbarkeit bei den PCR-Resultaten ist die Qualität des Abstrichs. Und Abstrich ist bis auf Weiteres auch das Material bei allen Antigentesten.“

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas

Update, 1. Oktober 2020: Wir haben die Überschrift ergänzt, um deutlich zu machen, dass es um 90 Prozent der positiven PCR-Tests geht, nicht 90 Prozent aller PCR-Tests.