Hintergrund

Wie Maskengegner systematisch Druck auf Schulen aufbauen

Im Oktober standen Demonstranten gegen die Corona-Maßnahmen vor einem Gymnasium in Darmstadt und sprachen Schüler an. Wir haben uns angesehen, was davor und danach hinter den Kulissen geschah: In den Telegram-Gruppen der Initiative „Eltern stehen auf“ werden explizit Strategien besprochen, um Druck auf Schulen auszuüben.

von Sarah Thust

Versammlung vor einer Schule in Darmstadt
Demonstranten vor der Georg-Büchner-Schule in Darmstadt. (Quelle: Twitter / Volksfahrraeder / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Mit Megafon und Messgerät stand eine Gruppe von Maskengegnern am 21. Oktober vor der Georg-Büchner-Schule in Darmstadt. Mit dabei: der Anwalt Markus Haintz, der der „Querdenken“-Bewegung nahesteht. Darmstadt war an jenem Tag offizieller Anlaufpunkt der „Corona-Info“-Bustour von Bodo Schiffmann und Samuel Eckert. 

Die Gruppe von Demonstranten vor der Schule wollte den Direktor des Gymnasiums sprechen – offenbar um ihn davon zu überzeugen, dass Masken angeblich schädlich für Schüler seien.  

Der Direktor lehnte jedoch ab – und erteilte Hausverbot. Die Maskengegner stellten sich daraufhin auf den Fußweg vor der Schule und sprachen dort Schüler an. „Zum Glück haben unsere Schüler gut reagiert: Die haben ihnen gesagt, sie sollten erstmal selbst Masken aufsetzen und sind einfach vorbeimarschiert“, sagte Schulleiter Christof Ganß einige Wochen später im Gespräch mit uns. Mehrere Medien haben über den Vorfall vor seiner Schule berichtet.

Die Aktion war kein Zufall; sie wurde vorab genau geplant, wie unsere Recherche zeigt. In mehreren nicht-öffentlichen Telegram-Gruppen wurde dazu aufgerufen und der Ablauf der Demonstration besprochen. Diese sollte ursprünglich direkt vor der Georg-Büchner-Schule stattfinden, wurde dann aber an das rund 500 Meter entfernte Merck-Stadion am Böllenfalltor verlegt. Markus Haintz wolle anschließend rübergehen und mit dem Schulleiter sprechen, um ihn zu „überzeugen“, hieß es in einer Ankündigung. 

CORRECTIV.Faktencheck hat dokumentiert, wie die Gegner der Corona-Maßnahmen auf Telegram vor und nach der Aktion Strategien diskutierten, um systematisch Druck auf Schulen, Schulleiter und Lehrerinnen auszuüben. 

Maßnahmen-Gegner treffen Absprachen in Telegram-Gruppen von „Eltern stehen auf“

Die Gegner der Corona-Maßnahmen organisieren sich häufig über den Messengerdienst Telegram. Dort kann man sich nicht nur wie bei Whatsapp Nachrichten senden, sondern auch öffentliche Kanäle einrichten, die jeder wie einen Newsletter abonnieren kann. Telegram ist ein Soziales Netzwerk, das jedoch anders als Facebook, Whatsapp oder Twitter bislang nichts gegen Desinformation unternimmt.

Video-Screenshot vom 21. Oktober 2020: Demonstranten vor dem „Corona-Infobus“ in Darmstadt.
Video-Screenshot vom 21. Oktober 2020: Demonstranten vor dem „Corona-Infobus“ in Darmstadt. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Der Aufruf zur Demonstration wurde in den regionalen Telegram-Gruppen der Initiative „Eltern stehen auf“ für Darmstadt und Hessen verbreitet. „Eltern stehen auf“ macht Stimmung gegen Corona-Schutzmaßnahmen wie die Maskenpflicht und verteilt zu diesem Zweck auch massenhaft Flugblätter

In den Telegram-Gruppen werden nach unseren Recherchen auch Schreiben geteilt, in denen die Maskengegner Schulleitern oder Schulämtern rechtliche Schritte ankündigen. Manche Mitglieder schlagen vor, man solle Dienstaufsichtsbeschwerden einreichen. Zudem tauschen sie Ratschläge, Vorlagen für Anschreiben an die Schule sowie Kontakte zu Anwälten aus.

Das Narrativ „Wir gegen die Anderen“ taucht in den Gruppen der Corona-Relativierer immer wieder auf. Ein Video in der Darmstadt-Telegram-Gruppe zeigt, wie ein Redner beim offiziellen Stopp der „Corona-Info“-Bustour den Besuch an der Georg-Büchner-Schule verharmlost, obwohl die Gruppe mehrere Schüler ansprach. Der Mann verteidigte die Aktion: Man habe lediglich die „Problematik der CO2-Rückatmung“ besprechen wollen. „Man wird natürlich leider heutzutage auch bei sowas sehr schnell mit einem Hausverbot belegt, ja also, auch lange bevor jetzt, also natürlich sind ein paar Leute uns dann gefolgt, das wollten wir so eigentlich gar nicht. Aber es wird einem wirklich mit einer Feindseligkeit entgegengetreten und keiner möchte irgendeine Diskussion. Hauptsache, die Schüler tragen eine Maske.“

Es gibt übrigens nach Recherchen von CORRECTIV.Faktencheck keine Belege, dass Masken aufgrund von zu viel CO2 gesundheitsschädlich sein könnten. 

Die Demonstration vor der Schule war für den Schulleiter nur ein „Zwischenfall“ – ihn beschäftigt etwas anderes

Direktor Ganß sagt im Telefongespräch mit CORRECTIV.Faktencheck Anfang Dezember, er sei von der Polizei vorgewarnt worden. Die Situation bei der Demonstration sei zwar „unangenehm“ und „übergriffig“, aber nicht „dramatisch“ gewesen. Der Hausmeister habe schnell reagiert und die Polizei sei in der Nähe gewesen. 

Im Vergleich zu dem, was Ganß sonst um die Ohren hat, war die Protestaktion an diesem Tag nur ein Zwischenfall. An seinem Gymnasium seien zwei Schüler per Attest vom Masketragen befreit. Er wisse selbst, dass einige Ärzte solche Atteste ohne Untersuchung ausstellen, doch er dürfe sie nicht überprüfen.

„Es sind wenige Fälle, aber sie machen viel Arbeit“, sagt der Schulleiter. Er spricht von einem „enormen bürokratischen Aufwand“, von Justiziaren einerseits und von Menschen, „mit denen man nicht mehr reden kann“ andererseits. Auch Kollegen an anderen Schulen hätten ähnliche Fälle, sagt er.

In einem Brief wurden dem Schulleiter bereits im August „rechtliche Schritte“ angedroht

Mit wem Ganß es zu tun hat, zeigt sich in der Darmstädter Telegram-Ortsgruppe von „Eltern stehen auf“. Dort wurde im August ein drei Seiten langer, wütender Brief an den Schulleiter verbreitet. 

Der Schulleiter wurde darin aufgefordert, auf die Umsetzung der Mund-Nasen-Schutz-Pflicht zu verzichten. Ganß hat uns am Telefon bestätigt, dass er dieses Schreiben erhalten hat. 

Beitrag vom 13. August 2020: Ein Brief an Ganß wurde in der Gruppe „Eltern stehen auf Darmstadt“ veröffentlicht.
Beitrag vom 13. August 2020: Ein Schreiben an Ganß wurde in der Gruppe „Eltern stehen auf Darmstadt“ veröffentlicht. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Die Autorin des Schreibens drohte Ganß mit rechtlichen Schritten: „Es wird für die Schule weder teuer noch rechtlich ungemütlich, wenn Schüler keine Maske tragen – weil dies der Rechtslage entspricht! Es wird aber teuer und rechtlich ungemütlich, wenn die Schule versucht, eine rechtlich nicht existierende Maskenpflicht durchzusetzen. Dem entsprechende rechtliche Schritte behalten wir uns vor.“

„Wir müssen mehr Druck aufbauen“, schreibt ein Mitglied von „Eltern stehen auf“

Hinter solchen Drohungen steckt oft Strategie: Mitglieder in den „Eltern stehen auf“-Gruppen tauschen Gesetzestexte aus. Es kursieren vorbereitete Schreiben von den sogenannten „Klagepaten“, die jeder herunterladen, verändern und verschicken kann. Viele der Mitglieder haben sich und ihren Kindern offenbar Atteste besorgt, um keine Masken tragen zu müssen. Gruppenmitglieder empfehlen sich gegenseitig Ärzte, bei denen ein solches Attest leicht zu haben ist. Oder sie organisieren gemeinsame Aktionen, rufen zum Boykott von Läden auf und machen „Druck“.

Beitrag vom 27. November 2020: In der Telegram-Gruppe „ElternStehenAuf Darmstadt“ geht es um Masken-Atteste.
Beitrag vom 27. November 2020: In der Telegram-Gruppe von „ElternStehenAuf“ in Darmstadt geht es um Masken-Atteste. Der Hinweis „Pn“ bedeutet soviel wie: „Schreiben Sie mir persönlich“. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Wir haben einige Chat-Unterhaltungen an den Tagen vor und nach der Demonstration am 21. Oktober vor der Georg-Büchner-Schule aus den regionalen Gruppen für Hessen und Darmstadt ausgewählt, die beispielhaft zeigen, wie und worüber die Mitglieder sich absprechen. 

Drei Beispiele, wie „Eltern stehen auf“ Druck auf Schulen ausüben:

20. Oktober: „Man muss halt schauen, dass man kleine Gruppen lokal nutzt, aber nicht versehentlich konterkariert, weil man zu klein splittert. Immer noch mit anderen im regionalen Bereich mutig mitziehen und Aktionen unterstützen, auch wenn an [sic] selbst nicht direkt betroffen ist, weil das Kind woanders zur Schule geht. Das hier braucht eine starkes Kollektiv“, schreibt ein Nutzer.

Beitrag vom 20. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe von Darmstadt schreibt ein Mitglied, man brauche ein „starkes Kollektiv“.
Beitrag vom 20. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe von Darmstadt schreibt ein Mitglied, man brauche ein „starkes Kollektiv“. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ebenfalls am 20. Oktober schreibt ein Nutzer in der Telegram-Gruppe „Chat Hessen“: „Was wäre, wenn immer mehr Schüler in der Schule ohnmächtig werden würden? Nur so ein Gedanke. Ich lass das mal so stehen.“ Eine Nutzerin antwortet: „Ich versuche es meinen Kindern zu sagen… Auch das [sic] sie früher gehen sollen und nicht nur bei mir zu Hause jammern sollen…“ Kein anderer Nutzer kommentiert das. 

Beitrag vom 20. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe „Chat Hessen“ suggeriert ein Mitglied, Schüler sollten ohnmächtig werden.
Beitrag vom 20. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe „Chat Hessen“ suggeriert ein Mitglied, Schüler sollten ohnmächtig werden. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Am 23. Oktober fordert eine Nutzerin in der Hessen-Gruppe: „[] wir müssen mehr Druck aufbauen. Auf alle Entscheidungsträger und Verantwortlichen. Sie sollen den Druck und Stress, den sie anderen erzeugen, am eigenen Leib erfahren.“ Gemeint sind damit unter anderem Schulleiter.

Beitrag vom 23. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe „Chat Hessen“ schreibt ein Mitglied, man müsse mehr Druck aufbauen.
Beitrag vom 23. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe „Chat Hessen“ schreibt ein Mitglied, man müsse mehr Druck aufbauen. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Ein Telegram-Mitglied in Darmstadt schreibt: „Wir sind St**tsfeinde“

Offenbar werden gelegentlich auch interne Informationen in den Gruppen geteilt: Am 23. Oktober, nach der Demonstration in Darmstadt, schickte das Polizeipräsidium Südosthessen ein Sensibilisierungsschreiben an Schulämter. Darin hieß es unter anderem: „Die Teilnehmer (solcher Demonstrationen) setzen bewusst darauf, die Ängste und Sorgen von Eltern hinsichtlich der Corona-Pandemie zu nutzen, um ihre verschwörungsideologischen Botschaften zu adressieren und die eigene Anhängerschaft zu vergrößern.“ Die Polizei hat uns auf Nachfrage bestätigt, dass das Schreiben existiert. 

Die Mitteilung der Polizei wurde noch am selben Tag von einer Nutzerin in der „Eltern stehen auf Darmstadt“-Telegram-Gruppe geteilt – inklusive Name und Kontaktdaten der Frau, die den Text verfasst hat. 

Beitrag vom 23. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe von Darmstadt teilt ein Mitglied ein Schreiben des Polizeipräsidiums Südhessen.
Beitrag vom 23. Oktober 2020: In der Telegram-Gruppe von Darmstadt teilt ein Mitglied ein Schreiben des Polizeipräsidiums Südhessen. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Knapp zwanzig Minuten später postete dieselbe Nutzerin zudem einen Screenshot mit einem Foto der Frau, die das Schreiben der Polizei unterzeichnet hat. Der Screenshot stammt von einer Internetseite der Polizei: Die Frau  arbeitet demnach als wissenschaftliche Mitarbeiterin für die Prävention von politisch motivierter Kriminalität beim Polizeipräsidium Südhessen. 

Die Nutzerin in der Telegram-Gruppe von „Eltern stehen auf“ schrieb dazu: „Die Verfasserin ist zuständig für Prävention von politisch motivierter Gewalt. Ich sag’s euch, auch wenn das für manche vielleicht albern klingt, aber wir sind St**tsfeinde.“ Eine andere Nutzerin antwortete: „Sieht wohl so aus! Da bin ich echt platt was da die Polizei so von sich gibt! Bloß sich auf keine Diskussion einlassen… Unglaublich!“

Covid-19-Krisenstab ermächtigt Schul- und Kitaleitungen dazu, in solchen Fällen das Hausrecht durchzusetzen 

Zwei Tage nach der Demonstration in Darmstadt – am 23. Oktober – veröffentlichte auch der Covid-19-Krisenstab der Stadt eine Pressemitteilung. Darin hieß es, man habe ein Hausverbot für Personen beschlossen, „die derartigen Gruppierungen angehören“.

Oberbürgermeister Jochen Partsch sagte demnach: „Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, eine Errungenschaft unserer freiheitlichen Demokratie. Wenn aber, wie in dieser Woche geschehen, selbsternannte ‚Querdenker‘ und sonstige ‚Maskengegner‘ in Schulgebäude einzudringen versuchen und Schülerinnen und Schüler bedrängen und belästigen, müssen und werden wir entschlossen handeln. Schulen und Kitas erhalten hierfür die klare politische und auch rechtliche Rückendeckung durch Stadt und Staatliches Schulamt: Das ist nicht hinnehmbar.“

Ebenfalls nicht hinnehmbar seien „von dort organisierten Personen oder in Internetchats auffindbare und ausgesprochene Drohungen und Beleidigungen“ gegen das Schulamt, Schulen sowie die Polizei. Diese werde man „in jedem Fall auf strafrechtliche Relevanz hin überprüfen“. „Die Herausforderung durch die Covid-19-Pandemie ist insbesondere für die Schulgemeinden schwierig genug, Störungen und Belästigungen dürfen und werden wir daher nicht zulassen“, so Partsch.

Ein Gruppen-Admin schreibt uns, man müsse sich nicht rechtfertigen

Wir haben die Initiative „Eltern stehen auf“ über ihre Webseite kontaktiert, auf unsere Fragen aber keine Antworten erhalten. Zudem haben wir einem Administrator der Telegram-Gruppen Darmstadt und Hessen auf Telegram geschrieben. Zur Mitteilung des Covid-19-Krisenstabs antwortete er uns: „Die Sichtweise des Covid-19- Krisenstabs sehen wir als Einzelmeinung und der Sache nicht dienlich, bzw. als nicht relevant, an. Aufgrund der Tätigkeit ist ja schon eine eindeutige Tendenz feststellbar, die gar nicht objektiv sein kann.“

Er schrieb außerdem: „Im Rahmen einer freien Meinungsäußerung brauchen wir uns auch nicht zu rechtfertigen, was wir sagen oder schreiben. Aufrufe zu Aktionen sind ein Akt dieser freien Meinungsäußerung.“ Mit Schulleitern sprechen zu wollen, sei nicht verboten und somit ebenfalls ein „legitimes Recht eines jeden Bürgers“.

Schulleiter Ganß wünscht sich „klarere Aussagen“ von den Landesbehörden

Schulleiter Christof Ganß sagt, er könne froh sein, dass nur ein paar Eltern an der Schule die Gefahr durch das Coronavirus leugnen. Insbesondere wegen der Maskenpflicht gebe es mit ihnen immer wieder Ärger. „Die Kinder geraten dann in einen Konflikt und stehen hilflos zwischen Elternhaus und Schule“, meint er.

Manchmal wünsche er sich von den Behörden „klarere Aussagen“, um Missverständnisse zu vermeiden. „Es liegt schon auch daran, dass das von einigen Landesbehörden nicht konkret definiert ist, was als Maske zugelassen ist.“ 

Am 15. Dezember schrieb Ganß uns nachträglich in einer E-Mail: Die Lage habe sich zurzeit beruhigt und es gebe keine Auseinandersetzungen mit Eltern. Dies sei seines Erachtens darauf zurückzuführen, „dass die Justiziarin des Staatlichen Schulamtes einen klaren Bescheid an einen Beschwerdeführer geschickt hat, in dem sie meine Rechtsauffassung voll und ganz unterstützt“.

Schweizer Forscher sehen in der Bewegung ein großes Radikalisierungspotenzial

Der Blick in die Telegram-Gruppen zeigt, dass die Corona-Relativierer den Schritt aus der Online- in die Offline-Welt gehen: Sie führen Aktionen durch, statt nur zu chatten. Wie weit dieser Schritt gehen kann, zeigt eine Studie (Preprint) der Schweizer Forscher Oliver Nachtwey, Robert Schäfer und der Forscherin Nadine Frei. Für ihre Studie „Politische Soziologie der Corona-Proteste“ haben sie die Bewegung der „Kritiker:innen der Corona-Massnahmen“ untersucht und führten dazu auch Umfragen in Telegram-Gruppen durch auch bei „Eltern stehen auf“. Insgesamt wurden mehr als 1.150 Fragebögen ausgefüllt.

Die inzwischen deaktivierte Umfrage der Universität Basel in einer Telegram-Gruppe von „Eltern stehen auf“, gepostet am 22. November.
Die inzwischen deaktivierte Umfrage der Universität Basel in einer Telegram-Gruppe von „Eltern stehen auf“, gepostet am 22. November. (Quelle: Telegram / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

43,10 Prozent der Umfrageteilnehmer gaben dabei unter anderem an, dass sie in den letzten 36 Monaten „Politiker*innen oder Vertreter*innen der Verwaltung kontaktiert“ hätten. 86,5 Prozent gaben an, eine Petition unterzeichnet zu haben. 

Dem Satz „Die Maskenpflicht ist Kindesmissbrauch“ stimmten 71,35 Prozent der Umfrageteilnehmer „voll und ganz“ zu.

Einige der Befragten thematisierten laut der Studie eine „Diffamierung von Skeptikern und Skeptikerinnen der coronabedingten Maßnahmen“, schreiben die Autoren der Studie. „Zwar wird eine Leidensgemeinschaft heraufbeschworen, doch wird gleichzeitig ein Opferstatus abgelehnt. So wird zur Selbstinitiative und zum Aneignen von Wissen aufgerufen, in Form von selber hinterfragen, informieren, recherchieren und überprüfen.“

Bei den „Kritiker:innen der Corona-Massnahmen“ handelt es sich nach Einschätzung der Wissenschaftler zwar um eine Bewegung, die politisch gesehen „eher von links“ komme, die aber nach rechts offen sei und „über ein beträchtliches immanentes Radikalisierungspotenzial“ verfüge. Eine Mehrheit der Befragten halte die AfD für eine normale Partei und empfinde die Aufregung um Reichskriegsflaggen auf den Demonstrationen als übertrieben. „Bewegungen sind nie statisch, sondern können – gerade wie im vorliegenden Fall affektueller Bewegungen – starke Dynamiken entwickeln, die auch eine Radikalisierung wahrscheinlicher machen“, schreiben die Forscher.

Redigatur: Alice Echtermann, Uschi Jonas