Geldwäsche

Geldwäsche im Online-Glücksspiel: Bankenaufsicht Bafin will nicht kontrollieren

Die Bundesländer liberalisieren ab Juli das Online-Glücksspiel. Sie hoffen auf mehr Einnahmen. Doch in Deutschland dürfte vor allem eines zunehmen: Geldwäsche. Denn für deren Bekämpfung fühlt sich niemand richtig zuständig, wie interne Gesprächsprotokolle zeigen. Die Situation erinnert an den Wirecard-Skandal.

von Michel Penke , Frederik Richter

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Lukas Podolski lacht: Wie viele Prominente taucht er in einem Werbespot für Sportwetten auf. Hinter dem Werbeglanz verbirgt sich eine Schattenwelt. (Foto: Screenshot / Youtube)

Zwei Männer sitzen in einer Bar an der Berliner Karl-Marx-Allee und blicken auf ein Handy. Sie tippen Sportwetten ein und diskutieren ihre Chancen.

„Da ist es ja wahrscheinlicher, dass Lukas Podolski hier auf einem Elefanten ankommt und rückwärts einparkt“, sagt der eine zum anderen mit Blick auf eine gerade ins Handy eingegebene Wette. In dem Moment passiert auf der Straße vor der Bar genau das: Der ehemalige Angreifer des 1. FC Köln taucht mit einem Elefanten auf und reitet ihn rückwärts in eine Lücke zwischen zwei Autos.

Zu sehen ist diese Szene in einem der vielen Werbespots, in denen Prominente für Sportwetten und Glücksspiel werben. Neben Podolski gehört auch Oliver Kahn dazu. Sie vermitteln Menschen die Illusion, Teil des Hochglanz-Projekts Profifußball sein zu können – wenn sie nur das Ergebnis einiger Spiele richtig vorhersagen. International haben auch die Fußballer Neymar, Cristiano Ronaldo und Zlatan Ibrahimović schon für Online-Glücksspiel geworben.

Online-Glücksspiel: Hohes Geldwäscherisiko

Hinter dem Hochglanz des Geschäfts und den leuchtenden Gesichtern dieser Werbespots gibt es eine Schattenwelt: Spielsüchtige werden ausgenutzt und illegales Geld in die Wirtschaft geschleust. Denn in dieser Schattenwelt fühlen sich auch Geldwäscher wohl. Der letzte Geldwäsche-Risikobericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2019 stufte Glücksspiel in die höchste Risiko-Kategorie ein. Doch der deutsche Staat kümmert sich kaum um die Geldwäsche in der Glücksspiel-Branche, wie diese Recherche zeigt.

Interne Dokumente belegen, wie sich Behörden gegenseitig die Verantwortung zuschieben. Die nationale Bankenaufsicht Bafin lehnt die Aufsichts-Arbeit sogar explizit ab, wie interne Protokolle zeigen: Sie sieht sich nicht erst zuständig und will der Branche, die sie beaufsichtigen soll, offenbar auch nicht zu viel zumuten. Die Situation erinnert an den Wirecard-Skandal: In einem verhängnisvollen Dreieck aus Bankenaufsicht Bafin, den Bundesländern sowie der Geldwäsche-Behörde Financial Intelligence Unit (FIU) fühlte sich niemand für die Aufsicht über den Konzern ausreichend zuständig.

Die Bankenaufsicht Bafin.
Die in Bonn ansässige Bankenaufsicht Bafin zog im Wirecard-Skandal viel Kritik auf sich. Auch bei Online-Glücksspiel schlägt sie sich eher auf die Seite der Banken. (Foto: Picture Alliance)

Wenn die Online-Glücksspiel-Branche nun ab Juli liberalisiert wird, öffnen sich in Deutschland weitere Einfallstore für Kriminelle, Geld aus Straftaten in den legalen Kreislauf einzuschleusen, schätzen Fachleute. Selbst der Bundesrechnungshof kritisiert die fehlende Kontrolle.

Schon analoge Casinos gelten als anfällig für Geldwäsche: Spielende tauschen Bargeld und Spielchips hin und her. Wenn sie sich ihre Wetten auszahlen lassen, ist die Quelle des ursprünglichen Bargelds verschleiert und das Geld legal geworden. Online sind die Geldflüsse noch schwieriger nachvollziehbar.

Die italienische Mafia setzt auf Online-Glücksspiel

„Online-Glücksspiel ist sehr anfällig für Geldwäsche“, sagt Federico Varese, Kriminologie-Professor an der britischen Universität Oxford, der sich mit dem weltweiten Glücksspiel beschäftigt. Es sei ein Leichtes, ein Konto bei Glücksspielanbietern einzurichten und mit den Geldern krimineller Organisationen zu spielen. „Man bewegt es von einem Konto aufs nächste und am Ende landet es im legalen Banken-System.“

In Italien fällt bei Anti-Mafia-Ermittlungen immer häufiger auf, dass Gruppen wie die ‚Ndrangheta oder die sizilianische Mafia Online-Glücksspiel zur Geldwäsche nutzen. Teils besitzen sie sogar einige Glücksspielanbieter. Einer davon unterhielt Konten bei dem untergegangenen Zahlungsanbieter Wirecard, zu dessen Kunden Anbieter von Online-Glücksspiel gehörten.

Im März verhafteten italienische Behörden im süditalienischen Catania eine Gruppe, die sie der Geldwäsche im Online-Glücksspiel verdächtigte. „Sie hatten erhebliche Summen im Ausland investiert, mit Bankkonten in Malta und Polen“, sagte Pablo Leccese, Chef einer Anti-Mafia-Einheit im süditalienischen Katanien zu CORRECTIV. Einer der Anführer der Gruppe aus dem Umfeld des sizilianischen Santapaolo-Clans habe mit den Gewinnen ein Restaurant in Deutschland gekauft. Bei ihm sei ein Auto mit deutschen Kennzeichen gefunden worden.

Scharfe Kritik vom Bundesrechnungshof

Anders als in Italien ist hierzulande Geldwäsche im Online-Glücksspiel, um es mit dem Werbespot von Lukas Podolski zu sagen, der Elefant im Raum, über den keiner reden will. Behörden bekämpfen sie fast gar nicht. Zu diesem Urteil kam jedenfalls der Bundesrechnungshof in einem CORRECTIV vorliegenden Bericht aus dem Dezember 2020 über Geldwäsche im sogenannten Nicht-Finanz-Sektor (NFS). Damit ist Geldwäsche gemeint, die nicht über Banken abgewickelt wird. Sondern etwa mithilfe von Immobilien, Diamanten, Autos, Kunstgegenständen – oder eben Glücksspiel.

Auch in diesem Bereich sind bestimmte Berufsgruppen verpflichtet, eine sogenannte Verdachtsmeldung an eine spezielle Behörde für die Bekämpfung von Geldwäsche, die Financial Intelligence Unit, zu senden, wenn ihnen bei Geschäften etwas komisch vorkommt – zum Beispiel Notaren bei einem Hauskauf. 2019 stammten gerade einmal 1,3 Prozent aller Verdachtsmeldungen aus dem Nicht-Finanz-Sektor. Diese Behörde gilt allerdings schon seit Langem als überfordert und ineffizient.

„Nach Ansicht des Bundesrechnungshofes gibt es im NFS keine wirksame Geldwäscheaufsicht“, schrieb der Rechnungshof. Und ging noch weiter: „Die vom Bundesrechnungshof festgestellte Aufsicht im NFS entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.“

Mit anderen Worten: Die Bundesregierung vernachlässige den Kampf gegen Geldwäsche bei Immobilien, Glücksspiel oder Kunsthandel so sehr, dass er gegen Gesetze verstoße. Die EU hat im Februar 2021 sogar ein Vertragsverletzungsverfahren gegen das Geldwäsche-Paradies Deutschland eingeleitet.

Das Bundesfinanzministerium teilt dazu auf Anfrage mit, es habe im Nicht-Finanz-Sektor zahlreiche Maßnahmen für eine bessere Geldwäscheprävention und Koordination eingeleitet. Dazu gehörten zum Beispiel verschiedene Stellen, die die Arbeit zwischen Behörden koordinieren sollen. Die Maßnahmen bräuchten allerdings noch Zeit, bis sie ihre Wirkung entfalteten.

Das Geldwäsche-Paradies Deutschland lockt jährlich 100 Milliarden Euro an

„Weil das Geld lockt.“ Diese einfache Antwort findet die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus auf die Frage, warum sich Deutschland so schwertut mit dem Kampf gegen Geldwäsche. Laut einer Schätzung im Auftrag des Bundesfinanzministeriums aus dem Jahr 2016 fließen jedes Jahr 100 Milliarden Euro auf verschiedenen Wegen nach Deutschland, um hier gewaschen zu werden. Andere Schätzungen gehen von doppelt so hohen Summen aus. Das wären fünf Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung Deutschlands.

Die zuständigen Bundesländer nehmen bereits jährlich mehr als fünf Milliarden Euro mit Glücksspiel ein und hoffen auf weitere Einnahmen. Ab dem 1. Juli gilt daher ein neuer Glücksspielstaatsvertrag. Anbieter können dann in Deutschland eine Lizenz für Online-Glücksspiel erwerben. Bisher bot nur das Bundesland Schleswig-Holstein in einem Alleingang solche Lizenzen an.

Sonderweg Schleswig-Holstein

Das Bundesland Schleswig-Holstein liberalisierte 2012 in einem umstrittenen Alleingang das Online-Glücksspiel. Nach Angaben des zuständigen Innenministeriums hat es bis 2016 knapp 12 Millionen Euro Lizenzgebühren eingenommen. Seitdem besteuert der Bund ausländische Anbieter von Online-Casinos.

Das Innenministerium teilt auf Anfrage mit, dass es keine Statistik über Verstöße im Bereich Online-Glücksspiel führe. Das Ministerium prüfe bei der Erteilung von Lizenzen die Geldwäscheprävention der Anbieter. Daher habe es nur sehr vereinzelt Verstöße gegeben, die umgehend behoben worden seien.

Die Hoffnung der Bundesländer auf mehr Einnahmen könnte allerdings vergeblich sein. Denn Spielende können schon seit Jahren im Internet auf den Webseiten ausländischer Anbieter Sportwetten abschließen, Poker spielen und virtuelle Casinos besuchen. Teilweise gelangt man mit nur einem Klick von einer Seite, die mit einer Lizenz aus Schleswig-Holstein läuft, zu den unregulierten Angeboten. Dieser Offshore-Markt, auf dem es mehr als 1.000 Webseiten aber keine Maßnahmen für Spielerschutz gibt, ist eigentlich illegal. Doch er kümmerte die Behörden bislang kaum.

Nach Angaben des europäischen Glücksspiel-Verbandes hat der deutsche Online-Glücksspielmarkt ein Volumen von etwa 2,8 Milliarden Euro. Wie viel davon unerlaubtes Glücksspiel ist oder der Geldwäsche dient, ist schwer zu schätzen.

Die Situation erinnert an den Wirecard-Skandal

In Deutschland sind neben dem Bund im Nicht-Finanz-Sektor, also etwa bei Immobilien oder im Autohandel, die Bundesländer für den Kampf gegen Geldwäsche zuständig. Beim Kampf gegen den illegalen Offshore-Markt im Glücksspiel ist es offenbar so wie bei dem untergegangenen Wirecard-Konzern: Weder die deutsche Bankenaufsicht Bafin noch die Behörden in den Bundesländern fühlen sich zuständig.

Im vergangenen September sprachen unter anderem Vertreter des Finanzministeriums und der Bafin sowie des niedersächsischen Innenministeriums, das aufseiten der Bundesländer zuständig ist, in einer Telefonkonferenz über die Aufsicht des Online-Glücksspiels.

Banken ist es nicht erlaubt, an illegalem Glücksspiel mitzuwirken. Sie müssen Zahlungen in Verbindung damit unterbinden. Doch die Bankenaufsicht Bafin zeigt wenig Interesse, die Institute zur Einhaltung dieses sogenannten Mitwirkungsverbots zu bewegen, wie ein CORRECTIV vorliegendes Protokoll des Gesprächs zeigt. Demnach machte die Bankenaufsicht deutlich, „dass die Unterbindung von Zahlungen in Bezug auf unerlaubtes Glücksspiel nicht in der Zuständigkeit der Bafin liegt“.

Vertritt die Bankenaufsicht die Position der Banken?

Es sei Aufgabe der Glücksspielaufsichtsbehörden in den Bundesländern, festzustellen, welches Glücksspiel erlaubt sei und welches nicht. Und die Bafin entschuldigte gegenüber den anderen Behördenvertretern die Banken, für deren Aufsicht sie zuständig ist. Es sei für die Banken nur schwer erkennbar, ob Zahlungsströme mit Glücksspiel in Verbindung stünden.

„Diese Schwierigkeiten ergeben sich insbesondere in den Fällen, in denen weitere, meist ausländische Zahlungsdienstleister zwischen den deutschen Zahlungsdienstleister und den Glücksspielkunden zwischengeschaltet sind“, so der Bafin-Vertreter.

Tatsächlich können Spielende Gelder bei Zahlungsanbietern wie Paypal, Giropay oder Onepay einzahlen. Banken sehen mitunter auf den Konten dann lediglich Geldflüsse zu diesen Dienstleistern und nicht den Wettanbietern, so das Argument.

Guido Lenné kann dem Argument nicht folgen. Der Rechtsanwalt vertritt Spielende, die von Wettanbietern verlorenes Geld zurückverlangen. Es gebe zwar tatsächlich Ketten von zwischengeschalteten Stationen zwischen dem Bankkonto eines Spielenden und den Online-Glücksspielen, sagt Lenné, eben jene Zahlungsabwickler. Und auch Zahlungen über Kreditkarten gingen nicht direkt an Online-Casinos, sondern an deren verschachtelten Tochtergesellschaften.

„Aber eben wenn eine Bank nicht weiß, wo Zahlungen hingehen, muss sie sie festhalten. Banken sind verpflichtet zu wissen, wer ihre Kunden sind“, sagt Lenné.

Die Banken verdienen am Online-Glücksspiel

Letztlich seien es nur wenige hundert Bankkonten der Glücksspiel-Anbieter, auf die alle Zahlungen zuliefen. Es gebe ausreichend technische Möglichkeiten, Zahlungen an diese zu identifizieren. Lenné geht davon aus, dass die Banken die Einnahmen aus den hohen Gebühren dieses Massengeschäfts nicht verlieren wollen und deswegen nicht so genau hinsehen. Wie viele Zahlungen Banken zwischen Malta und Deutschland abwickeln, ist schwer zu schätzen. Eine Statistik über die Zahlungsflüsse ist weder bei der Bafin noch der Europäischen Zentralbank zu erhalten.

„Das hört sich ganz nach einem klassischen Reflex der Bafin an, Zuständigkeiten erst einmal von sich zu weisen“, sagt Lisa Paus von den Grünen. „Statt sich schützend vor die Banken zu stellen, sollte die Finanzaufsicht an gemeinsamen Lösungen hierfür arbeiten. Wenn es keine Gefahr gibt aufzufliegen, wird das illegale Glücksspiel munter weitergehen.“

Foto: Jens Krick / picture alliance / Flashpick
Die grüne Bundestagsabgeordnete Lisa Paus ist eine der wenigen in der Berliner Politik, die den Kampf gegen Geldwäsche verschärfen möchte. (Foto: Jens Krick / picture alliance)

Es müsste der Bafin eigentlich bekannt sein, dass deutsche Banken an unerlaubtem Glücksspiel mitwirken. Süddeutsche Zeitung und NDR zählten 2017 auf Grundlage der Paradise Papers mehrere Beispiele auf.

Die Bafin bekräftigte auf Anfrage, dass die Bundesländer dafür zuständig seien, den Banken die Mitwirkung an unerlaubtem Glücksspiel zu untersagen. „Als Bundesbehörde respektieren wir die grundgesetzliche Kompetenzordnung und den Willen des Gesetzgebers, die Zuständigkeit für die Überwachung der Glücksspielanbieter den in den Bundesländern angesiedelten Glücksspielaufsichtsbehörden im Rahmen einer föderalen Aufteilung zu übertragen“, teilte sie auf Anfrage mit. Dennoch wirke sie darauf hin, dass die ihr unterstehenden Banken nicht an illegalem Glücksspiel mit wirkten. „Diese Aufgabe nehmen wir sehr ernst.“

Auch die Bundesländer und ihre Behörden zeigen wenig Interesse daran, gegen Geldwäsche vorzugehen. Anfang 2016 berichtete die Financial Times über den Vorwurf, dass es im Wirecard-Konzern – zu dessen wichtigsten Kunden Anbieter von Online-Glücksspiel zählten – keine ausreichenden Maßnahmen gegen Geldwäsche gebe.

Deutsche Behörden beschäftigten sich erst vier Jahre später damit. Auslöser war der Anruf eines Vertreters von EY am 20. Februar 2020 bei der Regierung Niederbayern, der sich erkundigte, ob die Behörde für die Geldwäscheaufsicht bei Wirecard zuständig sei. Es folgte eine monatelange Diskussion über Zuständigkeiten – abhängig von der Frage, ob Wirecard zum Finanz- oder zum Nicht-Finanz-Sektor gehören sollte.

Die Bundesländer kommen bei Geldwäsche ihren Pflichten kaum nach

Für das Online-Glücksspiel brachte die niedersächsische Landesregierung diese Haltung der Behörden – vermutlich ungewollt – auf den Punkt:

„Bei Glücksspielanbietern, die per se unerlaubte Angebote betreiben, entfallen – neben dem Erlass von Untersagungsverfügungen – gesonderte geldwäscheaufsichtliche Maßnahmen“, schrieb sie im August 2020 in einer Antwort auf eine kleine Anfrage im Landtag. Mit anderen Worten: Wenn jemand keine Lizenz hat, kümmern wir uns auch nicht um die Geldwäsche, die er betreibt. Dabei ist es just das niedersächsische Innenministerium, das im Auftrag der Bundesländer kontrollieren soll, dass die Banken nicht an illegalem Glücksspiel mitwirken.

Im ab Juli geltenden Glücksspielstaatsvertrag spielt das Geldwäsche-Risiko jedenfalls keine wesentliche Rolle. Der Experte Michael Findeisen von der Organisation Mafia Nein Danke geht in einem Gutachten sogar davon aus, dass der Vertrag gegen Geldwäsche-Vorgaben der EU verstößt.

Schon im Jahr 2012 versuchten die Bundesländer, die Verantwortung für die Geldwäscheaufsicht im Nicht-Finanz-Sektor ganz loszuwerden. Sie begründeten dies auch damit, dass sie nicht genügend Geld dafür zur Verfügung hätten. Die Antwort der Bundesregierung beschränkte sich auf einen kühlen Hinweis aufs Grundgesetz, in dem die Zuständigkeit der Bundesländer festgeschrieben sei.

„Die Aufsicht ist dem Staat zu teuer“

„Der Bund weiß, dass die Länder niemals in der Lage sein werden, die Aufsicht zu führen, das ist die Dramatik“, sagt der Geldwäsche-Experte Andreas Frank, der die Politik der Bundesregierung schon lange kritisiert. „Es ist dem Staat letztlich zu teuer, hier Aufsicht zu führen.“

Fachleute wie Frank und auch Findeisen glauben nicht, dass die Bundesländer das Online-Glücksspiel ordentlich überwachen können. Darauf deutet schon hin, dass der neue Glücksspielvertrag im Juli in Kraft tritt – die neue, zuständige Aufsichtsbehörde mit Sitz in Sachsen-Anhalt aber erst 2023 ihre Arbeit aufnimmt. Bis dahin gibt es lediglich eine Übergangslösung.

Bei jener Telefonkonferenz von Finanzministerium und Bafin im September 2020 über das Online-Glücksspiel war übrigens noch eine dritte Behörde in der Leitung: die Financial Intelligence Unit, kurz FIU.

Sie ist jene Behörde, bei der Verdachtsmeldungen von Banken und aus dem Nicht-Finanz-Sektor ankommen. Die FIU wertet diese aus und leitet einen Teil davon an andere Behörden weiter, wie etwa die Landeskriminalämter. Die FIU soll entscheiden, was wichtig ist. Sie soll für den Staat die Speerspitze im Kampf gegen Geldwäsche sein – hat jedoch ihre ganz eigene Geschichte des Behördenversagens.

Auch die FIU tut sich schwer mit Online-Glücksspiel

Die FIU steht seit Jahren in der Kritik: „mangelhaft“, „unterbesetzt“, „Sorgentruppe“, inkompetent, chaotisch – all das war bereits über die FIU zu lesen. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BdK) warf der FIU auch noch „organisierte Strafvereitelung“ vor.

Glücksspiel ist einer von etwa zehn Risikoschwerpunkten der FIU. Doch mit der Überwachung von unerlaubtem Online-Glücksspiel tut sich die Behörde offenbar schwer.

„Es fällt auch der FIU schwer, die Entscheidung darüber zu treffen, welche Fälle unerlaubt und welche noch rechtlich zulässig sind“, gestand die Behörde in der Telefonkonferenz mit Finanzministerium und Bafin im September 2020 ein.

Die FIU teilt dazu auf Anfrage mit, dass für ihre Auswertung von Verdachtsmeldungen nicht entscheidend sei, ob Glücksspiel legal oder illegal ist. „Ergeben sich im Verlauf der operativen Analyse der FIU Anhaltspunkte für Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung oder während dieser Analyse aufgefundene mögliche sonstige Straftaten, übermittelt die FIU das Ergebnis ihrer Analyse nebst sachdienlicher Informationen unverzüglich an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden und sonstigen zuständigen Stellen.“

Die FIU teilt weiter mit, dass sie im Online-Glücksspiel „in zunehmenden Maße“ Tendenzen erkenne, die eine Abstimmung der involvierten Behörde erfordere und ihr hierbei eine besondere Rolle zukomme. Im Rahmen einer konzertierten Aktion habe die FIU 2020 die Aufsichtsbehörden der Bundesländer bei einer Überprüfung von Glücksspielanbietern koordiniert und unterstützt.

2019 erhielt die FIU knapp 115.000 Verdachtsmeldungen. Gerade einmal 754 davon stammten aus der Glücksspielbranche.

Wie viele davon einen Bezug zu dem milliardenschweren Offshore-Markt im Internet haben und wie viele davon die FIU an andere Behörden zu weiteren Ermittlungen weitergeleitet hat – das wollen die Geldwäschebekämpfer nicht mitteilen.

Mitarbeit: Giulio Rubino

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Hinweis: Dieser Text wurde am 09.06. sprachlich korrigiert.

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