Keine Belege, dass das Medikament Ivermectin gegen Covid-19 wirkt
Vor allem in den USA, aber auch in Deutschland verbreitet sich die Behauptung, das Entwurmungsmittel Ivermectin könne Covid-19 verhindern oder heilen. Dafür, dass das Medikament eine positive Wirkung gegen das Coronavirus hat, gibt es aber keine Belege. US-Behörden warnen eindringlich davor, es einzunehmen.
„US-Richter ordnen Covid-Behandlung mit Ivermectin an“, wird Anfang September in mehreren Beiträgen auf Facebook, dem Blog „Free the Words“ sowie Telegram behauptet. Die Texte sind identisch und stammen offenbar ursprünglich aus einem Artikel von Report24 aus Österreich. Darin wird suggeriert, Ivermectin habe positive Effekte bei der Behandlung von Covid-19, es sei nach Ansicht von Medizinern ein „wirksames Medikament“. In dem Blog TKP wird behauptet, dass Ivermectin seine Wirksamkeit gegen Covid-19 „bewiesen“ habe.
Ivermectin ist ein Entwurmungsmittel für Pferde oder Kühe, es bekämpft also Parasiten. In bestimmten Dosierungen (zum Beispiel in Tablettenform) ist es in Deutschland und in den USA auch gegen Parasiten bei Menschen zugelassen. In den USA wird das Mittel jedoch bereits seit einigen Monaten als angebliches Heilmittel gegen Covid-19 angepriesen. Laut der Gesundheitsbehörde CDC stiegen die Verschreibungen für Ivermectin seit Dezember 2020 sprunghaft an. Dabei gibt es nicht genügend wissenschaftlichen Belege, dass es eine positive Wirkung hat. Die US-Behörden warnen Menschen davor, Ivermectin einzunehmen.
Report24 schildert den Fall eines schwer an Covid-19 erkrankten Mannes aus Ohio, dessen Frau laut US-Medienberichten (hier und hier) wollte, dass das Krankenhaus ihm Ivermectin verabreicht. Das Krankenhaus weigerte sich und das Gericht ordnete an, dass die Behandlung nach dem Wunsch der Ehefrau ausgeführt werden müsse. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Wirksamkeit des Medikaments bewiesen wäre.
Am 7. September berichteten US-Medien, dass ein anderer Richter in Ohio die erste Entscheidung zurückgenommen habe. Als Begründung führte er an, es gebe nicht genügend Belege, dass die Behandlung des Mannes mit Ivermectin erfolgreich sein würde.
US-Gesundheitsbehörde warnt davor, Ivermectin einzunehmen
Mehrere englischsprachige Faktenchecks zur Verwendung von Ivermectin bei Covid-19-Erkrankungen (hier und hier) kommen zu dem Schluss, dass eine Wirkung gegen Covid-19 nicht belegt ist. Bereits im Dezember 2020 veröffentlichte AP News einen ersten Artikel zu dem Thema.
Im September 2021 informierte die US-amerikanische Behörde für Lebens- und Arzneimittel (Food and Drug Administration, FDA) in einem Artikel darüber, dass die aktuell verfügbaren Daten nicht ausreichen, um eine Wirkung von Ivermectin gegen Covid-19 zu belegen. Klinische Studien, die diese Frage untersuchten, dauerten noch an. Größere Mengen Ivermectin einzunehmen sei gefährlich. Die Frage, ob man Ivermectin gegen Covid-19 einnehmen solle, beantwortet die Behörde klar mit „nein“. Das Medikament habe keine Zulassung für diese Behandlung.
Das internationale Netzwerk Cochrane, das wissenschaftliche Grundlagen für Entscheidungen im Gesundheitswesen bereitstellt, erklärte in einem Artikel im Juli, wie es zu den Behauptungen über die Wirksamkeit von Ivermectin kam: Im April 2020 habe eine Laborstudie in Zellkulturen eine hemmende Wirkung von Ivermectin auf die Vermehrung des Coronavirus SARS-CoV-2 gezeigt. Die eingesetzte Dosis habe jedoch weit über der gelegen, die für Menschen zugelassen sei. Inzwischen gebe es auch einige abgeschlossene klinische Studien zu Ivermectin.
Cochrane-Review: Nicht genügend Evidenz für Wirksamkeit von Ivermectin
14 Studien wurden von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Würzburg und der Cochrane Infectious Disease Group im Juli analysiert. Sie kamen zu dem Schluss, dass es nicht genügend Evidenz, also wissenschaftliche Belege für die Sicherheit und Wirksamkeit von Ivermectin gebe. „Die aktuelle Evidenz rechtfertigt keine Verwendung von Ivermectin zur Behandlung oder Prävention von Covid-19“, werden zwei der Autorinnen der Analyse (Review), Stephanie Weibel und Maria Popp, von der Universität Würzburg zitiert. Weitere Studien seien nötig und mehrere befänden sich noch in der Durchführung.
Cochrane Deutschland schreibt dazu: „Verglichen mit Placebo oder einer Standardbehandlung zeigte Ivermectin weder bezüglich des Sterberisikos, noch des klinischen Zustands von Covid-19 Patient*innen einen Vorteil. Auch zu einer vorbeugenden Wirkung von Ivermectin nach einem möglichen Kontakt mit dem Virus lassen sich keine Aussagen machen. Die Vertrauenswürdigkeit der vorhandenen Evidenz ist niedrig bis sehr niedrig.“
Im Juli und August berichteten die britische Tageszeitung Guardian und das Wissenschaftsmagazin Nature, dass eine große Studie, die Ivermectin positiv hervorhob, wegen „ethischer Bedenken“ zurückgezogen wurde.
Redigatur: Matthias Bau, Uschi Jonas
Update, 23. September 2021: Im Text wurde die Information ergänzt, dass Ivermectin-haltige Tabletten gegen Parasiten auch in Deutschland zugelassen sind.
Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:
- Informationen des CDC zu Ivermectin: Link
- Artikel der FDA, „Why you should not use Ivermectin to treat or prevent Covid-19“: Link
- Fragen und Antworten der FDA zu Ivermectin und Covid-19: Link
- Artikel von Cochrane Deutschland zu Ivermectin: Link
- Cochrane-Review zu Ivermectin: Link
- Health Desk, „Is Ivermectin a proven treatment for Covid-19?“: Link