Faktencheck

Nein, es gibt nicht erst seit Mitte Dezember Daten zum Impfstatus von Covid-19-Intensivpatienten

Ein aktueller Bericht der Welt sorgt für ein Missverständnis: Auf Facebook kursiert die Behauptung, man könne erst seit Mitte Dezember Aussagen über den Impfstatus von Covid-19-Intensivpatienten treffen. Doch das stimmt nicht; Daten zum Impfstatus lagen dem RKI schon früher vor.

von Uschi Jonas

Daten zum Impfstatus von Covid-19-Patienten auf Intensivstationen gibt es nicht erst seit Mitte Dezember, wie in aktuellen Beiträgen auf Facebook suggeriert wird (Symbolbild: Picture Alliance/ Keystone/ Gaetan Bally)
Daten zum Impfstatus von Covid-19-Patienten auf Intensivstationen gibt es nicht erst seit Mitte Dezember, wie in aktuellen Beiträgen auf Facebook suggeriert wird (Symbolbild: Picture Alliance/ Keystone/ Gaetan Bally)
Behauptung
Seit dem 14. Dezember würden Daten über den Impfstatus von Covid-19-Intensivpatienten erfasst, für frühere Aussagen dazu gebe es also keine Datengrundlage.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Daten zum Impfstatus von Intensivpatienten werden nicht erst seit Mitte Dezember erhoben. Dem RKI liegen darüber seit Monaten Daten vor, im Divi-Intensivregister werden sie seit dem 14. Dezember erfasst.

Auf Facebook werden zwei Schlagzeilen einander gegenübergestellt: Oben steht die Nachricht „Mehr als 90 Prozent der Corona-Intensivpatienten ungeimpft“ vom 30. November; darunter „Impfstatus der Intensivpatienten wird nun erfasst“ vom 14. Dezember. Viele Menschen verbreiten die Collage oder ähnliche Behauptungen aktuell in Sozialen Netzwerken. Es wird damit suggeriert, Daten über den Impfstatus von Intensivpatienten gebe es erst seit dem 14. Dezember 2021. Aussagen darüber zu treffen sei also früher nicht möglich gewesen. 

Doch das stimmt so nicht. Es fehlt relevanter Kontext. Die Meldung der Welt bezieht sich auf das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi). Daten gab es aber bereits zuvor, sie werden seit Monaten vom Robert-Koch-Institut (RKI) erfasst. Also gab es zum Zeitpunkt, als die erste abgebildete Meldung des NDR für Niedersachsen am 30. November veröffentlicht wurde, auch schon Informationen über den Impfstatus von Intensivpatienten. Richtig ist allerdings, dass die Daten des RKI nicht vollständig sind.

Diese Collage aus zwei Zeitungsartikeln verbreitet sich auf Facebook und suggeriert fälschlich, es gebe erst seit Mitte Dezember Daten zum Impfstatus von Covid-19-Intensivpatienten (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Diese Collage aus zwei Zeitungsartikeln verbreitet sich auf Facebook und suggeriert fälschlich, es gebe erst seit Mitte Dezember Daten zum Impfstatus von Covid-19-Intensivpatienten (Quelle: Facebook; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Divi-Intensivregister erfasst seit Mitte Dezember Daten zum Impfstatus von Covid-19-Patienten, vorher hatte nur das RKI solche Daten

Seit April 2020 erfasst das Divi-Intensivregister täglich die freien und belegten Behandlungskapazitäten in der Intensivmedizin von etwa 1.300 Akut-Krankenhäusern in Deutschland. Das Register wird vom RKI mit Beratung durch die Divi betrieben. 

Eine Divi-Sprecherin erklärt in einer E-Mail an CORRECTIV.Faktencheck am 10. Dezember: „Das Divi-Intensivregister ist und bleibt in erster Linie ein Bettenregister, um einen Überblick über die verfügbaren Kapazitäten auf allen deutschen Intensivstationen zum jetzigen Zeitpunkt zu bekommen – und natürlich Prognosen erstellen zu können.“ 

Über die Patienten habe die Divi bis zum Herbst außer „Covid-19-Patient“ oder „Non-Covid-19-Patient“ nichts gewusst. Seit Herbst werde das Alter der Menschen auf Intensivstationen erhoben, „aber auch nicht personenbezogen“, wie auch in der Änderung der Divi-Intensivregister-Verordnung vom 12. November 2021 zu lesen ist. 

Da der Impfstatus eine entscheidende Rolle spiele, habe die Divi im November grünes Licht für die Erhebung dieser Informationen von der Bundesregierung bekommen, so die Sprecherin weiter. Medienberichten vom 15. Dezember zufolge erfasst das Divi ab sofort auch den Impfstatus der Intensivpatientinnen und -patienten. Auch die Divi-Sprecherin bestätigte uns: „Seit dem 14.12. wird der Impfstatus der Patienten auch im Divi-Intensivregister erfasst. Sobald die Daten valide sind, werden wir diese auch veröffentlichen.“  

RKI erfasst Daten zum Impfstatus von hospitalisierten Covid-19-Patienten – allerdings nicht vollständig

Beim RKI werden die Daten zum Impfstatus von Covid-19-Fällen aber schon länger erfasst. Krankenhäuser sind beispielsweise verpflichtet, neu aufgenommene Covid-19-Patienten tagesaktuell zu melden und dabei auch den Impfstatus mitzuteilen – falls diese Information verfügbar ist. 

Zum Zeitpunkt der NDR-Meldung vom 30. November lagen dem RKI bundesweit für 85 Prozent aller symptomatischen Covid-19-Fälle und 71 Prozent der hospitalisierten Fälle Daten zum Impfstatus vor (Wochenbericht vom 25. November, PDF, Seite 22). Aktuell wurden dem RKI für 84 Prozent aller Covid-19-Fälle und für 66 Prozent der hospitalisierten Covid-19-Patienten Angaben zum Impfstatus übermittelt (Wochenbericht vom 16. Dezember, PDF, Seite 22). 

Die Zahlen zu den hospitalisierten Covid-19-Fällen umfassen sowohl Patientinnen und Patienten auf Normal- als auch auf Intensivstationen. Dazu schrieb uns die Divi-Sprecherin: „Dem RKI liegen nicht für alle Patienten auf den Intensivstationen Informationen zum Impfstatus vor. Auch sie könnten nicht beantworten, wie genau der Anteil der neu aufgenommenen Patienten auf den Intensivstationen zusammengesetzt ist. Aber ja, natürlich wissen wir über den Impfstatus der Patienten gut Bescheid, weil das RKI diese Zahlen an jedem Donnerstag in seinem Wochenbericht veröffentlicht.“ 

Für einen Teil der Intensivpatienten gibt das RKI in seinen Wochenberichten auch stets den Impfstatus an. Bei wie viel Prozent der Intensivpatienten der Impfstatus unbekannt ist, ist den Berichten nicht zu entnehmen. 

Über die Gründe, warum der Impfstatus von neu aufgenommenen Covid-19-Patientinnen und -patienten von den Krankenhäusern nicht immer tagesaktuell gemeldet werden kann, haben wir einen ausführlichen Hintergrundbericht veröffentlicht. Teilweise fehlen dafür die Dokumente oder Patienten sind nicht auskunftsfähig.

Verfügbare RKI-Daten zeigen: Ende November lagen bundesweit mehr Ungeimpfte als Geimpfte auf Intensivstationen

Der Bericht des NDR vom 30. November bezog sich auf die Corona-Lage in den Krankenhäusern in Niedersachsen. Im Hinblick auf ganz Deutschland bezifferte das RKI zu diesem Zeitpunkt (Stand: Wochenbericht vom 25. November) den Anteil der Ungeimpften auf Intensivstationen (für diejenigen mit bekanntem Impfstatus) auf 84,7 Prozent bei den 18- bis 59-Jährigen und auf 53,6 Prozent bei den Über-60-Jährigen.

Vergleich der Covid-19-Fälle mit bekanntem Impfstatus nach Geimpften und Ungeimpften, Stand 23. November 2021 (Quelle: RKI; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)
Vergleich der Covid-19-Fälle mit bekanntem Impfstatus nach Geimpften und Ungeimpften, Stand 23. November 2021 (Quelle: RKI; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Laut dem neuesten RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember liegt der Anteil der Ungeimpften auf Intensivstationen etwas niedriger – bei 80,7 Prozent bei den 18- bis 59-Jährigen und bei 59,3 Prozent bei den Über-60-Jährigen.

Vergleich der Covid-19-Fälle mit bekanntem Impfstatus nach Geimpften und Ungeimpften, Stand 23. November 2021 (Quelle: RKI; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)
Vergleich der Covid-19-Fälle mit bekanntem Impfstatus nach Geimpften und Ungeimpften, Stand 23. November 2021 (Quelle: RKI; Screenshot und Markierung: CORRECTIV.Faktencheck)

Warum es erwartbar ist, dass mit steigender Impfquote und steigenden Corona-Fallzahlen auch die Zahl der Impfdurchbrüche steigt, und warum der Vergleich der Inzidenzen weiterhin zeigt, dass weniger Geimpfte als Ungeimpfte schwer an Covid-19 erkranken, haben wir in diesem Faktencheck erklärt.

Vergleich der Inzidenzen für symptomatische Covid-19-Fälle und Hospitalisierungen getrennt nach Geimpften und Ungeimpften in unterschiedlichen Altersgruppen anhand der verfügbaren Daten zum Impfstatus (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Vergleich der Inzidenzen für symptomatische Covid-19-Fälle und Hospitalisierungen getrennt nach Geimpften und Ungeimpften in unterschiedlichen Altersgruppen anhand der verfügbaren Daten zum Impfstatus (Quelle: RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Deutsche Krankenhausgesellschaft: Es sei davon auszugehen, dass der Anteil Ungeimpfter „deutlich höher“ ist, als vom RKI ausgewiesen

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft schrieb zu diesem Thema kürzlich auf Facebook, aus Erfahrung wisse man, dass sich die meisten Menschen im Krankenhaus, deren Impfstatus zunächst unklar sei, später als ungeimpft herausstellten. Daher würden Krankenhäuser oft von einem Anteil von 90 Prozent Ungeimpften auf Intensivstationen sprechen, während aus den Zahlen des RKI niedrigere Werte hervorgehen. „Insofern ist davon auszugehen, dass der Anteil der Ungeimpften deutlich höher ist, als im RKI-Bericht ausgewiesen.“

Fazit: Im Divi-Intensivregister werden seit Mitte Dezember Daten zum Impfstatus von Covid-19-Intensivpatienten erfasst. Aussagen darüber waren aber bereits vorher möglich, da dem RKI schon länger für einen Teil der Patienten in Krankenhäusern Daten zum Impfstatus vorliegen. 

Redigatur: Alice Echtermann, Matthias Bau

Update 21. Dezember 2021: Wir haben ergänzt, dass die Divi-Sprecherin uns gegenüber die Erfassung des Impfstatus ab dem 14. Dezember bestätigt hat.

  • RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021: Link
  • RKI-Wochenbericht vom 16. Dezember 2021: Link
  • Welt-Artikel „Impfstatus der Intensivpatienten wird nun erfasst“: Link