Faktencheck

Es ist erwartbar, dass es mit steigender Impfquote auch mehr Impfdurchbrüche gibt

Beiträge in Sozialen Netzwerken nutzen den steigenden Anteil an Impfdurchbrüchen, um Stimmung gegen Covid-19-Impfstoffe zu machen. Doch den Behauptungen fehlt relevanter Kontext.

von Uschi Jonas

Umso mehr Menschen gegen Covid-19 geimpft sind, desto größer der Anteil an Impfdurchbrüchen an allen Coronafällen (Symbolbild: CDC/ Unsplash)
Umso mehr Menschen gegen Covid-19 geimpft sind, desto größer der Anteil an Impfdurchbrüchen an allen Coronafällen (Symbolbild: CDC/ Unsplash)
Behauptung
Ein Blick auf den Anteil der Impfdurchbrüche zeige, dass immer mehr Geimpfte an Covid-19 erkrankten und in Krankenhäusern behandelt werden müssten.
Bewertung
Fehlender Kontext
Über diese Bewertung
Fehlender Kontext. Es stimmt, dass der Anteil an Covid-19-Fällen unter geimpften Personen seit einigen Wochen steigt. Das liegt an einem statistischen Effekt: immer mehr Menschen sind geimpft. Diese erkranken dennoch insgesamt seltener und weniger häufig stark als Ungeimpfte.

Auf Facebook und Youtube werden Zahlen zu Impfdurchbrüchen aus den Wochenberichten des Robert-Koch-Instituts (RKI) vom 25. November beziehungsweise vom 18. November geteilt. Zu sehen sind dort die Impfdurchbrüche nach Altersgruppen für symptomatische, hospitalisierte und auf Intensivstationen betreute Covid-19-Fälle. Die Zahlen werden unter anderem genutzt, um zu behaupten, aktuell gebe es eine „Pandemie der Geimpften“. 

Diesen Behauptungen fehlt relevanter Kontext: Es gibt zwar immer mehr Impfdurchbrüche, das liegt aber vor allem daran, dass immer mehr Menschen geimpft sind. Diesen statistischen Effekt haben wir bereits in älteren Faktenchecks erklärt. Beim Blick auf die Inzidenzen zeigt sich zudem, dass Geimpfte weniger häufig an Covid-19 erkranken beziehungsweise seltener auf Intensivstationen behandelt werden müssen als Ungeimpfte. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt Auffrischimpfungen, weil der Impfschutz nach einigen Monaten nachlässt. 

Die Impfdurchbrüche sind in den vergangenen Wochen gestiegen, aber das ist erwartbar

Als Impfdurchbruch definiert das RKI Covid-19-Fälle, bei denen Personen trotz vollständiger Impfung erkranken. Die Behörde wertet Impfdurchbrüche aus, um die Wirksamkeit der Covid-19-Impfstoffe zu überwachen.

Die in den Beiträgen in Sozialen Netzwerken genannten Zahlen sind korrekt. Der Anteil an Personen mit Impfdurchbrüchen lag laut RKI-Wochenbericht vom 25. November (PDF, Seite 24) für die vergangenen vier Wochen (Kalenderwoche 43 bis 46) bei hospitalisierten Covid-19-Fälle bei 28,2 Prozent für die 18-59-Jährigen und für die über 60-Jährigen bei 56 Prozent. Bei den auf Intensivstationen behandelten Fällen liegt der Anteil bei 15,3 Prozent für die 18-59-Jährigen, für die über 60-Jährigen bei 46,4 Prozent. 

Anteil der Impfdurchbrüche nach Alter in den Kalenderwochen 43 bis 46 (Quelle: RKI Wochenbericht, 25. November / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Anteil der Impfdurchbrüche nach Alter in den Kalenderwochen 43 bis 46 (Quelle: RKI Wochenbericht, 25. November / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Aber: Diese Entwicklung ist erwartbar. Denn mit steigender Impfquote gibt es auch immer mehr Impfdurchbrüche, wie das RKI erläutert. Einfach ausgedrückt: Wenn alle Menschen in Deutschland gegen Covid-19 geimpft wären, wäre auch jede Person, die krank wird oder auf der Intensivstation landet, geimpft. Der Anteil an Impfdurchbrüchen läge dann also bei 100 Prozent. 

Deshalb ist es wichtig, nicht nur die absoluten Zahlen an geimpften und nicht-geimpften Personen mit Covid-19 zu vergleichen, sondern diese vor dem Hintergrund der aktuellen Impfquote zu betrachten. 

Auch steigt die Anzahl an Impfdurchbrüchen mit der Zahl aktiver Covid-19-Fälle. Denn je mehr Fälle es gibt, desto wahrscheinlicher ist es, sich auch als geimpfte Person zu infizieren, da die Impfstoffe keinen vollständigen Schutz vor einer Infektion bieten.

Die Inzidenzen und Hospitalisierungsinzidenzen sind bei Ungeimpften deutlich höher als bei Geimpften

Um zu verstehen, wie wirksam die Impfstoffe schützen, ist es wichtig die Inzidenzen getrennt für vollständig Geimpfte und Ungeimpfte zu betrachten: Dafür werden einerseits die geimpften Covid-19-Fälle zu allen geimpften Menschen in der Bevölkerung ins Verhältnis gesetzt und andererseits die ungeimpften Covid-19-Fälle zu allen Ungeimpften in der Bevölkerung. 

Der Blick auf die aktuellen Inzidenzen (symptomatische Fälle) und Hospitalisierungsinzidenzen zeigt, dass die Raten bei Ungeimpften deutlich höher sind (Wochenbericht vom 25. November, Seite 22) als bei Geimpften. Ungeimpfte haben somit auch aktuell eine höhere Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken und im Krankenhaus behandelt werden zu müssen, als Geimpfte.

Vergleich der Inzidenzen und Hospitalisierungsinzidenzen von Geimpften und Ungeimpften nach unterschiedlichen Altersgruppen im RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021 (Quelle: RKI/ Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)
Vergleich der Inzidenzen und Hospitalisierungsinzidenzen von Geimpften und Ungeimpften nach unterschiedlichen Altersgruppen im RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021 (Quelle: RKI/ Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Zu beachten ist allerdings, dass für die Berechnung diese Inzidenzen nur rund 85 Prozent der Covid-19-Fälle berücksichtigt werden. Denn für den übrigen Anteil an Covid-19-Fällen ist dem RKI der Impfstatus aktuell nicht bekannt. Über die Gründe, warum der Impfstatus von Covid-19-Patientinnen und -Patienten teilweise nicht erfasst und an das RKI weitergeleitet werden kann, haben wir kürzlich einen ausführlichen Hintergrundbericht veröffentlicht.

Covid-19-Impfstoffe schützen auch weiterhin die allermeisten Personen vor einer schweren Erkrankung

Im aktuellen Wochenbericht vom 25. November schreibt das RKI weiterhin, dass „bei vollständiger Impfung die allermeisten geimpften Personen wirksam vor einer schweren Erkrankung“ geschützt seien (PDF, Seite 4).

Das RKI schreibt, die aktuell sinkende Impfeffektivität könne „für eine Abnahme der Schutzwirkung über die Zeit sprechen, da in der Bevölkerung der Anteil derjenigen wächst, die vor mehr als sechs Monaten geimpft wurden“. Deshalb empfahl die Stiko bereits Anfang Oktober Booster-Impfungen für ältere Menschen, seit dem 18. November für alle über 18-Jährigen. 

Fazit: Es stimmt, dass die Impfdurchbrüche aktuell zunehmen. Das ist allerdings statistisch erwartbar, weil auch die Impfquote steigt. Im Verhältnis zu Ungeimpften sind es aber weiterhin deutlich weniger Geimpfte als Ungeimpfte, die an Covid-19 erkranken oder deswegen im Krankenhaus behandelt werden müssen. 

Redigatur: Matthias Bau, Till Eckert

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • RKI-Wochenbericht vom 25. November 2021: Link