Recherche

CORRECTIV, Frontal21, Stern: Steinmeier stand auf Geschenkeliste von Waffenhändler

Wein und Champagner für den einstigen Außenminister: Nach Recherchen von CORRECTV, Frontal21 und Stern stand Bundespräsident Steinmeier auf der Geschenkeliste eines libanesischen Waffenhändlers.

von Frederik Richter

Fayez Nureldine / AFP
Fayez Nureldine / AFP.

Ein libanesischer Rüstungslobbyist hat in den vergangenen Jahren ein politisches Netzwerk in Berlin mit teuren Weingeschenken gepflegt. Er suchte damit bisher unbekannten Zugang zu hohen Beamten der Bundesregierung.

Unterlagen aus dem Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe zeigen, dass auch der heutige Bundespräsident und damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier auf den Empfängerlisten stand. Das ergibt eine gemeinsame Recherche des gemeinnützigen Recherchezentrums CORRECTIV mit Frontal21 und dem Stern.

Laut den Unterlagen beauftragte der libanesische Geschäftsmann Ahmad El Husseini das Kaufhaus, zu Weihnachten Präsentkörbe an seine politischen Kontakte in Berlin zu versenden. Auf den Empfängerlisten finden sich sechs Personen, neben Steinmeier auch Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie Ex-Innenminister Otto Schily und drei ehemalige, hochrangige Beamte der Bundesregierung. Steinmeier sollte Weine und Champagner im Wert von über 1.000 Euro erhalten.

Das Bundespräsidialamt teilt dazu mit, es lasse sich nicht mehr nachvollziehen, ob El Husseini oder seine Firma „Präsentkörbe an das Abgeordnetenbüro von Frank-Walter Steinmeier schickte“. Geschenke der Vorweihnachtszeit seien an Mitarbeiter oder an öffentliche Einrichtungen verteilt worden.

Fragen zu den Bestimmungen zum Umgang mit Geschenken ließ das Präsidialamt unbeantwortet. El Husseini habe zu keinem Zeitpunk Einfluss auf die Entscheidungen von Steinmeier als Abgeordneter oder Minister gehabt.

Laut Gesetz müssen aktuelle wie ehemalige Mitglieder des Bundesregierung Geschenke ab einem Wert von 153 Euro anmelden. Laut einer entsprechenden Liste des Bundeskanzleramts haben dies weder Steinmeier, noch Schröder oder Schily getan. Ex-Kanzler Schröder und Ex Innenminister Schily reagierten nicht auf Anfragen.

Die gemeinsamen Recherchen von CORRECTIV, Frontal21 und Stern ergaben keine Hinweise auf einen näheren Kontakt zwischen El Husseini und Steinmeier. Es liegen auch keine Hinweise darauf vor, dass Entscheidungen der Bundesregierung durch die Geschenke beeinflusst wurden.

Laut den Recherchen trafen sich El Husseini bzw. seine Abgesandten mit hohen Beamten im Verteidigungsministerium sowie im Auswärtigen Amt. Das Verteidigungsministerium teilte mit, man habe darüber keine Kenntnis. Das Auswärtige Amt lehnte einen Kommentar ab.

Die Recherche fördert zudem Ungereimtheiten bei einem der größten deutschen Rüstungsgeschäfte der vergangenen zehn Jahre zutage. 2011 erhielt ThyssenKrupp den Auftrag, zwei Fregatten im Wert von etwa zwei Milliarden Euro für Algerien zu bauen. Eine Tochterfirma des Konzerns in Singapur beauftragte eine Firma von El Husseini in Abu Dhabi damit, die Munition für die Fregatten zu vermitteln. Die Firma in Abu Dhabi kaufte das gesamte Munitionspaket in Höhe von mehreren hundert Millionen Euro bei einem anderen deutschen Rüstungskonzern, Rheinmetall.

Die Einschaltung von Mittelsmännern ist für Korruptionsexperten ein Warnsignal. „Das ist ein Klassiker, es sieht nach einem Umgehungsgeschäft aus,“ sagt Oliver Scholz, Professor an der Berliner Hochschule HTW. „Es gibt hier ganz viele Stellen, an denen Rechnungen geschrieben werden. Und wo Rechnungen geschrieben werden, hat man bei der Differenz zwischen Einkauf und Verkauf Manövriermasse, um Mittel für andere Zwecke zu generieren.“

ThyssenKrupp teilt dazu mit, bei der Einschaltung von Dritten könne „nicht-regelkonformes Verhalten“ nie ausgeschlossen werden. Eine Überprüfung der Algerien-Geschäfte durch externe Anwälte habe jedoch keine konkreten Hinweise auf Korruption ergeben.

Laut den Recherchen kamen knapp 50 Millionen Euro aus dem Geldkreislauf über Singapur und Abu Dhabi nicht bei Rheinmetall an. Insgesamt ist bei Geschäften zwischen El Husseini und Rheinmetall der Verbleib von über 60 Millionen Euro streitig. Ein Anwalt von El Husseini sowie ein Sprecher von Rheinmetall wollten sich dazu nicht äußern.

Die Bundesregierung förderte das Algerien-Geschäft von ThyssenKrupp mit einer Exportbürgschaft, einer sogenannten Hermes-Bürgschaft. Der grüne Bundestagsabgeordnete Tobias Lindner kritisiert die intransparenten Geldflüsse. Bei von der Bundesregierung geförderten Exporten „darf es keine dubiosen Geschäftsmodelle geben mit Zwischenhändlern oder mit Firmen, die im Ausland sitzen. Das sind ja alles Konstrukte, die dazu dienen, deutsches Recht umgehen zu können,“ so Lindner.

Die Recherche „Die Weine des Waffenhändlers“ ist heute Abend (24.9.) hier auf correctiv.org sowie stern.de zu lesen und ab 21 Uhr im ZDF-Magazin Frontal21 zu sehen. Sie erscheint zudem im gedruckten Stern dieser Woche.