Faktencheck

Nein, unter einem Mund-Nasen-Schutz steigt die CO2-Konzentration nicht auf einen gesundheitsgefährdenden Wert

In einem Video auf Facebook hält eine Frau ein CO2-Messgerät unter ihre Stoffmaske. Dieser Test soll beweisen, dass das Tragen einer Maske angeblich die Gesundheit gefährde. Doch das verwendete Gerät ist nicht dafür ausgelegt, die CO2-Konzentration unter einer Maske zu messen.

von Uschi Jonas

Eine Frau misst den CO2-Gehalt unter ihrem Mund-Nasen-Schutz. Doch die Messung ergibt keinen Sinn und das Gerät ist nicht dafür ausgelegt.
Eine Frau misst den CO2-Gehalt unter ihrem Mund-Nasen-Schutz. Doch die Messung ergibt keinen Sinn und das Gerät ist nicht dafür ausgelegt. (Quelle: Facebook, Screenshot: CORRECTIV)
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Falsch. Die Messung mit einem solchen Gerät ist nicht aussagekräftig. Mehrere Experten betonen, dass man mit einem MNS keine gesundheitsgefährdende Menge CO2 einatmet.

Masken sind Gift – mit dieser Behauptung verbreitet sich auf Facebook in mehreren Beiträgen das Video einer Frau, die ein CO2-Messgerät unter ihren Mund-Nasen-Schutz (MNS) hält. Insgesamt wurden die Beiträge mehr als 4.200 Mal geteilt. Der Versuch soll zeigen, dass sich die CO2-Konzentration unter einem MNS angeblich immens erhöhe und folglich einen gesundheitsgefährdenden Bereich erreiche.

Recherchen von CORRECTIV zeigen: Diese Annahmen sind falsch. Das verwendete Gerät ist nicht dafür ausgelegt, die CO2-Konzentration unter einer Maske zu messen. Laut Experten atmen Menschen beim Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes keine gesundheitsgefährdende Menge an Kohlenstoffdioxid ein.

Immer wieder taucht die Behauptung auf, das Tragen eines MNS gefährde die Gesundheit

Zu Beginn des Videos hält die Frau das CO2-Messgerät direkt vor die Kamera. Es zeigt rund 420 PPM (parts per million, Maßeinheit für die CO2-Konzentration in der Luft) an. Dann schiebt die Frau den Sensor unter die Maske, der Wert steigt schnell an. Bei knapp 2.000 PPM fängt das Gerät an zu piepsen. Eine Stimme aus dem Off  kommentiert das Geschehen: Ab 1.000 PPM müsste der Raum eigentlich zusätzlich belüftet werden. 1.000 PPM seien auch der Grenzwert für die maximale Arbeitsplatz-Konzentration von CO2. Innerhalb rund einer Minute ist bei dem Gerät der Mess-Endwert von 10.000 PPM erreicht. Mit dem Kommentar Ob das gesund ist, sei dahingestellt“ aus dem Off endet die Videoaufnahme.

Seit der Einführung der Maskenpflicht kursieren zahlreiche Falschbehauptungen zu angeblichen Gesundheitsgefahren durch das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in Sozialen Netzwerken. Als angeblichen Beleg führen Menschen Selbstversuche mit sogenannten CO2-Messgeräten durch. Dazu haben wir bereits im August einen Faktencheck veröffentlicht und im September einen Hintergrundartikel, für den wir mit Hilfe zweier Experten ebenfalls einen Selbstversuch durchgeführt haben. 

CO2-Messgeräte sind dafür gedacht, die Konzentration in Innenräumen zu messen

„Die CO2-Messgeräte sind in der Regel dafür gedacht, sie an der Wand anzubringen oder im Raum aufzustellen, um damit die CO2-Konzentration in Innenräumen zu messen“, erklärte uns Robert Bethke, Chemiker und Wissenschaftler im Umweltbundesamt im Fachgebiet für Innenraumlufthygiene.

Ab 1.000 PPM piepsen viele der Geräte. Das sei allerdings hygienisch und nicht toxikologisch begründet, erklärte der Chemiker: „In dem Fall gilt die Empfehlung, zu lüften. Denn wenn sich CO2 durch die Anwesenheit und Aktivität von Menschen in einem Raum angereichert hat, könnten auch andere Schadstoffe zugegen sein. Das ist allerdings ein Leit- und kein Grenzwert.“ 

Auch Peter Wagler, Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH), sagte am Telefon, dass dies lediglich ein Richtwert sei, um durchzulüften. Das habe aber „keine klinische Relevanz“. Hierbei gehe es nur darum, wie angenehm die Luft zum Atmen sei. 

Das schreibt beispielsweise auch ein Hersteller solcher Geräte namens PCE Instruments auf seiner Webseite: Ist die CO2-Konzentration zu hoch, was sich „auf die Gesundheit, die Konzentration und das Wohlbefinden“ auswirken könne, geben die Messgeräte ein Warnsignal ab. 

Zum Vergleich: Laut Umweltbundesamt liegt der normale CO2-Gehalt der Außenluft in ländlichen Gebieten bei 350 PPM, in kleinen Städten bei 375 PPM und in Stadtzentren bei 400 PPM. In Räumen ist die CO2-Konzentration davon abhängig, wann zuletzt gelüftet wurde und wie viele Menschen sich in einem Raum befinden und was sie dort tun. Das Umweltbundesamt erklärt: Konzentrationen unter 1.000 ppm Kohlendioxid in der Raumluft gelten als unbedenklich, Konzentrationen zwischen 1.000 und 2.000 ppm als auffällig und Konzentrationen über 2.000 ppm als inakzeptabel.

Das Volumen unter einem Mund-Nasen-Schutz ist viel zu gering, um die CO2-Konzentration mit solchen Geräten adäquat zu messen

Ist es denn sinnvoll, die CO2-Konzentration unter einem Mund-Nasen-Schutz mit Geräten für die Raumluft zu messen? „Aus meiner Sicht ergibt das relativ wenig Sinn“, sagte uns Bethke vom Umweltbundesamt. Das Volumen unter einem Mund-Nasen-Schutz sei dafür viel zu gering. „Die in den Messgeräten verbauten CO2-Sensoren haben eine gewisse Trägheit. Sie sind nicht dafür gedacht, auf schnelle Konzentrationsänderungen, die sich in so einem kleinen Raum wie unter einem Mundschutz ergeben, korrekt anzuspringen.“

Die Trägheit der Messgeräte sorge auch dafür, dass diese nicht so schnell reagieren könnten, wie unsere Atmung den Luftraum unter der Maske austausche, ergänzte sein Kollege Wolfgang Straff. Er ist Arzt und leitet das Fachgebiet Umweltmedizin und gesundheitliche Bewertung im Umweltbundesamt. „Deswegen sieht es für Messende so aus, als ob die Konzentration immer weiter ansteige, bis die 10.000 PPM erreicht sind, beziehungsweise das Gerät piept“, erläuterte Straff. 

Anders ausgedrückt, fügte Bethke hinzu, könne man auch sagen, dass unsere Atemfrequenz so schnell ist, dass der Sensor nicht nachkommt. Das liege auch an der Menge CO2, die wir mit einem Atemzug ausatmen – nämlich rund 40.000 PPM. „Die Messgeräte geraten dabei an ihre Grenzen. Die Geräte, die in den Videos zu sehen sind, steigen beispielsweise bei 10.000 PPM aus und sind überladen“, sagte Bethke. 

DGKH-Experte: CO2-Gehalt unter einer Maske zu messen ist Unsinn

„Den CO2-Gehalt in der Luft zu messen, unter einer Maske, ist als Einzelversuch Unsinn“, erklärte uns auch Peter Wagler von der DGKH. Medizinisch gesehen müsse man den Wert im Blut messen, um den Kohlenstoffdioxidgehalt im Körper nachzuweisen. Unter einem Mund-Nasen-Schutz atme man aber sowieso keine ungesunde Menge an Kohlenstoffdioxid ein. „An den Seiten ist die Maske ja undicht“, sagte Wagler. Damit atme man nicht nur die Luft ein, die ausgeatmet werde.  

Auch Robert Bethke vom Umweltbundesamt erklärte: „Der Stoff ist so durchlässig, dass das CO2 einfach entweicht.“ Wolfgang Straff ergänzte: „Wo soll es auch hin? Würde das CO2 nicht entweichen, würde sich die Maske aufblasen. Das CO2 muss raus.“ Durch unser Ein- und Ausatmen – auch mit Maske – wird frische Luft von außen angesogen. „Und dort ist kein CO2 angereichert“, sagte Bethke.

Unter einem Mund-Nasen-Schutz können sich keine großen CO2-Mengen ansammeln

Anders erklärt: Wir atmen mit einem Zug etwa 500 Milliliter Luft aus. Der Raum unter der Maske ist aber nur wenige Milliliter groß. „Hier können sich gar keine großen Mengen CO2 ansammeln. Die CO2-haltige Luft muss folglich die Maske durchtreten und verteilt sich dann im Raum beziehungsweise der Umgebung“, sagte Straff. 

Dasselbe gilt anders herum: „Wenn wir einatmen, müssen wir dieselbe Menge aufnehmen. Viel mehr Luft als die fünf Milliliter unter der Maske. Die werden durch den Stoff der Maske und an den Seiten eingesaugt.“ Anders sei es auch gar nicht denkbar, erläuterte Straff: „Könnte man unter der Maske nicht richtig atmen, würden wir sofort beim ersten Atemzug Erstickungsängste bekommen.“

 

CORRECTIV hat bereits mehrere solcher Selbstversuch-Videos geprüft. Auf eine Anfrage im Mai schrieb uns auch bereits Dominic Dellweg, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP): „Die Maske ändert die Zusammensetzung der eingeatmeten Luft nicht. Alle Moleküle der Raumluft, und das sind im wesentlichen Sauerstoff, Stickstoff und Kohlendioxid, können die Maske passieren und werden nicht abgefiltert.“ 

Eine eng anliegende Maske habe keinen „wesentlichen Totraum“. Totraum meint die Menge an Luft, die nach der Ausatmung in der Maske bleibt und wieder eingeatmet wird. Da dieser kaum vorhanden sei, komme es nicht zu einem Anstieg von CO2 im Blut, schrieb Dellweg.

CO2-Konzentration in der ausgeatmeten Luft ist nicht toxisch

Bei welcher Konzentration würde also CO2 für den Mensch gefährlich? „Das, was wir ausatmen, ist nicht toxisch. Es enthält wie gesagt um die 40.000 PPM CO2 – je nach Aktivität. Aber auch davon würden wir nicht ersticken“, erläuterte der umweltmedizinische Experte Straff. Eine richtig toxische Menge CO2, bei der die Wirkung narkotisch (betäubend) werde und es möglich sei zu sterben, setze bei 80.000 PPM ein.

„Aber auch sehr hohe CO2-Konzentrationen im Ausatembereich würden uns nicht direkt umbringen, sonst könnte auch eine Mund zu Mund oder Nase-Beatmung bei Menschen, die Herz-Kreislauf-Schwierigkeiten haben, gar nicht funktionieren.“ 

Das Robert-Koch-Institut schrieb im Mai auf Anfrage von CORRECTIV per E-Mail: „Dass man mehr CO2 einatmet stimmt nicht, dass die Atmung behindert wird, schon.“ Eine aktuelle Studie in der Fachzeitschrift Clinical Research in Cardiology zeigt, dass OP-Masken und FFP2/N95-Masken die „Atmung, kardiopulmonale Belastungsfähigkeit und Komfort“ auch bei gesunden Personen beeinträchtigen können.

Allerdings heißt es darin auch, dass in allen drei Tests (ohne Maske, mit FFP2-Maske und mit OP-Maske) der CO2-Gehalt im Blut nicht signifikant unterschieden habe. Auf normale Stoffmasken bezieht sich die Studie nicht. 

Fazit: Das verwendete CO2-Messgerät in dem Video auf Facebook ist nicht in der Lage, den Gehalt unter einer Maske zu messen. Mehrere Experten bestätigen, dass solche Versuche aus wissenschaftlicher Sicht keinen Sinn ergeben. Das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes führt nicht dazu, dass Menschen eine ungesunde Menge an Kohlenstoffdioxid einatmen.

Redigatur: Kathrin Wesolowski, Alice Echtermann