Faktencheck

Maskenpflicht: Nein, beim Tragen eines Mundschutzes atmet man nicht zu viel CO2 ein

Auf einem tausendfach geteilten Bild wird vor dem Tragen von Mundschutz gewarnt – da man damit angeblich zu viel CO2 einatme. Außerdem sei die Feuchtigkeit, die beim Tragen entsteht, ein Nährboden für Keime in der Maske und Lunge. Diese Behauptungen sind größtenteils falsch.

von Bianca Hoffmann

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Wer einen Mundschutz trägt, atmet nicht zu viel CO2 ein. (Symbolbild: Fotoblend/Pixabay)
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Größtenteils falsch
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Größtenteils falsch. Es droht beim Tragen einer Maske kein Sauerstoffverlust und bei richtiger Anwendung auch keine bakterielle Infektion.

In sämtlichen Bundesländern wurde laut Medienberichten inzwischen eine Maskenpflicht im Einsatz gegen die Corona-Pandemie eingeführt. Gleichzeitig mehren sich auf Facebook Behauptungen, dass das Tragen von Masken schädlich sein könnte. 

Besonders häufig wird ein Bild geteilt, auf dem zu lesen ist: „Durch Maskentragen atmen wir mit der Zeit viel CO2 ein. Die Sauerstoffversorgung lässt nach.“ Außerdem sammle sich viel Feuchtigkeit in Maske und Lunge, wodurch sich angeblich gefährliche Keime in der Lunge vermehren würden. 

In manchen Varianten des Beitrags wird außerdem suggeriert, das Tragen der Maske diene dazu, die Menschen durch den Sauerstoffverlust zu kontrollieren; oder es wird davor gewarnt, Kindern eine Maske aufzusetzen, weil das angeblich zu Atemlähmungen führen könne. 

Dieser Beitrag wird in verschiedenen Varianten derzeit tausendfach auf Facebook geteilt. (Screenshot: CORRECTIV, Quelle: Facebook)
Dieser Beitrag wird in verschiedenen Varianten derzeit tausendfach auf Facebook geteilt. (Screenshot: CORRECTIV, Quelle: Facebook)

Die Behauptung mit dem CO2 basiert offenbar auf einer 15 Jahre alten Studie, die inzwischen überholt ist. Es ist allerdings möglich, dass sich durch das Tragen von Mundschutz Keime bilden. Diese gelangen aber nicht in die Lunge. CORRECTIV hat zur Überprüfung der Behauptungen mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, dem Lungeninformationsdienst, dem Robert Koch-Institut (RKI) sowie 3M, einem Hersteller von medizinischen Masken, gesprochen. 

Studie beschäftigte sich 2005 mit Rückatmung von CO2 bei der Verwendung von Operationsmasken

Tatsächlich erschien im Jahr 2005 – also lange vor der Corona-Pandemie – eine Studie an der Technischen Universität München, die sich mit der „Rückatmung von Kohlendioxid bei Verwendung von Operationsmasken als hygienischer Mundschutz an medizinischem Fachpersonal“ beschäftigte. In manchen Kommentaren zu den Beiträgen auf Facebook wird diese auch verlinkt. 

Die Studie kam vor 15 Jahren zu dem Ergebnis, dass das CO2 könne beim Ausatmen durch die OP-Maske nur teilweise entweichen. „Dieser Effekt führte zu dem Ergebnis, dass die Probanden Luft einatmeten, deren CO2-Gehalt höher war als derjenige der umgebenden Raumluft.“ Dadurch steige die Kohlendioxid-Konzentration im Blut. (PDF, S. 35) Die Studie kommt allerdings auch zu dem Schluss: „Eine kompensatorische Erhöhung der Atemfrequenz oder ein Abfall der Sauerstoffsättigung wurde dabei nicht nachgewiesen.“ (PDF, Seite 43). Der Anstieg des CO2-Gehaltes durch das Tragen einer OP-Maske hat demnach keine gesundheitlichen Auswirkungen auf den Körper. 

„Ein erhöhter CO2-Gehalt im Blut (Hyperkapnie) kann beispielsweise Kopfschmerzen, Hautrötungen, eine erhöhte Herzfrequenz oder leichte Verwirrtheit hervorrufen“, schreibt das Team des Lungeninformationsdienstes per E-Mail an CORRECTIV. Durch die Anreicherung des Blutes mit Kohlendioxid sinke der pH-Wert in den leicht sauren Bereich. Das führe wiederum zu verengten Blutgefäßen in der Lunge und erweiterten Blutgefäßen in anderen Teilen des Körpers, insbesondere im Gehirn. „Als Folge steigt die Kalium-Konzentration im Blut, wodurch  die Herzfunktion beeinträchtigt wird und es zu Herzrhythmusstörungen kommen kann.“ 

E-Mail des Lungeninformationsdienstes vom Helmholtz-Zentrum München (Screenshot und Markierung: CORRECTIV)
E-Mail des Lungeninformationsdienstes vom Helmholtz-Zentrum München (Screenshot und Markierung: CORRECTIV)

Studie bezieht sich nicht auf FFP-Masken oder selbstgenähten Mundschutz

Die Studie der TU München beschäftigt sich ausschließlich mit zwei Modellen von OP-Masken, also einem medizinischen Mund-Nasen-Schutz (PDF, S.18 bis 20). Das Tragen von filtrierenden Halbmasken (FFP-Masken) oder selbstgenähten Masken (Mund-Nasen-Bedeckung) wurde nicht untersucht. 

Gegen die Corona-Pandemie kommen derzeit alle drei Maskentypen zum Einsatz. Abstand halten und Hände waschen sollte man laut den zuständigen Behörden in jedem Fall trotzdem. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte hat auf seiner Webseite einen Vergleich veröffentlicht. 

  • Selbstgenähte Masken: Diese Masken sind für den privaten Gebrauch. Eine Schutzwirkung für den Träger ist nicht nachgewiesen, allerdings kann eine selbstgenähte Maske andere schützen, indem sie den Auswurf von Speicheltröpfchen verringert. Selbstgenähte Mund-Nasen-Bedeckungen sollten aus kochfestem Baumwollstoff sein. Sie sind luftdurchlässig, hindern den Träger also nicht am Atmen. 
  • Medizinischer Mund-Nasen-Schutz/OP-Masken: Diese Masken dienen dem Fremdschutz. Sie müssen in Deutschland zugelassen sein, was durch eine DIN-Norm geregelt ist. Sie schützen vor Tröpfchenauswurf des Trägers. „Da der Träger je nach Sitz des MNS (Anm. d.R.: Mund-Nasen-Schutz) im Wesentlichen nicht durch das Vlies des MNS einatmet, sondern die Atemluft an den Rändern des MNS vorbei angesogen wird, bieten MNS für den Träger in der Regel kaum Schutz gegenüber erregerhaltigen Tröpfchen und Aerosolen.“
  • Filtrierende Halbmasken (FFP-Masken): Diese Masken dienen dem Selbstschutz. Laut BfARM schützen sie den Träger vor Partikeln, Tröpfchen und Aerosolen. Manche der FFP-Masken verfügen über ein Ausatemventil, andere nicht. Masken ohne Ventil filtern sowohl die eingeatmete als auch die ausgeatmete Luft und bieten daher Eigen- und Fremdschutz: „Masken mit Ventil filtern nur die eingeatmete Luft und sind daher nicht für den Fremdschutz ausgelegt.“

DIN-Normen verhindern, dass man zuviel CO2 einatmet

Sowohl der medizinische Mund-Nasen-Schutz als auch die filtrierenden Halbmasken sind durch das Deutsche Institut für Normierung (DIN) normiert. Die Normen wurden zuletzt 2009 überarbeitet, also vier Jahre, nachdem die Studie an der TU München erschienen ist.  

In einer E-Mail an CORRECTIV schreibt Anja Ströhlein, Pressesprecherin von 3M, einem Hersteller für verschiedene Maskenarten: „Die EN149 Norm setzt klare Grenzen für den Ein- und Ausatemwiderstand von Atemschutzmasken – die Norm 14683 entsprechend für chirurgische Masken.“ Man könne deshalb davon ausgehen, dass es bei der korrekten Handhabung nicht zu einer Ansammlung von Kohlendioxid unter dem Atemschutz komme. 

E-Mail von Anja Ströhlein, Pressesprecherin 3M. (Screenshot und Markierung: CORRECTIV)
E-Mail von Anja Ströhlein, Pressesprecherin 3M. (Screenshot und Markierung: CORRECTIV)

Diese Aussagen bestätigt auch das RKI per E-Mail gegenüber CORRECTIV: „Dass man mehr CO2 einatmet stimmt nicht, dass die Atmung behindert wird, schon“, schreibt uns Pressesprecherin Marieke Degen. Gerade das Tragen von mehrlagigen, sehr dichten und eng anliegenden Mund-Nasen-Bedeckungen könne beispielsweise für ältere Menschen oder für Menschen mit chronischen Lungenkrankheiten sehr anstrengend sein.

Auch Ströhlein schreibt: „Grundsätzlich kann jeder Atemschutz das Ein- und Ausatmen erschweren, da er eine Barriere darstellt. Diese Barriere ist unterschiedlich stark je nach Filterleistung, nach Ausstattung der Maske mit Ventil oder ohne (bei FFP-Masken) oder nach Art des Materials beim Nasen-Mund-Schutz.“ Man könne aber ausgehen, dass von zertifizierten OP-Masken keine Gesundheitsgefahr für gesunde Anwender ausgehe.

E-Mail von Marieke Dregen, Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts. (Screenshot und Markierung: CORRECTIV)
E-Mail von Marieke Degen, Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts. (Screenshot und Markierung: CORRECTIV)

Die Ergebnisse der Studie der TU München von 2005 lassen demnach keine Schlüsse auf heute verwendete Masken zu. Die Kernbehauptung des Facebook-Bildes über eine Gesundheitsgefahr durch CO2-Rückatmung und einen angeblichen Abfall der Sauerstoffversorgung ist – bezogen auf gesunde Menschen – falsch. 

Feuchte Masken können mit Bakterien verunreinigt sein

Je nach Variante werden in den Facebook-Beiträgen aber weitere Behauptungen aufgestellt. Eine davon lautet, es sammle sich viel Feuchtigkeit in Maske und Lunge, wodurch sich angeblich gefährliche Keime in der Lunge vermehren würden. 

Wenn die Maske nach längerem Tragen feucht sei, sollte sie gewechselt werden, schreibt Marieke Degen vom RKI. Es könne zu einer Kontamination der Maske mit der Mund-Rachen-Flora kommen – aber mit Bakterien, nicht mit Viren. „Systematische und vergleichbare Studien gibt es hierzu bislang aber nicht.“ 

E-Mail von Marieke Dregen, Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts. (Screenshot: CORRECTIV)
E-Mail von Marieke Dregen, Pressesprecherin des Robert Koch-Instituts. (Screenshot: CORRECTIV)

Es ist also möglich, dass sich durch die angesammelte Feuchtigkeit in der Maske Keime vermehren können, allerdings nicht in der Lunge, sondern im Mund-Rachen-Raum. 

Das RKI rät deshalb, den Mundschutz nicht dauerhaft, sondern zeitlich begrenzt zu tragen, zum Beispiel beim Einkauf oder in Bus und Bahn. „Ein MNB (Anm. d.R.: Mund-Nasen-Bedeckung) ist nicht dauerhaft erforderlich“, schreibt Marieke Degen. 

Auch die Maskenpflicht zum Beispiel in Bayern gilt nur beim Einkaufen oder der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. 

Zudem muss der Mundschutz regelmäßig gewechselt und gereinigt werden. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte empfiehlt, selbstgenähte Masken nach der Nutzung in einem Beutel luftdicht verschlossen aufzubewahren oder sofort zu waschen. Idealerweise bei 95 Grad, mindestens aber bei 60 Grad. 

FFP-Masken sind für Kinder ungeeignet – selbstgenähte Masken sind nichts für Kleinkinder 

In einer anderen Variante des Facebook-Beitrages werden Eltern davor gewarnt, ihren Kindern einen selbstgenähten Mundschutz aufzusetzen: „Bitte zieht euren Kindern unter 6 Jahren keine Maske auf. Sie können den CO2-Ausstoß selbst unter der Maske nicht kontrollieren.“ Sie würden nicht merken, wenn sie zu wenig Luft bekommen, was zu Atemlähmungen führen könne. 

Eine Variante des Facebook-Beitrags warnt explizit Eltern, ihren Kindern eine selbstgenähte Maske aufzusetzen. (Screenshot: CORRECTIV)
Eine Variante des Facebook-Beitrags warnt explizit Eltern, ihren Kindern eine selbstgenähte Maske aufzusetzen. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Behauptung ist falsch. Auch hier muss wieder zwischen den unterschiedlichen Arten von Mundschutz unterschieden werden. Für die filtrierenden Atemschutzmasken rät der Hersteller 3M tatsächlich dringend davon ab, dass Kleinkinder und Säuglinge diese tragen. Es drohe Erstickungsgefahr. 

Bei selbstgenähtem Mundschutz gibt es jedoch eher andere Probleme. So rät der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, dass Kinder unter zwei Jahren diesen nicht tragen sollten – vor allem, weil sie sich häufig ins Gesicht fassen. Ansonsten sollten Eltern dafür sorgen, dass die Maske richtig sitzt und Mund und Nase bedeckt. 

In Bayern und Thüringen sind Kinder unter sieben beziehungsweise sechs Jahren von der Maskenpflicht ausgenommen. Andere Bundesländer haben dazu bislang keine expliziten Regelungen. 

Update, 26. August: In der Studie der TU München gibt es im Fazit einen Satz, der klarstellt, dass das Tragen einer OP-Maske keine gesundheitlichen Auswirkungen hat. Wir haben diesen Absatz angepasst.

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