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Bundesregierung will Verbreitung von „Feindeslisten“ unter Strafe stellen

Das Bundeskabinett hat einen Gesetzentwurf verabschiedet, der die Verbreitung von „Feindeslisten“ bestrafen soll. Solche Listen haben unter anderem eine lange Tradition in rechtsextremen Kreisen und konnten aufgrund von Gesetzeslücken oft ungestraft veröffentlicht oder verschickt werden. Experten bezweifeln allerdings den Nutzen des Gesetzentwurfs für Betroffene.

von Sophia Stahl , Nathan Niedermeier

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Bürgerinnen und Bürger als Zielscheibe: die Feindesliste Nürnberg 2.0 © Ivo Mayr / Correctiv

Den Plänen der Bundesregierung zufolge soll das Strafgesetzbuch um den neuen Paragraphen 126a erweitert werden: „Gefährdendes Verbreiten personenbezogener Daten“ sieht für das Verbreiten von „Feindeslisten“ eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren  vor.

Die Bundesregierung begründet das neue Gesetz vor allem mit dem Schutz des öffentlichen Friedens. „Feindeslisten“ können demnach ein Klima der Furcht und Unsicherheit auslösen und die Gesellschaft einschüchtern –  sowohl direkt Betroffene als auch unbeteiligte Personen. Die Änderung des Strafgesetzes muss jetzt noch durch den Bundestag und Bundesrat gehen.

Bundesregierung weiß von 24 „Feindeslisten“

Auf „Feindeslisten“ werden Namen und persönliche Daten, wie Adressen oder Fotos erfasst und veröffentlicht oder sie kursieren in gleichgesinnten Kreisen. Häufig sind die Veröffentlichungen mit indirekten oder direkten Drohungen verbunden. Sowohl rechts- als auch linksextreme Gruppen sammeln auf solchen Listen Daten von vermeintlichen Feinden. Aktuell sind der Bundesregierung laut einer kleinen Anfrage im Bundestag 24 „Feindeslisten“ bekannt. 20 davon waren oder sind im Internet auffindbar. Die Betreiber sind unbekannt.

Das Problem ist nicht neu: Seit Jahrzehnten sammeln vor allem Rechtsextreme Informationen auf solchen Listen. Seit den 2000er Jahren sind diese auch vermehrt öffentlich zugänglich im Internet zu finden. Manche Listen stehen in einem regionalen Kontext, wie zum Beispiel 2011 in Berlin. Hier wurden unter anderem Personen, die sich vor Ort  gegen Rechtsextremismus engagierten, öffentlich angeprangert.

Andere „Feindeslisten“ sammeln und verbreiten persönliche Daten von Personen aus dem ganzen Bundesgebiet oder sogar international. Zum Beispiel der Onlinepranger  Judas.watch. Menschen mit jüdischem Hintergrund wurden dort mit einem Judenstern markiert. Aber auch in rechtsextremen Gruppen wie dem  Prepper-Netzwerk „Nordkreuz“ oder Telegramgruppen von Coronaleugnern  werden „Feindeslisten“ untereinander ausgetauscht.

Feindbilder: Frauen und Kommunalpolitiker

Auf den Listen stehen Menschen aus der Mitte der Gesellschaft. Bei Recherchen zum Thema fällt auf, dass in jüngerer Vergangenheit vermehrt Frauen zu Feindbildern von Rechtsextremen geworden sind. So werden zum Beispiel Politikerinnen auf einem rechten Prangerportal aufgelistet und Feminismus wird als „Verschwörungtheorie” gegen die Männer bezeichnet. Auch Wissenschaftler geraten im Zuge der Corona-Pandemie immer häufiger auf „Feindeslisten“. Sie werden als „Hochstapler“ oder „Mittäter bei Mord“ bezeichnet. Journalisten, Bundes- und Kommunalpolitiker sind ebenfalls betroffen. Aber auch eine Bestellung bei einem Punkrock-Versandhandel kann ausreichen, um auf einer „Feindesliste“ aufgeführt zu werden.

Häufig werden Menschen mit jüdischen oder muslimischen Glaubens gelistet.  Es sind Personengruppen, die immer wieder auch Ziel von Anschlägen werden, die mitunter sogar tödlich verlaufen, wie die NSU-Morde oder zuletzt der rechtsextreme Terror von Halle und Hanau gezeigt haben.

„Feindeslisten“ müssen für einen Straftatbestand öffentlich verbreitet werden

Jetzt soll gegen die Angst und Bedrohung durch „Feindeslisten“ mit dem Gesetz vorgegangen werden. Die Verbreitung der persönlichen Daten ist nach dem Gesetzentwurf strafbar, wenn diese dazu „geeignet“ sind, die Person zu gefährden. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Daten mit Drohungen versehen sind, wie die Person könne „ja mal Besuch bekommen“ oder die Verbreitung der Daten einer verfassungswidrigen oder extremistischen Organisation oder Internetseite zugeordnet werden kann.

Außerdem muss die Verbreitung der persönlichen Daten öffentlich geschehen, also zum Beispiel im Internet, auf einer Versammlung oder innerhalb eines größeren Personenkreises via Messengerdiensten wie WhatsApp oder Telegram.

Juristische Schwierigkeiten

Sebastian Golla, Juniorprofessor für Strafrecht und Kriminologie an der Universität Bochum, sieht allerdings juristische Schwierigkeiten bei dem Entwurf. Zwar habe das Kabinett diesen nochmal überarbeitet, deswegen sei das Gesetz aber immer noch kein guter Vorschlag. Ihm sind personenbezogene Daten zu ungenau definiert. „Auch eine belanglose Information wie, dass jemand einen roten Pullover trägt, kann ein personenbezogenes Datum sein“, führt er weiter aus.

Außerdem hinterfragt er den Nutzen für die Betroffenen durch solch ein Gesetz. Die Täter sind durch die Anonymität im Netz sehr gut vor Verfolgung geschützt. Er hielte ein Maßnahmenpaket für Betroffene durch zum Beispiel zentrale Anlaufstellen deswegen für sinnvoller und bezeichnet das Vorgehen der Bundesregierung als „Symbolpolitik“.

Nutzen für Betroffene fraglich

Auch Bianca Klose, Projektleiterin bei der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Berlin, kritisiert, dass das geplante Gesetz Betroffene zu wenig schütze. Sie berät und betreut seit vielen Jahren Menschen, die auf „Feindeslisten“ stehen. Anstatt das Strafgesetz anzupassen, fordert sie, Betroffene von „Feindeslisten“ besser zu informieren und zu schützen.

Strafverfolgungsbehörden sollten dazu verpflichtet werden, nach dem Auffinden von „Feindeslisten“, „umgehend die Menschen, die darauf zu finden sind, umfangreich zu informieren“. Auch sollten die Adressen von Betroffenen nach dem Auffinden von solchen Listen automatisch, etwa veranlasst durch das zuständige Landeskriminalamt, im örtlichen Melderegister gesperrt werden.

Sie sind selbst von rechter oder rassistischer Gewalt betroffen oder stehen auf einer „Feindesliste“? Beim Bundesverband mobile Beratung können Sie sich Unterstützung  –  auch für Ihr Bundesland – suchen. (https://www.bundesverband-mobile-beratung.de/angebote/vor-ort/#1448976974424-e577db39-b152)

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