Faktencheck

Nein, in Frankreich gibt es keine Impfpass-Pflicht in Supermärkten ab 1. August

Mitte Juli wird auf Facebook spekuliert, die Lage in Frankreich könnte „eskalieren“, da Emmanuel Macron mit einer Impfpass-Pflicht in Supermärkten ab dem 1. August drohe. Das ist falsch: Es gibt den sogenannten Gesundheitspass, den Geimpfte, Genesene und negativ Getestete erhalten. Im Supermarkt muss man ihn aber nicht vorlegen.

von Sarah Thust

Kein Pass Sanitaire in Frankreich im Supermarkt
Der französische Gesundheitspass „pass sanitaire“ muss in französischen Supermärkten mit Stand vom 28. Juli nicht vorgelegt werden (Symbolbild: Picture Alliance / PhotoPQR / Le Telegramme / Maxppp / Francois Destoc)
Behauptung
Emmanuel Macron wolle ab 1. August in Frankreich eine Impfpass-Pflicht für den Einkauf in Supermärkten einführen.
Bewertung
Falsch. Der „pass sanitaire“ ist kein „Impfpass“ und für den Einkauf in Supermärkten wird er zudem nicht benötigt. Macron hat keine solche Regelung angekündigt.

„Heute könnte es eskalieren“, schreibt eine Facebook-Nutzerin am französischen Nationalfeiertag, dem 14. Juli. Der Präsident Frankreichs, Emmanuel Macron, drohe angeblich mit „Impfpässen“ in Supermärkten ab dem 1. August: „Macron hat den Franzosen den Krieg erklärt, indem er damit droht, ihnen das Essen und die Freiheit zu nehmen, wenn sie sich nicht impfen lassen.“ Auf Telegram wurde der gleiche Beitrag 150.000 Mal gesehen (Stand: 28. Juli).

Gemeint ist vermutlich der Gesundheitspass „pass sanitaire“. Diesen können Personen in Frankreich erhalten, die negativ auf Corona getestet wurden, vollständig geimpft oder genesen sind. Er soll teilweise an öffentlichen Plätzen ab dem 1. August 2021 verpflichtend sein, etwa in Restaurants, Einkaufszentren und auch in Zügen oder Bussen auf Fernreisen. 

Macron kündigte am 12. Juli einen neuen Gesetzesvorschlag zur breiteren Anwendung des Gesundheitspasses an – doch er sprach nicht über Supermärkte. In dem entsprechenden Gesetzesvorschlag wurden lediglich Einkaufszentren erwähnt, in denen ab dem 1. August ein „pass sanitaire“ verpflichtend werden sollte. Die Passage wurde später gestrichen. 

Macron hat folglich keine Impfpass-Pflicht für den Kauf von Lebensmitteln in Supermärkten angekündigt – und diese wird auch nicht am 1. August in Kraft treten.

Camouflage-Fahrzeuge stehen in einer Straße
Das Foto auf Facebook zeigt offenbar Militär-Fahrzeuge – und wird mit der Behauptung verbreitet, es könne „heute“ in Frankreich eskalieren, gemeint ist der 14. Juli (Quelle: Facebook / Screenshot und Schwärzung am 27. Juli: CORRECTIV.Faktencheck)

Macron kündigte in einer Rede die verstärkte Nutzung des Gesundheitspasses an

In vielen Suchergebnissen auf Google zu den Stichworten „Macron“, „Pass Sanitaire“ und „Supermarche“ (auf Deutsch: Supermarkt) geht es um eine Rede von Macron am 12. Juli. Er kündigte darin eine Reihe neuer Corona-Maßnahmen an, darunter die Ausweitung der Nutzung des Gesundheitspasses am 1. August. Auf dieses Datum beziehen sich auch die Beiträge in den Sozialen Netzwerken. 

Der Präsident sagte in der Rede jedoch nichts über Supermärkte: „Ab Anfang August – und dazu müssen wir erst ein Gesetz verabschieden und verkünden – gilt der Gesundheitspass in Cafés, Restaurants, Einkaufszentren, aber auch in Krankenhäusern, Altenheimen, medizinischen und sozialen Einrichtungen, sowie in Flugzeugen, Zügen und Bussen bei längeren Fahrten.“ Nur geimpfte oder negativ getestete Personen hätten dann Zugang zu diesen Orten. 

Emmanuel Macron
Emmanuel Macron präsentiert die neuen Corona-Maßnahmen, unter anderem der Einsatz des „pass sanitaire“ soll ausgeweitet werden (Quelle vom 12. Juli: Youtube, Emmanuel Macron / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Gesundheitsminister Véran: Gesundheitspass könnte in „großen Einkaufszentren“ eingesetzt werden

Mehrere Medien in Frankreich berichteten, dass der „pass sanitaire“ in Supermärkten nicht erforderlich sei, es sei denn, der Supermarkt liege in einem großen Einkaufszentrum. 

Manche Internetseiten verwiesen dazu unter anderem auf den französischen Gesundheitsminister Olivier Véran. Véran betonte am 13. Juli in einem Interview mit dem französischen TV-Sender BFM TV RMC, dass die Nutzung des Gesundheitspasses nur in „großen Einkaufszentren“ untersucht werde – als Beispiel nannte er die Galerien in Paris. 

Olivier Véran in einem Interview
Der französische Gesundheitsminister Olivier Véran sagte in einem Interview am 13. Juli, dass der Gesundheitspass in großen Einkaufszentren eingesetzt werden könnte (Quelle: Twitter, BFMTV / Screenshot am 28. Juli: CORRECTIV.Faktencheck)

Ein Blick auf die Internetseite der französischen Regierung bestätigt, dass der „pass sanitaire“ ab dem 1. August auch in Einkaufszentren gelten sollte. So stand es auch in dem am 20. Juli eingereichten Gesetzentwurf.

In der aktuellen Gesetzesfassung vom 25. Juli steht der Absatz über Einkaufszentren allerdings nicht mehr drin. Darüber, dass Einkaufszentren wieder von der Regel ausgenommen wurden, gibt es auch französische Medienberichte

Alter und neuer Auszug aus dem Gesetzentwurf
Zum Vergleich: oben ist der Gesetzentwurf vom 20. Juli zu sehen; unten ist Gesetzesfassung vom 25. Juli, der Absatz zu den Einkaufszentren wurde dort gestrichen (Quelle: Assemblée Nationale / Screenshots und Collage: CORRECTIV.Faktencheck)

Am 25. Juli wurde das Gesetz in der ersten Fassung im Parlament verabschiedet, umgesetzt wird es aber erst nach der Stellungnahme des Verfassungsrats. Der Verfassungsrat überprüft, ob Gesetze verfassungskonform sind, bevor sie in Kraft treten. Die Entscheidung des Rates ist erst für den 5. August geplant. Das Gesetz wird folglich nicht wie geplant zum 1. August in Kraft treten.

Den „pass sanitaire“ erhält man auch ohne Corona-Impfung

Die Beiträge auf Facebook und Telegram sind aus zwei Gründen falsch. Erstens: Macron sprach über den „pass sanitaire“, den man auch mit einem negativen Corona-Test oder nach einer Genesung erhalten kann. Es ist folglich kein Impfpass. 

Zweitens: Supermarkt-Kunden in Frankreich müssen laut des Gesetzentwurfs keinen Gesundheitspass vorlegen – auch nicht ab dem 1. August. Kurzzeitig war die Regel für große Shopping-Zentren vorgesehen, doch diese wurden aus dem Gesetzentwurf wieder gestrichen. Einige Shoppingzentren haben dennoch die Regel eingeführt, dass vor dem Besuch ein gültiger Gesundheitspass vorgelegt werden muss.

Update, 24. August 2021: Wir haben im letzten Absatz ergänzt, dass in einigen Shoppingzentren – unabhängig von dem Gesetzentwurf – ein Gesundheitspass vorgelegt werden muss. 

Redigatur: Steffen Kutzner, Alice Echtermann

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Über den Gesundheitspass: Link
  • Transkript der Rede von Emmanuel Macron am 12. Juli: Link
  • Erste Senatsfassung des neuen Gesetzes vom 25. Juli: Link
  • Ablauf der geplanten Gesetzesneuerung in Frankreich: Link
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