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Taskforce mit 14 Behörden soll Sanktionen gegen Oligarchen durchsetzen

Eine neue Taskforce des Bundeskanzleramts soll dafür sorgen, dass die Sanktionen gegen Russland auch wirken. Bisher herrscht Chaos. CORRECTIV hat sich auf Spurensuche begeben, wer in Deutschland überhaupt für Sanktionen zuständig ist.

von Xenia Miller

Ukraine-Konflikt - Protest gegen den Krieg am Tegernsee  Foto: Uwe Lein / picture alliance
Während Demonstrierende vor dem Haus eines Oligarchen stehen, suchen Behörden oft vergeblich nach dem Eigentum von sanktionierten Personen. (Foto: Uwe Lein / picture alliance)

Nicht erst seit der neusten Sanktionsrunde ist bekannt, dass russische Oligarchen ihr  Vermögen auch verstecken oder verschleiern. Etwa über Offshore-Konten und Briefkastenfirmen. In anderen Fällen präsentiert sich der Reichtum hingegen direkt vor unseren Augen, beispielsweise in Form einer Yacht wie der von Alischer Usmanov. Die liegt im Hamburger Hafen, wird aber nicht beschlagnahmt. Anders als in Italien, dessen Finanzpolizei schnell Super-Yachten einzieht. 

Seit Beginn des Krieges gegen die Ukraine war häufiger zu lesen, dass das Eigentum russischer Oligarchen in Deutschland mehr oder weniger von den Sanktionen unberührt bleibt. Das liegt vor allem an unklaren Verantwortlichkeiten der Behörden. So ist zum Beispiel bisher niemand dafür zuständig, wie mit Immobilien umgegangen wird, wenn deren Eigentümer oder Eigentümerin sanktioniert ist. Und so kommt es, dass russische Oligarchen in Deutschland unbehelligt gegen EU-Sanktionen verstoßen können, wie die Welt zuletzt herausfand. Um das zu ändern, richtet die Bundesregierung nun eine Taskforce für Sanktionen gegen Oligarchen ein. Eine Regierungssprecherin erklärte, man wolle die Sanktionen der Europäischen Union (EU) lückenlos umsetzen, indem eine ganz neue Einheit gebildet werde. Wie genau deren Arbeit aussehen wird, werde noch geklärt. Bisher ist nur bekannt, dass mindestens 14 Behörden an dieser Taskforce beteiligt sind.

CORRECTIV hat bei verschiedenen Behörden nachgefragt, ob und wie Sanktionen in Deutschland umgesetzt werden, die vor allem Personen treffen sollen, die vom autokratischen Regime Russlands profitieren. Die Antworten der Ämter zeigen, dass es von der EU-Sanktion zu unmittelbaren Folgen bei Oligarchen unter den derzeitigen Umständen ein weiter Weg ist.

Für Häuser, Yachten oder Autos ist niemand zuständig

Die Spurensuche beginnt beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK), das bei Sanktionen federführend ist. Eine „Zuständigkeit für Vermögensgegenstände“ wie Immobilien und Yachten, so erklärt es, bestehe allerdings nicht. Es habe nur „deliktabhängige Zuständigkeiten der jeweiligen Aufsichts- und Vollzugsbehörden“. Die Pressestelle verweist stattdessen auf das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). 

Das Amt in Eschborn bei Frankfurt am Main erklärt auf Anfrage, dass es Güterexporte, die von Sanktionen betroffen sein könnten, verbietet oder genehmigt. Wenn beispielsweise ein Unternehmen in Deutschland Metalle herstellt, die Russland theoretisch für Waffen verwenden könnte, muss das Unternehmen beim BAFA eine Genehmigung für den Export nach Russland einholen. Doch für Vermögenswerte, solange sie nicht exportiert werden, ist auch die BAFA nicht zuständig. 

Finanzsanktionen, beispielsweise das Einfrieren von Konten, setzt das Servicezentrum Finanzsanktionen (SZ FiSankt) in die Tat um, indem es Banken über neue Sanktionen informiert und überwacht, ob diese „in ihren IT-Systemen adäquate Vorkehrungen getroffen haben, um Finanzsanktionen zu beachten“. Banken sind jedoch grundsätzlich selbst dafür zuständig, die Konten von gelisteten Personen einzufrieren. Mit Vermögenswerten hat auch das nichts zu tun. In Frage käme zuletzt die Financial Intelligence Unit (FIU), die zum Zoll gehört. Doch sie hat nicht viel mit Sanktionen zu tun. Nur wenn es um Geldwäsche geht, wird sie aktiv. Damit bleiben die Villen am Tegernsee und die Yachten im Hamburger Hafen vorerst unberührt. 

Gut für die Oligarchen: Behörden drehen sich im Kreis, wenn es um Sanktionen geht

Auch beim Geld gibt es keine direkte Kontrolle. Die Bundesbank vollzieht nicht aktiv nach, ob das Vermögen aller Personen, die auf der Liste auftauchen, eingefroren wurde. Zwar schreibt sie auf ihrer Website, dass sie „Vor-Ort-Kontrollen“ durchführt, doch die sehen nicht so aus, wie man es erwarten würde. Es geht vor allem um technische Fragen: ob der Algorithmus spezifisch genug ist, auf Groß- und Kleinschreibung der gelisteten Namen anspringt, ob die Listen aktuell sind. 

Ein weiteres Problem: Banken müssen sich selbst dafür anzeigen, gegen Sanktionen verstoßen zu haben. In regelmäßigen E-Mail-Rundschreiben fragt die Deutsche Bundesbank bei allen Banken nach, ob sie die neuen Sanktionen angewendet haben. CORRECTIV schreibt die Bundesbank: „In aller Regel“ würden Banken die Sanktionen „umfassend und angemessen in ihre Systeme“ umsetzen. Wie viele Verstöße die Bundesbank dabei seit 2014 festgestellt hat, konnte sie nicht beantworten – das sei eine Angelegenheit der Strafverfolgungsbehörden. 

Gemeint sind damit lokale Polizeistellen und Staatsanwaltschaften. Sie sind auch dafür zuständig, die Vermögenswerte von sanktionierten Personen zu überwachen und gegebenenfalls zu beschlagnahmen. Zu den Yachten und Immobilien, über die derzeit viel berichtet wird, muss die Polizei die Eigentümerinnen und Eigentümer allerdings oft aufwendig ermitteln. Und einziehen kann sie die Polizei nur, wenn die Eigentümerin oder der Eigentümer vorhat, Haus oder Boot zu bewegen oder zu verkaufen. Erst dann besteht rechtlich gesehen ein Verstoß gegen eine Sanktion. Bislang sind in Deutschland keine Fälle bekannt. Auf Anfrage, wie die Lage etwa in Berlin sei, verweist die Polizei Berlin auf das Bundesinnenministerium. Dieses wiederum verweist auf Anfrage von CORRECTIV zurück auf die Polizei Berlin. 

In anderen Ländern funktioniert es besser

In Deutschland sind eine Menge Behörden für Sanktionen verantwortlich, das fällt vor Allem im internationalen Vergleich auf. In den USA genügt ein Amt, das Office of Foreign Treasure Control (OFAC), das darüber hinaus auch effektiv gegen Verstöße vorgeht. Es hat mehrfach Milliardenstrafen gegen Banken – zum Beispiel die Commerzbank und die Deutsche Bank – verhängt, weil sie gegen US-Sanktionen verstoßen haben. Für Deutschland existieren keine gesonderten Zahlen zu Sanktionsverstößen – auch weil keine Stelle dafür zentral zuständig ist. Das BAFA, das Wirtschaftsministerium und die Finanzeinheit des Zolls (FIU) erklären nahezu identisch, dass zu operativen Maßnahmen keine Details veröffentlicht werden dürften. 

An der Taskforce zu den Sanktionen sind 14 Behörden beteiligt, koordiniert vom Kanzleramt

Die Bundesregierung hat das Problem erst erkannt, nachdem die EU angefangen hat, hunderte Sanktionen gegen russische Unternehmen und Personen zu verhängen. Am vergangenen Freitag kündigte sie nun an, eine Taskforce einzurichten, die sich „um eine effektive Durchsetzung der Sanktionspakete“ kümmern soll. Mitwirken sollen unter Leitung des Bundeskanzleramts übrigens „Vertreter von BMWK, BMF, BMI, BMDV, BMJ, AA“ sowie „u.a. BND, BKA, BfV, BaFin, ZKA, FIU, HZA, BAFA“ sowie die Bundesländer. Das sind mindestens 14 Behörden, die sich hinter den einzelnen Kürzeln verbergen. 

So schlank wie ihr Name ist die Taskforce dann wohl doch nicht. Auch ist noch unklar, wie genau die Taskforce aufgebaut sein wird und ob die Zuständigkeiten nun klarer verteilt werden. Laut Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit sei es für effektive Sanktionen essentiell, dass die Behörden „die Netzwerke um die Zielpersonen analysieren und Vermögen ungeklärter Herkunft in Deutschland identifizieren“. Erst dann wird sich zeigen, ob sich sanktionierte Oligarchen in Deutschland wirklich um ihren Lebensstil sorgen müssen.