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Demission eines katholischen Pfarrers: Ein Bericht zu geistlichem Missbrauch sorgt für Unruhe im Bistum Passau

Nach einer Anfrage von CORRECTIV an das Bistum hat es den Pfarrer abberufen. Bis heute streiten sich Pfarrer und Bistum über die Abberufung.

von Marcus Bensmann , Finn Schöneck

Eröffnungsgottesdienst zur Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Wiesbaden
Im Bistum des Bischofs von Passau, Stefan Oster (re.) trat ein Pfarrer zurück. Streit gibt es offenbar um ein Gutachten über den Pfarrer. Foto: Peter Back / picture alliance / Geisler Foto Express

Update, 13.06.25: Der Priester klagte gegen die Berichterstattung von CORRECTIV vom 20. März 2025.  Nach einer gerichtlichen Entscheidung des Landgerichts München haben wir einige Aspekte des Berichts verändern müssen. 

Ein angeblich „beliebter“ Pfarrer im Bistum Passau wird entlassen, doch die Gründe bleiben im Dunkeln.

Die Erklärung des Bistums folgte nur kurz nach einer CORRECTIV-Anfrage zu einem vertraulichen Bericht des „unabhängigen Ansprechpartners bei geistlichem Missbrauch“ im Bistum Passau, Helmut Höfl, die CORRECTIV zugespielt wurde. In dem 151-seitigen Bericht wird dem Pfarrer „geistlicher Missbrauch“ vorgeworfen. Der Priester soll Jugendliche auf kirchlichen Fahrten zu exzessivem Trinken von Alkohol verleitet haben. In dem Gutachten heißt es: „Besonders besorgniserregend sei, dass das Verhalten des Priesters klare ,grooming-artige‘ Züge trägt: Er testet und überschreitet Grenzen und schafft ein Umfeld, in dem die Jugendlichen zunehmend weniger in der Lage sind, riskante oder unangemessene Situationen als solche zu erkennen.“

Unter Grooming versteht man eine Methode von Erwachsenen, Vertrauen bei Jugendlichen und Kindern zu erschleichen – möglicherweise zur Vorbereitung sexuellen Missbrauchs. Im Fall des Pfarrers gibt es aber keine Hinweise darauf, dass es zu sexuellem Missbrauch gekommen ist. In dem Gutachten geht es auch um Mobbing-Vorwürfe gegenüber Gemeindemitgliedern, die diese Missstände kritisiert hatten.  Über seine Anwälte bestreitet der Priester die Vorwürfe.

Gutachten: Mobbingvorwürfe gegen Kritiker

Die Presseerklärung des Bistums auf die CORRECTIV-Anfrage ist widersprüchlich. Auf der einen Seite übernimmt sie teilweise Vorwürfe aus der Studie, die sie als Verdacht einstuft: „Seit einiger Zeit gebe es Verdächtigungen gegen seine Person, die ihm schwerwiegendes Fehlverhalten in der Jugendarbeit unterstellten“, heißt es in der Presseerklärung, der Umgang mit Alkohol stünde im Fokus. „Zudem werde er seit einigen Monaten auch der geistlichen Manipulation verdächtigt“. Ob dies der Grund für seine Demission ist, ist aber unklar. Über seine Anwälte bestreitet der Priester die Vorwürfe.

Pressestelle des Bischofs „nicht neutral“

Gleichzeitig kritisiert  die Pressemitteilung  des Bistums ausdrücklich den Bericht über den Pfarrer: Darin würden „Sachverhalte unrichtig dargestellt und widerlegbare Behauptungen aufgestellt“. Das Bistum habe deswegen sogar eine Anwaltskanzlei hinzugezogen.

„Die Pressestelle des Bistums ist nicht neutral: sie hat nicht zu beurteilen, ob der Pfr. ‘beliebt‘ sei“, schreibt der Verfasser der vom Bistum kritisierten Studie. Die unabhängige Kommission solle aufzeigen, „wie das Bistum einseitig arbeitet“, schreibt Höfl gegenüber CORRECTIV.

Über zwei Jahre scheute der Bischof, so die Studie, harte Konsequenzen, nachdem erste Vorwürfe im Sommer 2023 über das Verhalten des Pfarrers auf einer Jugendfahrt bekannt geworden waren. Die Vorwürfe richteten sich gegen einen „beliebten“ Geistlichen, wie auch das Bistum heute schreibt. Aus dem Bericht geht hervor, dass er es offenbar schaffte, die Kirche wieder zu füllen und vor allem wieder mehr Jungen als Messdiener zu gewinnen.

Das lange Abwarten des Bischofs überrascht

Die katholische Kirche in Deutschland und weltweit wird seit über 20 Jahren von Berichten über klerikalen Missbrauch erschüttert. Seither hat die Kirche in Deutschland Aufklärung und Prävention versprochen. Die grenzüberschreitende Nähe eines charismatischen Priesters zu Jugendlichen zeigt sich in den bekannten Fällen als ein oft wiederkehrendes Muster.

Auch der Fall des notorischen Missbrauchspriesters Peter H. zeigt dies deutlich. Dieser missbrauchte seit Mitte der 1970iger Jahren in verschiedenen Gemeinden regelmäßig Jungen. H. sorgte ab Ende der 1980iger Jahren über zwei Jahrzehnte in den oberbayerischen Gemeinden Garching an der Alz und Engelsberg ebenfalls für volle Kirchen und scharte über 100 Messdiener um sich, unter denen er dann seine Opfer suchte. Das vom Erzbistum München und Freising beauftragte Missbrauchsgutachten zeigte, dass H. unter dem Schutz der Bischöfe ungehindert seine Taten vollziehen konnte. CORRECTIV recherchiert seit 2019 intensiv zu diesem Fall und konnte zeigen, dass selbst der verstorbene deutsche Papst Benedikt XVI. über die Gefährlichkeit des Priesters wusste, aber nichts unternahm. Eines der Opfer, Andreas Perr, verklagt das Erzbistum München und Freising auf Schadenersatz. Das Verfahren läuft noch.

Update, 21.03.25: Nach der Meldung gab es kurzzeitig Verwirrung über die Pressemitteilung des Bistums Passau. Der Pfarrer betont, nicht zurückgetreten, sondern abberufen worden zu sein . Redaktion: Justus von Daniels