Reaktionen auf „China Science Investigation“

Deutsche Wissenschaft und China: So soll es weitergehen

Die Recherche zu wissenschaftlichen Kooperationen zwischen europäischen Forschenden und solchen an chinesischen Militäreinrichtungen hat Folgen. In Deutschland und den Niederlanden wird die „China Science Investigation“ von CORRECTIV, Follow the Money und neun weiteren internationalen Medien in Parlamenten debattiert. In Dänemark führte die Regierung jetzt neue Richtlinien für Hochschulen ein.

von Till Eckert , Sophia Stahl

China 70 Years
Chinesische Militäreinrichtungen kooperieren massenhaft mit europäischen Forschenden. Besonders deutsche Spitzenforschung ist gefragt. Das zeigten Recherchen von CORRECTIV, Follow the Money und neun weiteren internationalen Medien. (Symbolbild: Mao Siqian/picture alliance/Photoshot)

Die „China Science Investigation“ unter der Leitung von CORRECTIV und Follow the Money ist Gegenstand politischer Debatten. Die Recherche legte Mitte Mai offen, dass das chinesische Militär gezielt Wissen aus europäischen Hochschulen abzapft. Dabei steht deutsche Spitzenforschung im Fokus, wie wir mit unseren deutschen Partnern Deutsche Welle, Deutschlandfunk und Süddeutsche Zeitung belegen konnten. 

Auf die Recherche angesprochen, verwies Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) in der Bundespressekonferenz vom 20. Mai auf die Verantwortung der Hochschulen: Man wolle diese bei Kooperationen sensibilisieren und „unterstützen, ihren Weg zu gehen“. Dass der Verweis auf die Verantwortung der Hochschulen zu wenig ist, hat die Recherche allerdings deutlich gezeigt. 

Im internationalen Vergleich etwa mit dem Nachbarland Dänemark fällt Deutschland zurück. Dort kündigte die Regierung kürzlich einen „Paradigmenwechsel“ an und präsentierte neue Richtlinien für Hochschulen – bei Bedarf wolle man „noch weiter gehen“.  

Linken-Politikerin fordert „starke Zivilklauseln“ an Hochschulen

Reinhard Bütikhofer (Grüne), Abgeordneter im Europäischen Parlament, sagt „leichtfertige Ignoranz oder blauäugiger Idealismus sind nicht die richtigen Einstellungen, wenn es um das sehr relevante Risiko geht, dass wissenschaftliche Zusammenarbeit [mit chinesischen Forschern] ausgenutzt“ werde, um die „militärisch-zivile Fusion und die militärische Aufrüstung“ der chinesischen People’s Liberation Army „voranzutreiben“. Hochschulen und Politik stünden in der Verantwortung, „Antworten auf den Missbrauch“ von Wissenschaftskooperationen zu finden. 

Chinas offensive Militärpolitik mache manche Kooperationen im Forschungs- und Sicherheitsbereich „unmöglich“, schreiben der grüne Außenpolitiker Jürgen Trittin und Kai Gehring, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, in einem gemeinsamen Statement auf ihrer Webseite. Sie fordern „rote Linien“. 

Nicole Gohlke, stellvertretende Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion, schreibt auf Twitter zu unserer Recherche: „Dass deutsche Hochschulen derart blauäugig zum Erfüllungsgehilfen für Chinas Traum von Orwells 1984 werden, ist erschreckend. Starke Zivilklauseln wären die richtige Antwort – und die Diskussion um einen verantwortungsbewussten Forschungsrahmen.“ Als „Zivilklausel“ beschreibt man die Selbstverpflichtung von wissenschaftlichen Einrichtungen, ausschließlich für zivile Zwecke zu forschen.

Fraktion der Union sieht „konkreten Handlungsbedarf“

„Die Recherche macht uns sehr besorgt und wir sehen als CDU/CSU-Fraktion konkreten Handlungsbedarf“, sagt Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der CDU. „Es darf nicht sein, dass an deutschen Universitäten Forschung für militärische oder Dual-Use-Zwecke in China geschieht.“ Die aktuellen Regelwerke scheinen laut Jarzombek „nicht ausreichend zu sein und müssen anhand der aktuellen Erkenntnisse angepasst werden“. Dazu gehöre auch eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung.

Von der Forschungsministerin erwarte die Union eine „konkrete Agenda“, sie solle „das Gespräch mit den relevanten Gremien wie der Hochschulrektorenkonferenz und der Deutschen Forschungsgemeinschaft aufnehmen. Diese veröffentlichen jeweils Richtlinien für die Zusammenarbeit von deutschen mit ausländischen Hochschulen.

Übereinstimmend mit der Forschungsministerin äußert sich Mario Brandenburg, bildungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. Die Recherchen zur Kooperation mit chinesischen Forschenden an „Dual-Use“-Projekten offenbarten, „dass es mancherorts deutlichen Verbesserungsbedarf an der bisherigen Praxis gibt“. Es brauche eine „stärkere Sensibilisierung“. Nicht jede Hochschule jedoch verfüge über ausgeprägte Kontrollmechanismen. „Es braucht daher eine breite Debatte darüber, wie wir Universitäten hier stärker unterstützen könnten – sei es durch eine zentrale oder eine abgestimmte dezentrale Lösung“, sagt Brandenburg.

Götz Frömming, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, nennt die Ergebnisse der Recherche „alarmierend“. Die AfD-Fraktion habe die Bundesregierung bereits in der vergangenen Legislaturperiode aufgefordert, „der Einflussnahme Chinas auf deutsche Wissenschaftseinrichtungen einen Riegel vorzuschieben“. Frömming tippt darauf,  die Regierung wolle die „wirtschaftlich wichtigen Beziehungen“ zu China nicht gefährden. „Internationale Forschungskooperationen sind wichtig. Wissenschaftsfreiheit darf aber kein Feigenblatt sein, um nationale Sicherheitsinteressen zu vernachlässigen.“

Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag hat sich bis zur Veröffentlichung dieses Artikels nicht geäußert.

Regierung in Dänemark will wissenschaftliche Kooperationen stärker regulieren

Während in Deutschland noch über den richtigen Umgang mit dem Thema diskutiert wird, geht Dänemark einen Schritt weiter: Dort stellte die Regierung nach der Veröffentlichung der Recherche neue, spezifische Richtlinien für die wissenschaftliche Zusammenarbeit unter anderem mit chinesischen Einrichtungen vor. Ein vom Forschungsministerium beauftragtes Komitee präsentierte dafür einen Drei-Schritte-Plan

Unter anderem wird „ein gemeinsamer nationaler Ansatz und ein verstärkter Wissensaustausch zwischen den zuständigen Behörden und dem Forschungsumfeld in Dänemark“ angestrebt. Ausländische Forschende müssten laut dem Forschungsminister Jesper Petersen einer gründlichen Überprüfung durch die Hochschulen unterzogen werden. Bei Verdacht auf Missbrauch müssten diese außerdem bereit sein, „die Zusammenarbeit einzustellen“. 

Auch in den Niederlanden steht das Thema auf der politischen Agenda: Die Ergebnisse der Recherche sollen am Mittwoch im Parlament besprochen werden.

Die deutsche Bundesregierung arbeitet derzeit noch an einer „China-Strategie“. Wann diese veröffentlicht wird und ob das Thema der Forschungskooperationen mit Militäreinrichtungen wie etwa in China darin aufgegriffen wird, ist offen. 

Die „China Science Investigation“ zeigte, dass in den vergangenen 20 Jahren rund 3.000 wissenschaftliche Arbeiten zwischen europäischen Forschenden und Kolleginnen und Kollegen an chinesischen Militäreinrichtungen entstanden sind. In den Veröffentlichungen ging es um sensible Bereiche wie Ver- und Entschlüsselungstechnologie, Robotik oder das Tracking von Personengruppen. In Deutschland fand CORRECTIV mit seinen Partnermedien rund 300 solcher Arbeiten.