Kitas und Schulen: Was die wichtigsten Bildungspolitikerinnen bewegen wollen
Kaum Personal, kaum Geld, dafür umso mehr soziale Ungleichheit. CORRECTIV hat die neuen Schlüsselakteure im Bundestag befragt, was sie dagegen tun wollen – und ihre Biografien analysiert.

Zu wenig Lehrerinnen und Erzieher, zu wenig Ganztagsbetreuung, fehlende Kitaplätze, marode Schulen: Überall fehlen Personal und Geld. Förderbedürftige Kinder, insbesondere aus armen Familien und mit Migrationsgeschichte, leiden besonders unter diesen Missständen. Immer wieder haben Studien das in der Vergangenheit gezeigt. Das Bildungssystem vermag es nicht, die soziale Chancenungleichheit aufzuheben.
Zuständig dafür, die Probleme zu lösen, sind Städte und Bundesländer. Allein allerdings können sie das nicht bewältigen: Sie setzen auf zusätzliche Mittel aus Förderprogrammen des Bundes.
Darüber beraten vor allem sie: die Abgeordneten des Ausschusses für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 38 Mitglieder aus fünf Fraktionen kontrollieren die Arbeit der Regierung, insbesondere von Bildungs- und Familienministerin Karin Prien (CDU). Sie bereiten neue Gesetze vor und hören Experten an. Den Vorsitz hat die SPD-Abgeordnete Saskia Esken.
In jeder Bundestagsfraktion gibt es eine Sprecherin oder einen Sprecher. Diese Person ist Mitglied im Ausschuss und tritt in der Öffentlichkeit als Gesicht und Stimme der Partei in Bildungsfragen auf. Zudem haben Union, SPD und Grüne auch schon Stellvertretende Fraktionsvorsitzende ernannt, die sich innerhalb ihrer Fraktionen ebenfalls um Bildungsthemen kümmern.
Wer sind die wichtigsten Bildungspolitikerinnen und -politiker, die wir in den nächsten Jahren in Talkshows sehen? Was bewegt sie, woher kommen sie, wo wollen sie hin? CORRECTIV hat alle gefragt: Was wollen Sie tun gegen die soziale Ungleichheit im Bildungssystem?
Diese Abgeordnete hat CORRECTIV befragt:
Mit einem Klick auf den Namen können Sie direkt zur Person springen.
In den Antworten sticht ein Thema besonders heraus: Die frühkindliche Bildung dürfte den politischen Bildungsdiskurs in den kommenden Jahren bestimmen. Das Startchancen-Förderprogramm soll auf Kindertagesstätten ausgeweitet werden; es werden Sprachtests aller Vierjährigen gefordert. Ein zweiter Schwerpunkt liegt auf Maßnahmen, die das Schulsystem verbessern sollen: etwa der Ausbau von Ganztagsschulen, mehr Sozialarbeit oder kostenloses Mittagessen. Eine Abgeordnete wünscht sich das Ende des bekannten Systems und eine „Schule für alle”.
CDU-/CSU-Fraktion:
Anja Weisgerber
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Kultur und Medien

„Zum einen ist es essentiell, bereits in der frühkindlichen Bildung nicht nur auf Quantität zu setzen, was den Ausbau der Kita-Infrastruktur angeht, sondern auch auf Qualität. Zum anderen ist es wichtig, Erwerbsanreize für die Eltern zu schaffen, um sie in Arbeit zu bringen. Denn für uns ist Kinderarmut Elternarmut. Auch hier ist die Voraussetzung eine gute Kinderbetreuung, wenn Mütter und Väter Familie und Beruf unter einen Hut bringen sollen. Das eine funktioniert nicht ohne das andere. Deshalb haben wir als erste Maßnahme eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, die den Ausbau qualitativ hochwertiger Ganztagsangebote für Grundschulkinder weiter vorantreiben soll. Wir ziehen hier mit den Kommunen an einem Strang.“
Beruflich lag die Expertise der promovierten Juristin Anja Weisgerber, 49, zuletzt weniger bei Sozialem und Bildung. Sie widmete sich vielmehr dem Wirtschaftsrecht, Umweltfragen und Lebensmittelsicherheit. Als Europaabgeordnete beschäftigte sich Weisgerber von 2009 bis 2013 unter anderem mit Themen wie Arzneimitteln und der Lesbarkeit von Beipackzetteln oder dem Geräuschpegel von Kraftfahrzeugen. Mit dem Wechsel in den Bundestag im Jahr 2013 blieb sie den Umweltthemen treu: Zwei Legislaturperioden lang war sie Obfrau im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit. Ab 2022 war sie Sprecherin für Umwelt und Verbraucherschutz.
Weisgerbers Statement zum Thema Bildung ist zurückhaltend. Es deckt sich mit den Kernaussagen ihrer ersten bildungspolitischen Rede, die sie im Mai zum Thema Ganztagsausbau hielt. Weisgerber zeigt sich auf Linie mit der neuen Bildungs- und Familienministerin Karin Prien, die als CDU-Politikerin ebenfalls der Union angehört und vor allem die frühkindliche Bildung in den Fokus rücken will.
Anne König
Bildungspolitische Sprecherin, CDU

„Das Bildungssystem hat sich in den vergangenen Jahrzehnten enorm weiterentwickelt und seinen Anteil daran geleistet, die soziale Ungleichheit zu reduzieren. […] Das nächste Ziel muss es nun sein, die frühkindliche Bildung zu verbessern, um frühzeitig gleiche Startbedingungen für alle Kinder zu ermöglichen. Wir werden hierfür insbesondere verpflichtende und flächendeckende Sprachtests aller Vierjährigen einführen. Bei allen staatlichen Maßnahmen, wie beispielsweise den frühen Hilfen, ist es aber auch wichtig, dass wir Eltern in die Pflicht nehmen, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Über die richtigen Wege dahin müssen wir eine offene und ehrliche Diskussion führen. Ein noch so leistungsfähiges Schulsystem kann die Erziehungsaufgabe der Eltern nun mal nicht ersetzen.“
Anne König ist die Praktikerin in der Unionsfraktion: Die 40-Jährige ist nicht nur bildungspolitische Sprecherin, sondern kennt das Bildungssystem von innen. König ist Gesamtschuldirektorin von Beruf. Sie hat an der Universität Duisburg-Essen Mathematik und Geschichte auf Lehramt studiert und war in verschiedenen Funktionen an Schulen im Münsterland tätig, zuletzt als didaktische Leiterin der Julia-Koppers-Gesamtschule in Borken. Im Februar dieses Jahres holte sie bei ihrer zweiten Bundestagswahl 47,9 Prozent der Stimmen: das bundeslandweit beste Ergebnis für ihre Partei, noch besser als das von Friedrich Merz.
Anne König gilt dabei als Vertreterin einer moderneren CDU: Der Spiegel nannte sie einst das „grüne Gegenmodell“ zu ihrem Wahlkreisvorgänger Johannes Röring, der als Schweinemastbesitzer und Agrarlobbyist zweifelhafte Bekanntheit erlangt hatte. Privat ist König Präsidentin eines Schützenvereins nur für Frauen und in einem Gastbeitrag in der FAZ forderte die CDU-Politikerin im vergangenen Jahr in Hinblick auf die feministische Außenpolitik der Ampel-Regierung eine „feministische Innenpolitik“. Eine ihrer Forderungen: Es brauche einen Staat, der die Vereinbarkeit von Familie und Beruf garantiere.
SPD-Fraktion:
Saskia Esken
Vorsitzende des Bildungsausschusses

„Mit dem Startchancen-Programm des Bundes fördern wir 10 Jahre lang und mit enger wissenschaftlicher Begleitung ganz gezielt diejenigen Schulen mit einem besonders hohen Anteil benachteiligter Schülerinnen und Schüler. Wir wollen lernen, mit welchen Maßnahmen wir die Bildungsgerechtigkeit voranbringen und eine gelingende Bildung für möglichst alle jungen Menschen organisieren können. Mit der Ausweitung dieses Programms auf Kindertagesstätten vollziehen wir nach, was kluge Bildungspolitiker schon lange sagen: Auf den Anfang kommt es an.“
Wochenlang hatten Medien gerätselt, wie die politische Karriere von Saskia Esken nach dem Aus der Ampel-Regierung weitergehen könnte. Ein Ministeramt hat die Parteivorsitzende der SPD in der neuen Regierung nicht bekommen. Im Mai erklärte die 63-Jährige nach viel interner Kritik zudem, dass sie sich aus der Parteiführung zurückziehen und im Juni nicht erneut als SPD-Vorsitzende kandidieren werde. Eine wichtige parlamentarische Funktion spielt Esken nun künftig in Sachen Bildungspolitik: Sie übernimmt den Vorsitz im Ausschuss für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Die SPD-Abgeordnete, die seit 2013 im Bundestag sitzt, war bis 2017 bereits Mitglied im Ausschuss für Bildung und Forschung, von 2021 bis 2025 war sie stellvertretendes Mitglied. Ein Anliegen der staatlich geprüften Informatikerin war die Digitalisierung von Schulen.
Vor anderthalb Jahren forderte sie ein Sondervermögen für Bildung, um in Schulen investieren zu können. Jetzt wirbt sie auf Anfrage von CORRECTIV für das Startchancen-Programm, das die Ampel-Regierung im vergangenen Jahr an den Start gebracht hat. In der Vergangenheit allerdings hatte Esken auch Kritik daran geübt: Nur ein Zehntel der Schulen würde davon profitieren, nötig wäre aber mindestens die Hälfte, sagte sie der Parteizeitung Vorwärts. Zu ihren zentralen Forderungen bei der frühkindlichen Bildung und Betreuung zählte in der vergangenen Legislatur auch die Forderung, dass jedes Kind ab dem zweiten Geburtstag einen Kitaplatz erhalten müsse.
Dagmar Schmidt
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD

„Mir liegt besonders – gerade nach der Pandemie – ein guter Start ins Leben für alle Kinder und Jugendlichen am Herzen. Dafür brauchen wir Chancengleichheit bei Bildung und Teilhabe genauso wie mehr Beteiligung von Kindern und Jugendlichen bei den Dingen, die sie selbst betreffen. Ich möchte Familien das Leben leichter machen und sie u.a. durch flexible Elternzeit und gute und verlässliche Betreuung im Alltag spürbar entlasten.“
Nach ihrem Geschichtsstudium in Gießen war Dagmar Schmidt als wissenschaftliche Referentin und parlamentarische Referentin für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung im Hessischen Landtag tätig. Seit 2013 sitzt die Abgeordnete für die SPD im Bundestag und bekleidete dort schon in der vergangenen Legislatur das Amt der Stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden. Sie freue sich darauf, dass zu ihren Verantwortungsbereichen jetzt neben Arbeit, Soziales und Gesundheit jetzt auch Bildung und Familie hinzukommen, betonte die 52-Jährige im Mai bei ihrer ersten bildungspolitischen Rede im Bundestag. Familien zu entlasten, sei „ein zentrales Ziel“ ihrer Fraktion. So solle beispielsweise Kinderarmut bekämpft werden: durch einen höheren Teilhabebetrag und den „Einstieg in ein kostenloses Mittagessen“.
Schmidt gehört innerhalb der SPD zum Zusammenschluss der Parlamentarischen Linken, wo sie zudem eine von drei Sprechern ist. Mit ihren linken Positionen geriet sie vor einigen Tagen bereits mit dem Koalitionspartner aneinander – zuletzt etwa beim Thema Bürgergeld, wo sie Carsten Linnemanns (CDU) Vorschlag für einen harten Kurs beim Umbau des Bürgergelds ablehnte.
Jasmina Hostert
Sprecherin der Arbeitsgruppe Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend der SPD-Fraktion

„Wir brauchen gleiche Bildungs- und Teilhabechancen für alle Kinder – von Anfang an. Wir werden daher kraftvoll in moderne Kitas und Schulen investieren, in Sprach-Kitas, in Startchancen-Schulen, in den Ganztag, in kostenloses Mittagessen im Bildungs- und Teilhabepaket. Und das ist erst der Anfang. Wir wollen Orte fördern, an denen Kinder gerne lernen, spielen und ihre Talente entdecken und dass jedes Kind den gleichen Zugang zu Bildungsangeboten erhält.“
Jasmina Hostert, 42, wurde in Sarajevo geboren und floh mit ihrem Vater Anfang der 90er-Jahre nach Deutschland. Als junges Mädchen erlebte sie die Schrecken des beginnenden Bosnienkrieges. Durch die Explosion einer Granate wurde die damals Neunjährige so schwer verletzt, dass ihr ein Arm amputiert werden musste. Ihr Vater kehrte 1997 nach Bosnien zurück, doch seine Tochter, die in Deutschland zur Schule gegangen war, wollte bleiben. Eine ehemalige Lehrerin, Maria Hostert, nahm sie auf und adoptierte sie. Später studierte Jasmina Hostert Politikwissenschaft, Neuere Geschichte und Kunstgeschichte an der Universität Bonn und arbeitete nach ihrem Studium als Geschichtsvermittlerin im Haus der Geschichte in Stuttgart und in verschiedenen Positionen für die SPD.
Seit 2021 ist sie Bundestagsabgeordnete ihrer Partei und war von Beginn an Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Eines ihrer zentralen Anliegen dort ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hostert ist selbst Mutter von zwei Kindern, eins davon noch im Kita-Alter, wie sie im Mai im Bundestag betonte. Sprach-Kitas – Einrichtungen mit besonderer Förderung der Kinder bei der Sprachentwicklung – empfindet sie aufgrund ihrer eigenen Geschichte als besonders wichtig: „Als jemand, der selbst mit zehn Jahren nach Deutschland gekommen ist, ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, weiß ich, dass Sprache das Fundament und die Grundlage für alles, wirklich für alles ist“, sagte sie.
AfD-Fraktion:
Martin Reichardt
Familienpolitischer Sprecher

Die AfD ließ die CORRECTIV-Anfrage als einzige Fraktion unbeantwortet. Ihr familienpolitischer Sprecher Martin Reichardt ist aber kein Unbekannter: Bei der Bundestagswahl trat der 55-Jährige als Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt an. Unter seinem Vorsitz war der AfD-Landesverband Sachsen-Anhalt 2023 als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft worden. Reichardts fremdenfeindliche Postings in den Sozialen Medien fanden jüngst auch Erwähnung im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes, das die Partei als gesichert rechtsextrem einstufte.
Der ehemalige Offizier und Diplom-Pädagoge ist bereits seit 2017 Mitglied des Bundestags. Welche Position er beim Thema Familie und Bildung einnimmt, machte er Mitte Mai im Bundestag deutlich: Er sprach sich einmal mehr dafür aus, dass Deutschland mehr Kinder brauche und skizzierte ein Familienbild aus „Vater, Mutter und Kindern“. Das Selbstbestimmungsgesetz nannte er einen „Irrsinn“, kritisierte „Abtreibungspraxen“ und kostenlose Verhütungsmittel, mit denen Kinder „dezimiert“ würden. Schon in der Vergangenheit wollte er für einen „Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Indoktrination durch die Transgenderideologie“ kämpfen. Beim Thema Kita setzt die AfD darauf, „insbesondere die innerfamiliäre Betreuung stärker zu fördern“, wie Reichardt im vergangenen Jahr erklärte. Ausländische Fachkräfte in Kitas lehnt er ab.
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen:
Misbah Khan
Stellvertretende Fraktionsvorsitzende

„Wenn wir Bildungsgerechtigkeit wirklich erreichen wollen, müssen wir über das Klassenzimmer hinausdenken. […] Wir müssen armutsbedingte Benachteiligungen systematisch abbauen, durch eine Kindergrundsicherung, bessere Unterstützung für Alleinerziehende, bezahlbaren Wohnraum und den Ausbau sozialer Infrastruktur. […] Gleichzeitig müssen wir auch im Bildungssystem selbst ansetzen und die richtigen Weichen stellen: mit mehr Qualität in der frühkindlichen Bildung und einem echten Ausbau der Ganztagsschulen. Frühkindliche Förderung, insbesondere in sozial herausgeforderten Kitas, ist ein Schlüssel, um ungleiche Startbedingungen zu kompensieren. Auch Ganztagsschulen müssen weit mehr sein als Betreuung. Sie sollten zu vielfältigen Lern- und Lebensräumen ausgebaut werden, in denen systematisch gefördert wird.“
Die 35-jährige Misbah Khan wurde in Pakistan geboren, studierte Politikwissenschaften und British Studies und sitzt seit 2021 im Bundestag. Zuvor arbeitete sie bei der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz und im Demokratiezentrum Rheinland-Pfalz. Bei der diesjährigen Bundestagswahl war sie die Spitzenkandidatin der rheinland-pfälzischen Grünen. Ihre Schwerpunkte im Bundestag sah sie selbst eher „im Bereich der Innen-, Migrations-, Gesellschafts- und Digitalpolitik“, wie sie auf ihrer Website erklärt. Zuletzt machte sie sich im Vorfeld der Wahl für ein AfD-Verbotsverfahren stark und beklagte, dass nur gut jeder zehnte Abgeordnete im Bundestag einen Migrationshintergrund hat.
Bildungspolitik ist für Khan also ein noch neues Feld, ebenso wie das zugehörige Amt als Stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Von Ministerin Karin Prien fordert die Oppositionspolitikerin, „dass Familien nicht alleine gelassen werden und dass die gesellschaftliche und soziale Infrastruktur genauso wichtig ist wie die Frage der militärischen und der wirtschaftlichen Infrastruktur“. So sagte sie es in ihrer ersten bildungspolitischen Rede im Mai im Bundestag.
Denise Loop
Bildungspolitische Sprecherin der Grünen

„Im Vergleich zu anderen OECD- Ländern investiert Deutschland viel zu wenig in Bildung. Wir brauchen eine Investitionsoffensive für mehr Bildungsgerechtigkeit und eine nachhaltige Fachkräftesicherung im Bildungswesen. Dabei müssen wir auch schon in der frühkindlichen Bildung ansetzen, also im vorschulischen Bereich. Schulen und Kitas müssen gezielt gestärkt werden – durch mehr Schul- und Kita-Sozialarbeit, kleinere Klassen, einen höheren Fachkräfte-Kind-Schlüssel und eine moderne, bedarfsgerechte Ausstattung. Dabei müssen wir besonders Einrichtungen in benachteiligten Sozialräumen stärken.“
Vom Jugendamt Dithmarschen in den Bundestag: Denise Loop bringt als studierte Sozialarbeiterin praktische Erfahrung mit in den Ausschuss. Seit 2021 ist die Grüne im Bundestag und setzte von Anfang an auf familienpolitische Themen. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode war sie Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, zu dem jetzt auch das Thema Bildung hinzugekommen ist. Loop ist nun erstmals Sprecherin ihrer Partei – und auch erstmals in der Opposition. Von ihrer Heimatzeitung SHZ wurde die 31-Jährige bereits als „Gegenspielerin“ von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) bezeichnet. Beide Politikerinnen waren zuvor in Schleswig-Holstein aktiv.
Ihre Rolle als Kritikerin der Regierung nahm Denise Loop schon bei einer Bundestagsrede im Mai ein. Sie gratulierte Prien zum Ministeramt, aber nicht ohne zu betonen, dass viele Projekte und Vorhaben, die die Ministerin jetzt umsetzen will, noch aus der Zeit der Ampel-Regierung stammen. Für Loop hat der schwarz-rote Koalitionsvertrag vor allem bei der Gleichstellungspolitik „erhebliche Lücken“. Eine zentrale Forderung von ihr: „Schwangerschaftsabbrüche müssen endlich entkriminalisiert werden.“
Von Karin Prien erwartet Loop, dass sie nicht nur die Bildung, sondern alle Bereiche des Ministeriums in den Fokus nimmt: Auch die Lebensrealitäten „von Alleinerziehenden, jungen Eltern, Gewaltbetroffenen, Jugendlichen mit psychischen Problemen oder einsamen Menschen“ solle Prien ernstnehmen, wie Loop auf Instagram schrieb.
Fraktion Die Linke:
Nicole Gohlke
Bildungspolitische Sprecherin

„Vor allem müssen wir dafür sorgen, dass alle Kinder Zugang zu guter Bildung erhalten. Das bedeutet einerseits, mehr Ressourcen für Schulen bereitzustellen, um eine inklusive und gerechte Lernumgebung zu schaffen, die die unterschiedlichen Bedürfnisse aller Schüler berücksichtigt. Und andererseits ein Augenmerk auf ausreichend gut ausgebildete Fachkräfte zu legen. Die Linke schlägt eine Ausbildungsoffensive für mehr Lehrkräfte und Erzieher:innen vor. Darüber hinaus müssen wir endlich das stark selektierende Schulsystem überwinden und durch eine Schule für alle ersetzen.“
Die kleinste Fraktion bringt die Bildungspolitikerin mit der meisten Ausschuss-Erfahrung mit: Seit 2009, also gut 16 Jahre lang, ist die Münchnerin Nicole Gohlke schon Mitglied im Bundestag. Von Anfang an war sie bei der Linken für Bildungs- und Wissenschaftspolitik zuständig. Der 49-Jährigen ist es ein Anliegen, dass sich Frauen und Mütter beruflich verwirklichen können, wie sie bei einer Bundestagsrede im Mai betonte. Der Ganzstagsausbau müsse deshalb „endlich zum pädagogischen Standard werden“. Im Oktober 2024 forderte sie dafür ein 100-Milliarden-Sondervermögen. Das Startchancen-Programm ist für sie „ein zeitlich befristetes, nur punktuell wirksames und viel zu kleines Programm, das die gröbsten Missstände abmildern soll“.
Die bekennende Marxistin stand in der Vergangenheit im Zentrum zweier Kontroversen. Bei einer Demo gegen den „Islamischen Staat“ zeigte sie 2014 eine Fahne der als Terrororganisation eingestuften ehemaligen kurdischen Untergrundorganisation PKK. Sie wurde in Gewahrsam genommen, ein Gericht verwarnte sie anschließend. Zudem hatte der Verfassungsschutz sie besonders lange im Visier: Gohlkes Partei stand seit ihrer Gründung komplett unter Beobachtung. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) die Beobachtung aller Abgeordneten Anfang 2014 beenden lassen. Der Bayerische Verfassungsschutz allerdings stellte die Arbeit nicht sofort ein: Gohlke wurde als einzige Abgeordnete der Linken noch bis 2015 beobachtet.
Sie haben Hinweise?
CORRECTIV bleibt am Thema Bildung gemeinsam mit Lokalmedien aus ganz Deutschland dran. Um besser berichten zu können, helfen uns Informationen aus erster Hand. Hier wird erklärt, wie Sie CORRECTIV vertraulich und sicher Informationen zukommen lassen können. Sie entscheiden, welchen Kontaktweg Sie nutzen. Ein Weg für besonders sensible Hinweise ist der anonyme Briefkasten. Sie können uns auch gerne eine E-Mail schicken an lokal(at)correctiv(dot)org
Redaktion und Faktencheck: Stella Hesch, Jonathan Sachse