Von Unterdrückung und Widerstand: Frauen in autoritären Systemen
Frauen in autoritären Regimen erleben eine Mischung aus strategischer Integration in politische Strukturen und tiefgreifender Unterdrückung. Trotz repressiver Maßnahmen setzen sie ihren Widerstand fort – sei es durch politische Beteiligung, Aktivismus oder verdeckte Bildungsnetzwerke. Besonders in Ländern wie Russland, der Türkei, Afghanistan und Belarus zeigt sich, wie Frauen trotz extremer Gewalt und Diskriminierung für ihre Rechte kämpfen. Ihr unerschütterlicher Mut macht deutlich, dass ihr Kampf gegen das patriarchale System nicht nur ein persönlicher, sondern ein kollektiver und globaler ist.

Als überwiegend weibliches Team, das den feministischen Kampftag feierte, empfanden wir bei Correctiv.Exile es als unsere Pflicht, die Kämpfe zu ehren, die unsere Freundinnen, Kolleginnen und Frauen, die hier im Exil arbeiten, täglich durchstehen. Wir wollten der Kraft des Widerstands einen Text widmen, der Kraft, die diese Frauen angesichts von Grausamkeiten und gewaltsamen patriarchalen Unterdrückungsmechanismen verkörpern. Daher fragten wir unsere exilierten Kolleginnen, was es für sie bedeutete, eine Frau in ihrem Heimatland zu sein.
Frauen in autokratischen Regimen sehen sich oft einer komplexen, widersprüchlichen politischen Landschaft gegenüber: Einerseits gibt es durchaus auch in Autokratien Frauen in wichtigen politischen Positionen, andererseits greift die systematische, umfassende Unterdrückung in jeden Lebensbereich ein. Denn autokratische Regierungen integrieren Frauen häufig strategisch in politische Strukturen, um ihre eigene Legitimität zu stärken, geben ihnen jedoch eine Position ohne echte Ermächtigung. So findet man Frauen in den Regierungskabinetten des Landes wieder, meist werden sie sogar länger gehalten und seltener entlassen als ihre männlichen Kollegen. Und trotzdem hängt ihre politische Einflussnahme auch immer von ihrer politischen Anpassung ab. Denn die Kontrolle liegt am Ende in der Hand des autoritären Führers – und zumindest momentan gibt es kein autoritäres Regime, das von einer Frau geführt wird.
Zudem erfahren Frauen in diesen Ländern immer wieder Formen der staatlich geförderten Gewalt und Diskriminierung, die sich in geschlechtsspezifischer Gewalt und reproduktiver Unterdrückung äußern. In konservativen Gesellschaften ist ihr Status oft eng mit ihren Rollen als Mütter und Hausfrauen verbunden, während in einigen Ländern selbst die Bewegungs- und Redefreiheiten eingeschränkt werden. So dürfen etwa in Afghanistan nach den Dekreten der Taliban Führung Frauen weder an Schulbildung teilnehmen, an öffentlichen Orten singen, ihre Meinung äußern oder durch ein Fenster ihres Hauses gesehen werden. All das sei Erregen öffentlichen Ärgernisses und könnte als Sexualisierung des weiblichen Dasein verstanden werden, so die Taliban. Oft werden aber auch Gesetze und Politiken implementiert, die oberflächlich die Rechte der Frauen fördern, am Ende jedoch nur das Bild einer fortschrittlichen und modernen Regierung erzeugen, während die tatsächliche Gleichstellung und Bekämpfung patriarchaler Strukturen außen vor bleibt. So hat die Frauenquote im türkischen Parlament in den letzten Jahren einen neuen Hochstand erreicht, während die Gewalt an Frauen und Femizide im Land stark zunehmen. In Ländern wie der Türkei existieren zwar rechtliche Rahmenbedingungen, die Frauenrechte unterstützen sollen, doch die Umsetzung bleibt inkonsistent und unzureichend. So können Frauen zwar politische Sichtbarkeit durch Geschlechterquoten gewinnen, doch ihre tatsächlichen Möglichkeiten zur Einflussnahme und die Sicherstellung ihrer Rechte bleiben stark begrenzt.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Frauen in manchen autokratischen Regimen zwar Teil der politischen Elite sind, doch die Realität oft von politischen Kämpfen und Anpassung geprägt ist. Das Zusammenspiel von Resilienz und Repression prägt ihre Erfahrungen und macht deutlich, dass ihr Kampf gegen das autoritäre Patriarchat und für eine gehörte Stimme von harten Widerständen geprägt ist:
Russland
Polina Filippova (Radio Sakharov, Correctiv)
Eine Frau in Russland zu sein bedeutet, zu wissen, wo der eigene Platz ist.Es ist illegal, LGBTQI+ zu sein, denn dann gehört man einer „extremistischen Bewegung“ an. Ein neues Gesetz verbietet sogenannte “Kinderlosen-Propaganda“. Die Botschaft ist klar: Halte den Mund, gehorche und setzte Kinder auf die Welt. Geschichten von Widerstand kommen nie ohne Konsequenzen, und es ist herausfordernd, positiv zu bleiben, aber lasst es uns trotzdem versuchen. Als man mich bat, über die Rechte der Frauen in Russland zu schreiben, beendete ich gerade eine Podcast-Aufnahme – ein wöchentlicher Überblick über Menschenrechtsverletzungen in Russland: Eine 70-jährige Frau wird wegen eines Anti-Kriegs-Kommentars eingesperrt. Eine Tänzerin wird verhaftet, weil sie in der Nähe eines Kriegerdenkmals tanzt. Zwei Frauen erhalten Strafen, weil sie am „falschen“ Ort Kaffee gekocht haben. Die Künstlerin Lyudmila Razumova wurde offiziell in Einzelhaft gebracht, weil sie Süßes aß. So der offizielle Grund. Die Wirklichkeit: weil sie ihre Meinung sagte und „Putler kaput“ an eine Wand sprayte.
Nun, diese Worte sind nicht so ermutigend ausgefallen, wie ich es erhofft hatte. Und dennoch – all diese Geschichten zeigen noch immer, dass selbst im Kleinsten Widerstand existiert und Frauen in ganz Russland versuchen, ihr Leben so zu leben, wie sie es für richtig halten, egal was die Regierung ihnen sagt, und das ist doch immerhin etwas.
Türkei
Scholar at Risk
Es ist das Jahr 2025 in der Türkei. Trotz Gesetzen, die Gleichstellung versprechen, wirft die sexualisierte Gewalt einen langen Schatten über die türkische Gesellschaft, wobei Femizide grausamerweise weit verbreitet sind. Die fehlerhafte Umsetzung bestehender Gesetze zeigt sich in der ungerechtfertigten Inhaftierung von fast 200 Frauen während der Proteste zum Internationalen Frauentag am 8. März. Eigentlich ein Beweis für eine lebendige, aber fragile Demonstration des Widerstands gegen systematische Unterdrückung.
Der Rückzug der Türkei aus der Istanbul-Konvention im März 2021 hat die Situation weiter verschärft; die Plattform „We Will Stop Femicide“ berichtet, dass seitdem mindestens 1.318 Frauen von Männern getötet wurden. Die begrenzte politische Teilnahme von Frauen spiegelt sich in ihrer geringen Sichtbarkeit von nur 17,4% im Parlament wider. Während die rechtliche Gleichstellung am Arbeitsplatz versprochen wird, zwingt die zunehmende “Gender Pay Gap” viele überqualifizierte Frauen in schlecht bezahlte, harte Jobs. Der Zugang zu sexueller und reproduktiver Gesundheitsversorgung bleibt eingeschränkt und das Recht auf Abtreibung wird durch politische Entscheidungen vor Ort behindert.
Afghanistan
Hawagul Attayee (Porsa Media)
Vier Jahrzehnte des Krieges haben Afghanistan verwüstet, was zunehmend zu religiöser Radikalisierung und dem allmählichen Verschwinden moderater islamischer Perspektiven geführt hat. Die Opfer, die dadurch am meisten leiden mussten, sind die afghanischen Frauen, besonders in ländlichen und konservativen Gebieten, wo patriarchale Traditionen tief verwurzelt bleiben. Bereits vor der Rückkehr der Taliban im August 2021 war Afghanistan einer der gefährlichsten Orte für Frauen, doch ihre Machtübernahme hat die Lage der Frauen in kürzester Zeit gravierend verschlechtert. Zwei Jahrzehnten des Fortschritts, die mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft erzielt wurden, sind so rückgängig gemacht worden.
Unter den strengen Moralgesetzen der Taliban wurden afghanische Frauen ihrer grundlegendsten Rechte beraubt, einschließlich Bildung, Arbeit und Bewegungsfreiheit. So ist ihnen der Zugang zu Parks, Fitnessstudios und Sportvereinen untersagt und auch Reisen ohne männlichen Vormund sind stark eingeschränkt bis untersagt. Afghanistan baut heute auf einem repressiven System auf, das von Menschenrechtsorganisationen als „Geschlechterapartheid“ bezeichnet wird. Bei einer UN-Veranstaltung zur Sensibilisierung für die Rechte afghanischer Frauen beschrieb die Hollywood-Schauspielerin Meryl Streep die katastrophale Lage und sagte, dass „Katzen mehr Freiheit haben als Frauen in Afghanistan“, da selbst eine Katze draußen sitzen, die Sonne genießen oder ein Eichhörnchen im Park jagen kann. Während die Taliban behaupten, Maßnahmen gegen patriarchale Traditionen einzuleiten, werden diese Bemühungen von ihrer tagtäglichen systemischen Unterdrückung überschattet. Die umfassende Unterdrückung von Frauen und Mädchen führt dabei zu Angstzuständen, Depressionen und Hoffnungslosigkeit, da Familien um die Zukunft ihrer Töchter fürchten.
Doch trotz der brutalen Einschränkungen setzen afghanische Frauen ihren Widerstand fort – durch Aktivismus, Bildungsnetzwerke und internationale Advocacy-Bemühungen, die durch die widerstandsfähige afghanische Diaspora gestärkt werden. Ihr Kampf um Gerechtigkeit bleibt unerschüttert und wird Tag für Tag selbstbewusster. Die Stimmen afghanischer Frauen sind weiterhin in Parlamenten, Menschenrechtsorganisationen und Medien weltweit zu hören, was sicherstellt, dass ihr Leid und Kampf eine globale Angelegenheit bleibt. Ob durch verdeckte Schulbildung für Mädchen in Afghanistan oder politischen Aktivismus im Ausland – afghanische Frauen weigern sich zu schweigen und beweisen, dass ihr Kampf für Gerechtigkeit keine Grenzen kennt.
Belarus
Maria Savushkina (The Free Media Center)
Kurz nach dem 8. März ist es wichtig, sich auch an ein Land zu erinnern, in dem feministische Ideen und Aktivismus als “gefährlicher Extremismus” gelten. Belarus ist unter den 30 Jahren Diktatur durch Aliaksandr Lukaschenka zu einer der härtesten Umgebungen für den Schutz der Frauenrechte weltweit geworden.
Belarusische Beamte erklären ganz öffentlich, dass die gesellschaftliche Rolle der Frau die der Hüterin des Hauses ist. Das Land hat eine Liste von 94 Berufen, die durch das Ministerium für Arbeit offiziell für Frauen verboten wurden. Nach den belarusischen Frauenprotesten von 2020 wurden Zufluchtsorte für Opfer von häuslicher Gewalt geschlossen, ebenso wie Dutzende feministischer Menschenrechtsorganisationen. Viele Aktivistinnen wurden dabei entweder verhaftet oder gezwungen, das Land zu verlassen.
Darya Afanasyeva, geboren 1995, eine belarusische Aktivistin und feministische Bloggerin, verbrachte drei Jahre (2021–2024) im Gefängnis für ihr Aufbegehren und ihre Überzeugungen. Sie sprach immer wieder über die besonders harte Behandlung von Frauen in belarusischen Gefängnissen: „Trotz der Liste der verbotenen Berufe gilt dies im Gefängnis nicht. Frauen entladen LKWs und Metallkonstruktionen, tragen Ziegel und Eis.” Selbst unter diesen harten Bedingungen gab Darya nicht auf, sondern klärt heute weitere Gefangene über ihre Rechte auf. Am 7. März 2025 wurde Darya Afanasyeva in Berlin zusammen mit zwei weiteren belarusischen Feministinnen mit dem Anne-Klein-Frauenpreis 2025 ausgezeichnet.
Diese Geschichten der Herausforderungen und Kämpfe sind erschütternd und inspirierend. Frauen in Ländern wie Russland, der Türkei, Afghanistan und Belarus kämpfen unermüdlich für ihre Rechte und schaffen Netzwerke des Widerstands, selbst unter extremen Bedingungen. Ihr Streben nach Gleichberechtigung und Gerechtigkeit ist nicht nur ein persönlicher Kampf, sondern auch eine kollektive Bewegung, die internationale Aufmerksamkeit und Solidarität erfordert. Diese Frauen erinnern uns daran, dass selbst in den dunkelsten Zeiten der Widerstand eine Quelle der Hoffnung und des Wandels sein kann. Ihr unerschütterlicher Wille, ihre Identität zu bewahren und für ein selbstbestimmtes Leben einzutreten, ist ein starkes Zeichen für die Kraft des weiblichen Widerstands in der heutigen, von patriarchalen Strukturen durchzogenen Welt.
Redigatur: Nora Pohl
Grafiken: Viera Zuborova
Kommunikation und Social Media: Katharina Roche