Flucht & Migration

Wir danken Euch

Seit Dezember haben wir bei CORRECT!V eine Crowdfunding-Plattform. Die Recherche über die Unsichtbaren ist die erste Veröffentlichung, die Ihr dort finanziert habt. Dafür danken wir Euch herzlich. Jetzt beginnen wir mit dem zweiten Teil unserer Recherche: Wir wollen die Unsichtbaren nicht als Einzelschicksale begreifen, sondern ihre Probleme über möglichst viele Kontakte verstehen.

von Florian Bickmeyer

© Ivo Mayr

Im November haben wir uns Fragen gestellt, auf die wir keine Antworten wussten. Wir kannten diese Zahlen eines EU-Forschungprojektes: Hunderttausende lebten danach in Deutschland, die gar nicht im Land sein dürften – und Millionen in den anderen Ländern Europas. Es sind Menschen, die ihre Geschichte nur mit den engsten Vertrauten teilen. Sie leben ohne gültige Papiere, sie sind illegal eingewandert oder sie sind geblieben, als sie ausreisen sollten. Keine Behörde weiß mehr von ihnen. Wir nannten sie deswegen „Die Unsichtbaren“.

Wir fragten uns: Welche Rechte haben diese Menschen? Wie ergeht es ihnen? Wie verdienen sie ihr Geld? Wer sind sie eigentlich? Ist es überhaupt möglich, in einem Land zu leben und den Behörden nicht zu begegnen? Oder sie nicht zu brauchen? Was machen diese Menschen, wenn sie krank werden? Wer hilft ihnen? Vor wem haben sie Angst? Oder wovor? Und wieso? Haben sie einen Traum? Leben sie freiwillig ohne Papiere? Ist es ihre einzig verbliebene Chance? Was bräuchten sie dann?

Wir wollten das alles wissen.

Und dann wir fragten uns: Ihr auch?

Crowdfunding erfolgreich

Wir wussten es nicht. Zwei Monate später hatten wir gezittert und gehofft, dann war klar: Ihr wollt es auch wissen – und Ihr helft uns dabei, es herauszufinden.

4000 Euro habt Ihr uns gespendet, nachdem wir unsere Fragen zu einer Recherche gemacht haben, die wir über die damals bei CORRECTIV neue Crowdfunding-Plattform finanzieren wollten. Ziel erreicht. Dank Eurer Hilfe und Eurem Interesse. Es ist nicht nur Geld, das Ihr uns für unsere Arbeit gegeben habt, es ist auch Vertrauen. Und es sind Anregungen und Hinweise, Kritik und Lob.

Bei den Crowdfundern

Miriam Heising, Thomas Angeli, Denis Bartelt, Frank Ostrowski, Michael Rasenberger und Christian Schwägerl

bedanken wir uns dafür ausdrücklich und von Herzen. Auch natürlich bei den vielen Spendern, die uns anonym unterstützt haben. Ihr alle habt die bisherige Recherche über die Unsichtbaren erst möglich gemacht. Ihre Veröffentlichung in der vergangenen Woche ist unsere erste, die Ihr als Crowdfunding finanziert habt. Seit Dezember haben fast alle Projekte auf der Crowdfunding-Plattform von CORRECTIV ihren Projektbeitrag erreicht. Die Reporter der Projekte haben ihre Arbeit weiter verfolgt – und wir freuen uns auf die kommenden Veröffentlichungen, die Ihr möglich gemacht haben werdet.

Helft uns bei der Recherche

Die Recherche über die Unsichtbaren ist mit dieser ersten Veröffentlichung noch lange nicht abgeschlossen und sie ist nicht nur ein Crowdfunding-Projekt. Sie ist auch ein Crowdsourcing-Projekt. Wir möchten möglichst viele von Hunderttausenden Unsichtbaren in Deutschland und Millionen in Europa erreichen. Wir möchten ihre Leben verstehen über ihre Masse, nicht mehr nur als Einzelschicksale. Wir möchten Strukturen finden, Gemeinsamkeiten und Unterschiede.

Wir haben unsere Fragen an die Unsichtbaren in einem Fragebogen zusammengefasst. Erst nur auf Deutsch, dann auf Französisch und Englisch, mittlerweile auch auf Arabisch, Spanisch, ItalienischRussisch, Farsi, Serbokroatisch und Türkisch

Diesen Fragebogen werden wir jetzt zu den Unsichtbaren bringen, in die Arztpraxen und Anwaltskanzleien, zu den Kirchen, den Flüchtlingsdiensten, den Gewerkschaften – überall dorthin, wo jemand mit Unsichtbaren zu tun haben kann.

Wir suchen möglichst viele Antworten, um eine einzigartige Datenbank zu schaffen. Mit tausenden Antworten von Unsichtbaren finden wir vielleicht Missstände, von denen wir noch gar nichts ahnen. Wir wissen, dass Unsichtbare häufig auf dem Bau, in der Pflege oder in der Gastronomie arbeiten. Aber wo noch? Wer nutzt sie aus? Gibt es gar eine Branche, die von den Unsichtbaren als billige Arbeitskräfte abhängig ist? Mit tausenden Antworten werden wir besser verstehen, woher diese Menschen gekommen sind, auf welchen Wegen und wieso. Mit tausenden Antworten werden wir auch besser verstehen, wer diese Menschen sind, was sie können und was sie sich erhoffen.

Ihr helft uns, wenn Ihr unseren Fragebogen teilt. Auf Facebook, auf Twitter oder wenn Ihr einfach anderen davon erzählt. Fast jeder kennt jemanden. Noch viele mehr kennen jemanden, der jemanden kennt. Vielleicht kennt auch Ihr Unsichtbare – und wisst es noch gar nicht. Oder Ihr kennt jemanden, der den Unsichtbaren hilft. Beides habe ich selbst erlebt: Zweimal sprach man mich an, nachdem ich unseren Fragebogen erstmals auf Facebook geteilt hatte. Es waren flüchtige Bekannte, die sich meldeten, aus dem Kreis von hunderten Facebook-Freunden. Dass sie mir bei der Recherche weiterhalfen, hätte ich vorher nicht zu ahnen gewagt. Ich verstand nach den Gesprächen besser, wer gut ist zu den Unsichtbaren und wer schlecht, wovor einige wenige Angst haben oder wovon sie träumen. 

Finden wir es gemeinsam über Tausende heraus, nicht mehr nur über einige.


Update, 4. Juni, 12.30 Uhr: Wir haben den Fragebogen nunmehr auch ins Italienische übersetzt und dies oben in die Aufzählung eingefügt.