Wie Trump internationale Medien schwächt
Hinter dem Ende der US-Auslandshilfen durch „USAID“ steckt offensichtlich mehr als eine Sparmaßnahme. Für Donald Trump ist das ein Mittel, kritische Medien zu mahnen – und Berichterstattung einzudämmen. Ein investigatives Mediennetzwerk musste bereits Dutzende Menschen entlassen.
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Das internationale Recherchezentrum OCCRP ist vom Ende der US-Auslandshilfen durch die Regierung unter Donald Trump hart getroffen. Drew Sullivan, Herausgeber der Organisation, bestätigt CORRECTIV, dass als Reaktion über 40 Personen unmittelbar entlassen werden mussten.
Ausgesprochen „Organized Crime and Corruption Reporting Project”, konzentriert sich das investigative Medienhaus auf die Aufdeckung grenzüberschreitender organisierter Kriminalität. Es ist fast überall auf der Welt aktiv. Das Jahresbudget beträgt rund 22 Millionen Euro, rund 50 Prozent davon stammten 2024 aus staatlichen Quellen der USA.
Nach einem Vorstoß der Trump-Regierung setzt die Behörde für Entwicklungszusammenarbeit („USAID“) massenhafte Einschnitte im Personal um. Zudem wurden sämtliche Auszahlungen durch „USAID“ an internationale Hilfsorganisationen eingefroren. Betroffen sind davon auch Medienunternehmen.
Die Auswirkungen sind nicht weniger als verheerend – vor allem in Regionen, in denen es der Journalismus ohnehin schon schwer hatte. Die Organisation „Reporter ohne Grenzen“ kritisiert Trump seitdem scharf und ruft die Öffentlichkeit zur Mithilfe und Unterstützung unabhängiger Medien auf.
CORRECTIV hat mit mehreren betroffenen Journalisten gesprochen. Die meisten wollen anonym bleiben. Ob im Balkan oder in Zentralasien: Sie alle berichten von erschwerten Arbeitsbedingungen. Für Medienhäuser wie das OCCRP, das ukrainische Investigativmedium Slidstvo.info oder die Plattform Internews, die Journalisten ausbildet, kam das Einfrieren der Gelder wie ein Schlag.
Immer mehr zeichnet sich ab, dass der als Sparmaßnahme kommunizierte Vorgang mehr sein könnte als das: Nämlich einerseits eine Warnung an verbliebene unabhängige Medien in autokratischen und semi-autokratischen Staaten – und damit einhergehend der Versuch, kritische Berichterstattung im Ausland einzudämmen. Und andererseits ein Signal an autoritäre Machthaber, bei denen sich Trump als jemand positioniert, der ungewollte Störung durch Medien quasi per Knopfdruck abschalten kann.
Angeblich gegen Trump recherchiert: Musk bezeichnete Journalisten des OCCRP nach eigener Darstellung als „Verräter“
Der Fall OCCRP ist diesbezüglich besonders bemerkenswert. Das Zentrum kooperiert im Grunde mit allen wichtigen Medienhäusern weltweit. Vielerorts ist es die einzige Organisation, die noch investigativen Journalismus ermöglicht. Das in Sarajevo und den USA ansässige Unternehmen wurde vielfach mit Journalistenpreisen ausgezeichnet und war zentral an Veröffentlichungen wie den „Panama-Papers“, „Pandora-Papers“ oder den „Pegasus“-Enthüllungen beteiligt. Immer wieder berichtete OCCRP auch über Korruption in Putins Russland.
Vorwürfe aus dem Trump-Lager bekommen so einen faden Beigeschmack: Laut Gründer Sullivan habe sich Elon Musk persönlich gegen OCCRP ausgesprochen – und die Medienorganisation als „Verräter“ bezeichnet, die vor den US-Senat gestellt werden müsste. Sullivan rechnete im Gespräch mit CORRECTIV gar mit der Einrichtung eines Untersuchungsausschusses im US-Parlament, der ähnlich wie der „Ausschuss für unamerikanische Umtriebe“ der McCarthy-Ära in den 50er Jahren Journalisten verfolgen soll.
Der konkrete Vorwurf gegen OCCRP und seine Partnerorganisationen lautet, sie hätten Geld aus einem 20-Millionen-Dollar-Programm der US-Regierung zur Stärkung von Transparenz und Rechenschaft benutzt, um gegen Donald Trump zu recherchieren.
Konkret lautet der Vorwurf, OCCRP habe mit Hilfe des Geldes nachgewiesen, dass sich der Trump-Anwalt Rudy Giuliani ab 2018 mit Geschäftspartnern getroffen habe, um Vorwürfe gegen Joe Biden und dessen Sohn Hunter zu fabrizieren. Diese Geschäftspartner hätten Beziehungen zum organisierten Verbrechen in der Ukraine unterhalten. Dieser Artikel wurde sowohl im US-Parlament zitiert als auch im Amtsenthebungsverfahren von 2019 gegen Donald Trump im Zusammenhang mit einer russischen Einflussoperation im US-Wahlkampf.
Elon Musk und auch rechtsextreme Trump-Anhänger folgerten aus dem Vorwurf gegen OCCRP, dieses Medium sei ein Instrument des sogenannten „Deep State“ gewesen, der gegen Trump gearbeitet habe. Diese Verschwörungserzählung zu Lasten von OCCRP wird nun zur Diskreditierung von USAID – und als eine der Begründungen zur Auflösung der US-Hilfsorganisation benutzt.
OCCRP widerspricht solchen Vorwürfen. Sie seien nichts als eine Verschwörungstheorie: Die Recherche zu Giuliani sei ohne Wissen von „USAID“ recherchiert und veröffentlicht worden. OCCRP habe keinen Kontakt im Zusammenhang mit dem Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump gehabt. Zudem habe niemand die Fakten im Giuliani-Artikel bestritten. Drew Sullivan sagte CORRECTIV dazu: „Das ist Unsinn.“
Die öffentliche Diskreditierung von OCCRP begann bereits kurz nach der US-Wahl im Dezember 2024. Auf Initiative des NDR-Journalisten John Goetz hatte das unabhängige französische Medienportal Mediapart eine Geschichte über OCCRP veröffentlicht, in der es darum ging, dass OCCRP zu großen Teilen aus Mitteln der US-Regierung finanziert wird. Der Artikel insinuierte die staatliche Einflussnahme der USA auf die Berichterstattung und Führungsstruktur von OCCRP. Konkrete Mängel in der Berichterstattung konnte Mediapart jedoch nicht aufzeigen.
Die Organisation bestritt die Vorwürfe und verwies darauf, dass alle Informationen zur Finanzierung offen liegen würden. Investigativer Journalismus sei in vielen Teilen der Welt nur möglich, wenn es staatliche Förderung gebe. Die US-Regierung habe keinen Einfluss auf Recherchen oder Veröffentlichungen nehmen können, deswegen sei auch kein Bericht kritisiert worden.
John Goetz selbst hatte zuvor beim Spiegel und NDR wiederholt Geschichten veröffentlicht, die auf Material von Wikileaks beruhten. Den nach Russland übersiedelten NSA-Whistleblower Edward Snowden traf er in Moskau und beteiligte sich an Sendungen für das deutsche Fernsehen über Snowden.
Die Fehde nahm kürzlich eine rasante Wendung: Drew Sullivan behauptete, dass Goetz ein „russisches Asset“ sei. Verteidiger von Goetz widersprachen der Behauptung, der Vorwurf sei durch nichts belegt. Goetz sei ein linker US-Amerikaner, der dem eigenen Staat misstraue.
Den insinuierten Vorwürfen im französische Portal Mediapart gegen OCCRP, von der US-Regierung kontrolliert zu werden, widersprachen neben OCCRP dutzende renommierte Investigativ-Journalisten weltweit, die mit OCCRP gearbeitet hatten. Es würden Zusammenhänge hergestellt, die nicht existierten.
Und trotzdem: Die von John Goetz initiierten Vorwürfe im Artikel von Mediapart werden seither von russischen Propagandaorganen und rechtsextremen US-Publikationen zur Diskreditierung von OCCRP genutzt.
Die Attacken gegen das OCCRP geben einen Vorgeschmack auf das, was auch anderen Medien blühen könnte, die kritisch über Strafverfahren, fabrizierte Geschichten, Korruption oder ähnliche Machenschaften berichten, in die Teile der Trump-Regierung verwickelt sind. Im Ausland oder Inland.
Auch Ausbildungs- und Unterstützungsnetzwerk „Internews“ bedroht, Situation in Kasachstan fatal
Internews setzte in der Vergangenheit Projekte zur Journalistenausbildung und Unterstützung von regionalen Medien in 100 Ländern um. Ein Großteil der unabhängigen Journalisten in den ehemaligen Sowjetrepubliken von Aserbaidschan bis Usbekistan profitiert in einer oder anderen Weise von Internews – und USAID. Denn einer der wichtigsten Geldgeber von Internews war USAID.
Noch für 2023 setzte Internews zusammen mit USAID ein eigenes Programm auf die Schienen, um regionalen Medien zu helfen, nachhaltig wirtschaftlich zu bestehen.
Offiziell äußerte sich Internews gegenüber CORRECTIV bis zum Erscheinen dieses Artikels nicht dazu, was die USAID-Zerschlagung für die Organisation bedeutet. Journalisten aus Kasachstan berichten CORRECTIV jedoch, dass dort von etwa sechs Projekten vier geschlossen wurden. Die rund 50 Mitarbeiter dort seien um 80 Prozent reduziert worden.
Internews stützt sich noch auf Geldgeber aus der EU und andere Stiftungen, aber mit USAID fällt auch in Kasachstan ein wichtiger Geldgeber weg.
In Usbekistan war Internews zwar nicht registriert, aber Journalisten aus Usbekistan erhielten über Internews Trainings und Stipendien. Auch dieses Programm sei eingestellt worden, sagt die Journalistin Lola Islamova aus Usbekistan gegenüber CORRECTIV.
Auch wenn an der Ausbildung und Training von Journalisten in Zentralasien auch andere Stiftungen aus der EU beteiligt sind – der Wegfall von USAID hat dort fatale Auswirkungen.
Ukrainisches Medium kämpft ums Überleben
Anna Babinets berichtet CORRECTIV von „sehr schlechten Zeiten“. Die Chefredakteurin des ukrainischen Investigativmediums Slidstvo.info leitet ein Team, das gerade jetzt gefragt ist wie selten zuvor. Babinets selbst recherchierte etwa zur Korruption in der ukrainischen Armee, im Sicherheitssektor und auf dem Gas- und Ölmarkt.
Slidstvo.info finanzierte sich zu etwa 80 Prozent durch USAID-Hilfen. Geld, das jetzt fehlt. „Wir sind auf der Suche nach weiteren Geldgebern aus der EU und bitten unser Publikum um Spenden“, sagt Babinets. „Wir haben auch einige Ersparnisse aus der Monetarisierung unserer Videogeschichten auf Youtube.“
Doch für Babinets und ihre Kolleginnen und Kollegen ist es ein Spiel gegen die Zeit. Auch für Slidstvo.info, einem Partnermedium des OCCRP, könnte der Wegfall der USAID-Hilfen bedeuten, Personal – und damit auch kritische Recherchen – reduzieren zu müssen.
Immerhin: Eine Klage von Drew Sullivan, des OCCRP-Gründers, gegen die Trump-Regierung und USAID trägt erste Früchte. Ein Bundesrichter hatte kürzlich die Regierung daran gehindert, Verträge über Auslandshilfe zu annullieren, die vor Trumps Amtsantritt geschlossen wurden.
Bislang ist jedoch völlig offen, ob sich Trump sich an Anordnungen von Bundesrichtern halten wird, die ihm nicht passen. Und so müssen die vom USAID-Kahlschlag bedrohten Medien weiter bangen.