Klimawandel

Klimaschutz-Paket: Was, wieso und wie?

Am Freitag, 20. September 2019, soll das Klimakabinett der Bundesregierung ihr Klimaschutz-Paket vorlegen. Ein zentraler Punkt wird ein konkreter Preis für CO2-Emissionen sein. Dies kann über eine Steuer geschehen oder über den Handel mit Zertifikaten. Was verbirgt sich genau hinter dem Maßnahmenpaket? Wie unterscheiden sich CO2-Steuer und Emissionshandel? Und wer wird wie viel zahlen müssen? Hier einige Antworten auf die wichtigsten Fragen.

von Annika Joeres

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Durch das Klimaschutz-Paket der Bundesregierung könnten Flugreisen zukünftig teurer werden. (Foto: Chuttersnap / unsplash.com)

Worüber entscheidet das Klimakabinett?

Deutschland hat sich verpflichtet, bis zum Jahr 2030 die Emissionen von Treibhausgasen um mindestens 55 Prozent gegenüber dem Stand von 1990 zu senken und bis zum Jahr 2050 eine weitestgehend Treibhausgas-neutrale Gesellschaft zu erreichen. Neutral heißt in dem Fall: Es dürfen keine klimaschädlichen CO2-Gase mehr ausgestoßen werden. Das ist nur möglich, wenn wir unseren Alltag drastisch verändern. Denn Treibhausgase werden bislang zum Beispiel von Autos ausgestoßen, von Tieren in der intensivierten Landwirtschaft, von Tankern und Kreuzfahrtschiffen, von Handy-Fabriken und Kohlekraftwerken. All dies müsste sich bis 2050 verändern oder verschwinden.

Kommenden Freitag entscheidet das Klimakabinett der Bundesregierung über den konkreten Klimaschutz-Plan für Deutschland. Das Ziel: Dem Ausstoß von CO2, dem für den Klimawandel maßgeblich verantwortlichen Treibhausgas, einen Preis zu geben, um die klimapolitischen Ziele erreichen zu können. Eine Möglichkeit dazu wäre die Besteuerung von CO2. Die CDU wiederum setzt sich seit kurzem für einen nationalen Emissionshandel ein.

Nationaler Emissionshandel – was ist das?

Beim Emissionshandel setzt nicht wie bei einer CO2-Besteuerung die Regierung den Preis fest, sondern der Markt: Wird zu viel Sprit und Heizöl verbraucht, steigen die Preise für die Zertifikate, die jeder Öl- und Gasproduzent sowie Lieferant kaufen muss. 

Den Emissionshandel gibt es heute schon auf europäischer Ebene: Seit 2005 müssen Energie- und Industrie-Unternehmen Zertifikate für ihre Emissionen kaufen – oder können sie verkaufen, wenn sie weniger verbrauchen. Die Zertifikate waren allerdings lange Jahre so günstig, dass sie viel weniger eingespart haben, als ursprünglich angenommen.  

Die Zahl der Zertifikate und damit die Menge des CO2-Ausstoßes sollen beim nationalen Handel Jahr für Jahr reduziert werden. Die SPD hatte sich noch vor wenigen Tagen gegen den Handel mit Emissionszertifikaten ausgesprochen. Bei den Zertifikaten gingen politische Steuerungsmöglichkeiten „zugunsten der Marktlogik verloren“, heißt es im SPD-Entwurf für das Klimakabinett. Ebenso sei eine Ausweitung des Europäischen Emissionshandels (ETS) auf andere Industrien keine Option, weil die Verhandlungen „offensichtlich Jahre dauern würden“ und sich „der ETS als krisenanfällig erwiesen“ habe. 

Auch der wissenschaftliche Dienst der Bundesregierung bezweifelt in einem Gutachten von 2018, dass der marktgetriebene ETS “eine Lenkungswirkung” hat, d.h. dass sie tatsächlich den CO2-Verbrauch senken könnte. Trotzdem könnte sich die CDU mit ihrem Konzept durchsetzen – sie ist der mächtigere Part in der großen Koalition. 

Wie funktioniert die CO2-Steuer?

Die CO2-Steuer soll ebenso wie der Emissionshandel die klimaschädlichen Energien aus Öl und Erdgas teurer machen. Sowohl die Steuer als auch die Emissions-Zertifikate würden dabei von den Öl- und Gasproduzenten bezahlt, die diese Verteuerung dann beispielsweise an Tankstellen weitergeben. Mehr würden auch Menschen bezahlen, die in schlecht isolierten Häusern wohnen oder Pendler mit hohem Benzinverbrauch.Theoretisch sind alle Produkte von der Avocado bis zum Handy betroffen, die in einem benzinbetriebenen Schiff oder LKW transportiert werden müssen.

Wieviel mehr es kostet, hängt davon ab, wie hoch der Preis pro Tonne CO2 angesetzt wird. Eine Tonne CO2 entsprechen beispielsweise 70 Kilogramm Rindfleisch. Oder einmal hin- und zurück fliegen von Hamburg nach Athen. In der aktuellen Debatte in Deutschland werden Zahlen zwischen 35 und 50 Euro pro Tonne CO2 als Einstieg genannt. Die deutschen AktivistInnen von Fridays for Future fordern einen Preis von 180 Euro pro Tonne. Alle Modelle zur CO2-Steuer sehen eine schrittweise Erhöhung vor – je nachdem, wie schnell mit der Steuer die Emissionen sinken. 

Die CO2-Steuer wäre nach Auffassung der Wirtschaftsweisen einfach und schnell umzusetzen. Schweden zum Beispiel hat bereits 1991 eine CO2-Steuer eingeführt. Weltweit gibt es rund 60 verschiedene Steuern auf CO2 – von ihnen werden bislang aber nur rund 15 Prozent aller klimaschädlichen Gase abgedeckt. 85 Prozent können also ohne einen Kostennachteil und ohne zusätzliche Steuer in die Luft geblasen werden. 

Was ist der Unterschied zwischen CO2-Steuer und Emissionshandel?

Die CO2-Steuer würde von der Regierung festgelegt werden und sich daran orientieren, wie viel klimaschädliche Gase wir noch emittieren dürfen. Je weniger eingespart wird, desto höher würde der Preis und desto teurer der Konsum. Bei einem Zertifikatehandel für Emissionen hingegen würde der Markt die Preise bestimmen: Wer Emissionen einspart, kann Zertifikate verkaufen. 

Die Mitglieder des Klimakabinetts – SPD- und CDU-Ministerinnen und Minister – werden darum ringen, ihr Gesicht zu wahren. Und sicherlich beide Konzepte vermischen. Auf der Seite der Bundesregierung steht dazu etwas kryptisch: „Das Paket wird voraussichtlich ein Maßnahmenmix aus einer Form der CO2-Bepreisung“ enthalten. Um beide zu verbinden könnte die Bundesregierung beispielsweise Mindestpreise für Zertifikate fest legen – oder zunächst mit der CO2-Steuer starten und anschließend auf Zertifikate umstellen. 

Für beide Varianten liegen verschiedene Modelle vor. Sie unterscheiden sich vor allem in ihrem Mindestpreis für eine Tonne CO2. Und darin, wie einkommensschwache Haushalte das Geld wieder zurück erhalten können. 

Wie stark werden normale Haushalte durch einen CO2-Preis belastet?

Sowohl CDU als auch SPD wollen die gesamten Mehreinnahmen – egal ob aus Steuer oder Handel – an die Bevölkerung zurück erstatten. 

Für die CO2-Steuer sind die Maßnahmen schon konkret: Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaft würde ein CO2-Preis von 35 Euro pro Tonne CO2 rund elf Milliarden Euro Steuern einbringen. Diese könnten beispielsweise durch eine niedrigere Einkommensteuer für untere Einkommen oder durch eine Klimaprämie, also eine Einmalzahlung am Ende des Jahres, an die Bürgerinnen und Bürger zurückfließen. So würden ärmere Haushalte sogar profitieren. 

Stärker betroffen wären Gutverdiener, weil sie schon jetzt überdurchschnittlich den Klimawandel befeuern. Ihr großes Auto, die Kreuzfahrt, die Zweitwohnung, die Urlaubsflüge würden teurer. Die CO2-Steuer würde also nicht nur den Klimawandel bremsen, sondern auch Reichtum in Deutschland umverteilen. 

Wer will die CO2-Steuer?

Von den Parteien wollen sie die SPD und die Grünen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, auch in einem ersten Entwurf der SPD zum Klimaschutzgesetz ist die CO2-Steuer das zentrale Mittel. Für die Grünen ist die Steuer “überfällig”. Wer Umwelt und Klima belastet, dürfe dies nicht weiter umsonst tun.

Der Sachverständigenrat der Bundesregierung spricht in seinem aktuellen Gutachten ebenfalls von einer historischen Chance, die Klimapolitik Deutschlands auf ein einheitliches System umzustellen. Auch zahlreiche Klima-Wissenschaftler setzen sich seit langem für eine CO2-Steuer ein. Das Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung und das Mercator Institut beispielsweise kämpfen seit langem für die CO2-Steuer: Für die Forscherinnen und Forscher ist sie ein zentrales Mittel, um die Klimaziele zu erreichen. Auch die meisten Umweltschutzorganisationen und die Fridays-for-Future-Bewegung sind für eine Besteuerung. 

Wer ist gegen die CO2-Steuer?

Die, die vom laufenden System profitieren und im Falle einer CO2-Steuer mit höheren Kosten rechnen müssten, sind mehrheitlich gegen eine Einführung. Dazu zählen die Arbeitgeber. Die Arbeitgeber in der Auto- und Metallbranche setzen sich beispielsweise über ihre Lobby-Organisation “Initiative neue Soziale Marktwirtschaft” (ISNM) dafür ein, den Emissionshandel weiter zu fördern – und damit beim alten Zertifikatehandel zu bleiben, der schon seit 2005 in der Europäischen Union wirksam ist. Sie sagen, die Rettung des Weltklimas dürfe nicht mit einem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft erkauft werden – und der drohe, so legen es die Publikation des INSM nahe, durch die CO2-Steuer auf alle Produkte. Außerdem wisse niemand, wie sich diese Steuer tatsächlich auf die CO2-Emissionen auswirken würde. Es gibt allerdings zahlreiche Studien über die CO2-Steuer, die genau deren positive Wirkung belegen, beispielsweise vom Mercator-Institut

Auch die CDU spricht sich deutlich gegen die CO2-Steuer aus. ”Eine Steuer kostet viel Geld, bringt aber im Ergebnis wenig“, sagt CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak in einem Interview mit dem Sender n-tv. Die CDU favorisiere deshalb den Emissionshandel. Wenn dieser allerdings mit einem Mindestpreis versehen würde, wäre der Unterschied zur CO2-Steuer relativ gering – nur scheut die CDU das Wort “Steuer”.

Die FDP fordert statt der CO2-Steuer ebenfalls einen CO2-Emissionspreis, der durch einen weltweit vereinbarten Emissionshandel (ETS) gebildet werden soll. Eine neue Steuer sei der falsche Weg, sagte der FDP-Abgeordnete Martin Neumann in einer Bundestagsdebatte. „Wir wollen die CO2-Mengen reduzieren und brauchen dafür den Emissionshandel“, sagte Neumann.