Nach der Dürre: Länder sehen kaum Handlungsbedarf
Deutschland geht das Wasser aus. Bundesregierung und Länder ziehen jedoch kaum Konsequenzen, wie eine gemeinsame Recherche von CORRECTIV und dem SWR zeigt. Davon profitiert vor allem die Industrie.
Historischer Tiefstand im Rhein, Landwirte, deren Ernten auf den Feldern verdorren und Gemeinden, die den Trinkwassernotstand ausrufen. Spätestens dieser Sommer hat gezeigt: In vielen Regionen Deutschlands wird das Wasser knapp.
In Deutschland habe man immer gedacht, es gebe genug Wasser, jetzt herrsche in einzelnen Regionen Dürre, so Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) im Interview mit dem SWR-Investigativ-Format VOLLBILD. „Das wird sich fortsetzen, das geht nicht wieder weg.“ Doch trotz dieser Erkenntnis bleiben weitreichende politische Konsequenzen bei Bund und Ländern bisher aus, wie eine gemeinsame Recherche von CORRECTIV und dem SWR zeigt: Auf eine bundesweite Anfrage gaben nur fünf Bundesländer an, Wassergebühren für die Industrie erhöhen zu wollen oder überhaupt einzuführen. Und auch die Bundesregierung plant keine kurzfristigen Maßnahmen, um den Wasserverbrauch der großen Industrien einzudämmen.
Bisher profitieren vor allem große wasserintensive Unternehmen wie BASF, RWE oder die Chemie- und Nahrungsmittelindustrie davon, dass es für die Wassernutzung der Industrie kaum Beschränkungen gibt. Denn anders als private Haushalte müssen Unternehmen in einigen Bundesländern kaum oder sehr wenig für das entnommene Wasser zahlen. Gleichzeitig haben die größten Wasserverbraucher häufig auf Jahrzehnte genehmigte Rechte, bestimmte Wassermengen aus dem Boden oder auch Flüssen und Seen zu entnehmen.
Dabei könnte es auch erstmal bleiben. Die Bundesregierung arbeitet vor allem an einer „langfristigen Reduktion von Wasserverbräuchen“, so Bundesumweltministerin Lemke gegenüber dem SWR. „Das ist eines der Ziele in der Wasserstrategie.“ In dem Entwurf der „Nationalen Wasserstrategie“ sind vor allem Ziele formuliert, die weit in der Zukunft liegen. Die Rede ist von 2050. Kurz: Es könnte noch rund 30 Jahre dauern, bis die Strategie der Bundesregierung vollständig umgesetzt wird. Als Antwort auf die Dürre könnte das zu spät sein.
Und auch in den Bundesländern sind wenig bis gar keine Maßnahmen geplant, die den Wasserkonsum der Industrie künftig einschränken könnten. Und das, obwohl die Industrie Billionen Liter Wasser jährlich nutzt – vielfach mehr als die privaten Haushalte, wie eine Recherche von CORRECTIV gezeigt hat.
Bundesländer ziehen kaum Konsequenzen aus der Dürre
Trotz dieses Ungleichgewichts planen nur fünf Bundesländer, die Wassergebühren für die Industrie konkret anzugehen. Drei weitere gaben an, sich dem Thema nähern zu wollen, allerdings ohne konkreter zu werden.
Zu den Bundesländern, in denen bereits Maßnahmen geplant sind, zählt auch Sachsen. Der sächsische Landtag diskutiert aktuell über eine Änderung des sächsischen Wassergesetzes. Ziel sei es, „in der Breite Anreize für einen sparsamen Umgang mit der Ressource Wasser“ zu setzen, teilte das Sächsische Staatsministerium für Energie, Klimaschutz, Umwelt und Landwirtschaft mit.
Auch in Hamburg liegt der Bürgerschaft ein Gesetzentwurf vor, der die Gebühren für „alle Entnehmenden“ erhöhen soll, wie es in der Antwort auf die gemeinsame Anfrage von CORRECTIV und dem SWR heißt. Bremen, Saarland und Mecklenburg-Vorpommern wollen die Wasserpreise ebenfalls überarbeiten. Genaue Angaben zu den neuen Preisen machen die Länder allerdings nicht.
Die Landesregierungen in Bayern, Hessen und Brandenburg gaben an, eine Überarbeitung der jetzigen Wasserpreise für die Industrie zumindest in Erwägung zu ziehen. Allerdings ohne konkrete Pläne zu nennen. Für Bayern und Hessen würde eine Anpassung bedeuten, dass auch dort künftig industrielle Nutzer für ihr Wasser zahlen müssten. Bisher war die Industrie in den beiden Bundesländern von Gebühren befreit.
Sechs weitere Bundesländer teilten mit, es gebe keine Pläne, die angesetzten Wasserpreise für industrielle Nutzer anzupassen. Überlegungen zu verpflichtenden Vorgaben oder konkreten Einsparzielen finden sich ebenfalls nicht in den Antworten.
Gebühren für Wasser werden oftmals nicht erhöht
Als Begründung, warum in Sachsen-Anhalt keine weiteren Beschränkungen für wasserintensive Unternehmen geplant sind, verwies das Ministerium für Wissenschaft, Energie, Klimaschutz und Umwelt auf die „gesamtwirtschaftliche Lage“, die keine Erhöhung der Wasserpreise für die Industrie zulasse. Auch die zuständigen Ministerien in Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz wollen die Wasserpreise nicht anpassen.
In Thüringen, wo Unternehmen bisher komplett von Gebühren für die Entnahme von Wasser befreit sind, seien ebenfalls keine Änderungen am Status quo geplant, teilte ein Sprecher des dortigen Ministeriums für Umwelt, Energie und Naturschutz mit. „Es gibt keine Pläne in diese Richtung.“ Konkret bedeutet das: Auch in Zukunft müssen Unternehmen in Thüringen für die Entnahme von Wasser nichts zahlen.
Berlin und Niedersachsen antworteten bis zum Redaktionsschluss nicht auf die Anfrage.
Wie zugeknöpft sich Behörden geben, wenn es um die privaten Nutzer von Wasser geht, zeigt auch eine weitere Recherche von CORRECTIV. Seit Monaten stellen die CORRECTIV-Reporterinnen immer wieder Auskunftsanfragen an die Bundesländer, um herauszufinden, wer die größten Wasserschlucker Deutschlands sind. Die Recherche dauert noch an. Denn noch immer verweigern einige Bundesländer und Landkreise teilweise oder komplett die Auskunft.
CORRECTIV klagt auf Herausgabe von Informationen
Darunter auch die zuständigen Behörden in Sachsen-Anhalt. Trotz einer Anfrage nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) verweigert das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt gegenüber CORRECTIV die Auskunft zu den großen Wassernutzern der Region. CORRECTIV hat daher Klage auf Herausgabe der Informationen eingereicht.
Auch der Berliner Senat lehnt die Herausgabe der Unternehmensnamen ab und begründet dies mit der Verletzung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Auf eine UIG-Anfrage schickte die Behörde nur eine anonymisierte Liste. Darunter ein Zoo, ein Getränkehersteller sowie nicht weiter benannte Industriefirmen.
In Mecklenburg-Vorpommern sind die Landkreise für die Auskunft zuständig. Bisher haben nur drei (Stand 4. Oktober) der sieben Landkreise die angefragten Informationen vollständig geliefert. Zwei der Kreise verweigern die Auskunft.
CORRECTIV bleibt an den angefragten Informationen dran.
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