Faktencheck

Trockenheit an Elbe und Rhein: Diese historischen Extremwetter-Ereignisse beweisen keinen „Klimaschwindel“

Ob Elbe, Rhein oder Bodensee – immer häufiger tauchen im Internet historische Bilder von ausgetrockneten Gewässern auf. Sie sollen einen angeblichen „Klimaschwindel“ belegen. Tatsache ist aber: Trockenperioden gab es schon früher, doch sie werden durch den Klimawandel wahrscheinlicher.

von Sarah Thust

Elbe
Niedrigwasser in der Elbe: Dieses Fährschiff musste am 9. August den Betrieb einstellen (Symbolbild: Picture Alliance / DPA / Jens Büttner)
Behauptung
Hitzewellen und Trockenheit habe es seit vielen Jahrhunderten gegeben, zum Beispiel im Jahr 1540. Dies sei eine schlechte Nachricht für „Klima-Hysteriker“. Dazu geteilte Bilder zeigten die ausgetrocknete Elbe in Dresden im Jahr 1904 und die Loreley am Rhein im Juli 1921.
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Fehlender Kontext
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Fehlender Kontext. Seltene Ereignisse wie extreme Trockenheit werden nicht direkt durch den Klimawandel verursacht. Sie werden jedoch laut Forschenden mit der Erwärmung der Erde wahrscheinlicher und intensiver. Der schnelle Anstieg der globalen Temperaturen im 20. Jahrhundert ist laut Experten beispiellos.

„Schlechte Nachricht für Klima-Hysteriker: Hitzewellen gibt es seit vielen Jahrhunderten“, titelt der Deutschland-Kurier am 19. August auf seiner Website und in einem Facebook-Beitrag. Als Titel- und Beitragsbild wird ein Foto geteilt, das laut Bildunterschrift zwei historische Aufnahmen zeigt: die Loreley am Rhein im Juli 1921 und die Elbe im Juli 1904 – beide Flüsse führen auf den Bildern sehr wenig Wasser. Im Text werden weitere historische „Katastrophensommer“ mit hohen Temperaturen aufgezählt; es ist von einem „Klimaschwindel“ die Rede. 

Die Kommentare unter dem Facebook-Beitrag zeigen, dass einige Nutzerinnen und Nutzer den Klimawandel anzweifeln. Ein Nutzer kommentiert: „Klimapolitik ist dafür da, um die Masse einzuschränken, damit Wohlhabende und Politiker sich mehr CO2 leisten können.“ Eine andere schreibt: „Alles wiederholt sich nach tausenden von Jahren, das will nur keiner wahrhaben. Vielleicht kommt ja bald eine Eiszeit.“

Der Facebook-Beitrag vom Deutschland-Kurier zeigt drei historische Aufnahmen der Elbe aus dem Jahr 1904 und eine Aufnahme der Loreley am Rhein im Jahr 1921 unten rechts.
Der Facebook-Beitrag vom Deutschland-Kurier zeigt drei historische Aufnahmen der Elbe aus dem Jahr 1904 und eine Aufnahme der Loreley am Rhein im Jahr 1921 unten rechts. (Quelle: Facebook / Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Immer wieder werden Extremereignisse aus der Vergangenheit herangezogen, um anzudeuten, den Klimawandel gebe es nicht. Den Klimawandel in Frage stellen können diese Ereignisse laut Experten jedoch nicht. Der rasante Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur seit den 1990er Jahren gilt laut Klimaforschenden als beispiellos – und er hat Folgen weltweit. Trockenheit, starker Niederschlag und andere Wetterextreme werden wahrscheinlicher und intensiver.

Trockenheit im Jahr 1540 stand im Zusammenhang mit überdurchschnittlichen Sommertemperaturen

Wir haben uns drei der „Katastrophensommer“ näher angesehen, die der Deutschland-Kurier in Text und Bild online hervorhebt: 1540 am Bodensee, 1904 an der Elbe und 1921 am Rhein.

Die Hitzewelle im Jahr 1540 beschreibt der Deutschland-Kurier so: „Im Januar 1540 begann dann eine Trockenphase, wie sie Mitteleuropa bis dato nicht erlebt hatte. Elf Monate lang fiel kaum Regen.“

Wir haben bereits im August über die Trockenheit im Jahr 1540 in Bezug auf den Bodensee berichtet. Laut einer Studie der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich von 2016 stand die damalige Trockenheit in Zusammenhang mit überdurchschnittlich hohen Sommertemperaturen in Mitteleuropa (PDF zum Download). Forschende der Universität Bern betonen die extrem wenigen Niederschlagstage für Mittel- und Westeuropa in dem Jahr. 

Ein Sprecher des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung schrieb uns für einen Faktencheck im Juni: Es habe regional und zeitlich schon immer Wetter- und Klima-Schwankungen gegeben, auch mit Extremen. „Das ändert aber nichts daran, dass wir heute im globalen Mittel einen langjährigen und in der Geschichte der menschlichen Zivilisation nie dagewesenen Trend höherer Temperaturen und zunehmender Wetterextreme sehen.“  

Das deutsche Umweltbundesamt beschrieb in einer Veröffentlichung vom Dezember 2021, wie sich der Klimawandel auf den Bodensee in Zukunft auswirken könnte. Dort heißt es, saisonale Schwankungen im Wasserstand des Bodensees erscheinen zunehmend wahrscheinlich. Die Veränderung ergebe sich aus der Verschiebung der Niederschlagsarten wie Regen oder Schnee, und einer abnehmenden Bedeutung der Schneeschmelze (PDF, Download).

Der trockene Sommer im Jahr 1904 an der Elbe sagt nichts über den Klimawandel aus

Den Text bebildert der Deutschland-Kurier mit einer historischen Postkarte, die laut Aufschrift „niedrigen Wasserstand an der Augustusbrücke in Dresden“ zeigt. Dass es die Trockenheit an der Elbe im Jahr 1904 gab und es sich dabei um ein seltenes Wetterereignis handelte, berichteten wir bereits im Juni. Ein Sprecher der Bundesanstalt für Gewässerkunde teilte uns mit, dass extreme Ereignisse wie das damalige Niedrigwasser unter verschiedenen Klimabedingungen auftreten können. Der Klimawandel könne ihre Häufigkeit aber ändern. Insbesondere die jüngere Vergangenheit seit 2011 in Deutschland sei durch eine Sequenz von Dürrejahren charakterisiert.

Die Aufnahmen von der Dresdner Augustusbrücke, die der Deutschland-Kurier verwendet, findet sich auch in einer Bildergalerie eines Berichts der Sächsischen Zeitung von 2017. Die Zeitung berichtete damals, es werde an der Elbe „heißer und trockener“. Forschende weltweit warnen seit Jahrzehnten vor den Auswirkungen des menschengemachten Klimawandels. 

Der Sommer 1921 an Rhein und Loreley zeigt, dass Hitze- und Dürreperioden immer mal wieder auftreten

Rechts unten im geteilten Bild ist außerdem eine Aufnahme von der „Loreley am Rhein im Juli 1921“ zu sehen, wie in der Bildunterschrift zu lesen ist. Die Suche nach dem Bild führt zur Informationsplattform Udine von der Bundesanstalt für Gewässerkunde und dem Bundesumweltministerium. Tatsächlich herrschte dort zwischen 1920 und 1921 Niedrigwasser.

Auf der Plattform Udine findet sich das Foto vom Rhein
Auf der Plattform Udine findet sich das Foto vom Rhein (Quelle: Udine; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Bereits im Juni ordneten wir in einem Faktencheck ein: Hitze- und Dürreperioden sind selten, treten aber unabhängig vom Klima immer mal wieder auf; die langfristige Erwärmung des Klimas verursacht solche Ereignisse nicht direkt. Doch grundsätzlich kann Extremwetter aufgrund des Klimawandels häufiger und intensiver auftreten. Dazu zählen auch Starkregen und Überschwemmungen, wie wir bereits in mehreren Faktenchecks berichteten.

Hitzephasen aus der Vergangenheit unterscheiden sich von heutigen warmen Phasen 

Hitzephasen aus der Vergangenheit werden immer wieder als vermeintliches Argument gegen den menschengemachten Klimawandel benutzt. Suggeriert wird damit, der aktuelle Klimawandel basiere hauptsächlich auf natürlichen Einflüssen und würde sich von allein regulieren. Jedoch unterscheiden sich diese Phasen von der aktuellen globalen Erwärmung in mehreren Aspekten.

Laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC), eine von den Vereinten Nationen ins Leben gerufene Institution, hätten warme Phasen während der letzten 2.000 Jahre häufig nur bestimmte Regionen betroffen (PDF, S. 3). Bei der aktuellen Erwärmung handele es sich dagegen um ein zeitgleich stattfindendes globales Phänomen. Der aktuelle Anstieg der globalen Temperaturen vollziehe sich zudem viel schneller und drastischer als bei vergangenen natürlichen Klimaveränderungen. 

Der starke Anstieg der globalen Temperaturen lasse sich über natürliche Einflüsse allein nicht erklären, schreibt das IPCC weiter. Er ist vor allem durch den menschlichen Ausstoß von Treibhausgasen bedingt, wie wir in einem Faktencheck im Juni 2021 erklärten. 

Eine Grafik mit Daten von Klimamodellsimulationen, die zeigt, dass der aktuelle Anstieg nicht auf natürlichen Faktoren basiert
Klimamodellsimulationen, die menschliche und natürliche Einflüsse auf das Klima für ihre Berechnungen nutzen (grauer Bereich), stimmen mit aktuellen Messungen der globalen Durchschnittstemperatur überein. Modellsimulationen, die nur natürlichen Faktoren miteinbeziehen (grüner Bereich), liegen deutlich unter den Messungen. (Quelle: IPCC Sixth Assessment Report: Working Group 1: The Physical Science Basis. FAQ Chapter 3 (S. 4), Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Der schnelle Anstieg der globalen Temperaturen im 20. Jahrhundert ist beispiellos

Wie ein Bericht des Deutschen Klima-Konsortiums (DKK) von September 2021 zeigt, sind die globalen mittleren Temperaturen in den vergangenen 150 Jahren rasant gestiegen. Darüber berichteten wir in einem Faktencheck im Juli. Ergänzend heißt es auf der Webseite des Klima-Konsortiums: „Ein solches Temperaturniveau gab es laut den verfügbaren paläoklimatischen Daten noch nie während der vergangenen 2.000 Jahre und sehr wahrscheinlich auch nie während der gegenwärtigen Warmzeit (dem Holozän).“ 

Eine Grafik mit dem Temperaturwandel im Holozän, in der auch der aktuelle Anstieg der Temperaturen abgebildet ist
Aktuelle Grafik mit Rekonstruktionen und Messdaten der globalen Mitteltemperaturen im Holozän: Laut des DKK sei die globale Erwärmung um 1,1 Grad in den vergangenen 150 Jahren beispiellos in der menschlichen Zivilisationsgeschichte. (Quelle: Deutsches Klima-Konsortium; Screenshot: CORRECTIV.Faktencheck)

Dass der menschliche Einfluss das Klima in einem Maße erwärmt habe, wie es seit mindestens 2.000 Jahren nicht mehr der Fall gewesen sei – zu diesem Schluss kam das IPCC in einem Bericht über das Jahr 2021. 

Laut einer Pressemitteilung der Freien Universität Berlin aus dem Jahr 2016 trug die Industrielle Revolution bereits spürbar zur globalen Erderwärmung bei. Sie verweist dazu auf die Studie eines internationalen Forscherteams. Demnach begann die Erwärmung in den 1830er Jahren zuerst in der Arktis und in den tropischen Ozeanen, gefolgt von Europa, Asien und Nordamerika.

Redigatur: Sophie Timmermann, Steffen Kutzner 

Die wichtigsten, öffentlichen Quellen für diesen Faktencheck:

  • Was wir heute übers Klima wissen: Basisfakten zum Klimawandel, die in der Wissenschaft unumstritten sind, unter anderem herausgegeben vom Deutschen Klima Konsortium, Juni 2021: Link (PDF)
  • Klimawandel 2021: Naturwissenschaftliche Grundlagen, IPCC, Februar 2022: Link (PDF)