Unversichert in der Klimakrise: Kommunale Gebäude ohne Schutz
Wegen zu hoher Kosten versichern manche Kommunen ihre Gebäude nicht gegen Extremwetter. Im Katastrophenfall müssen dann Bund und Steuerzahler für die Schäden aufkommen. Ein anderes Versicherungssystem könnte Abhilfe schaffen.

Die Klimakrise ist teuer. Das zeigt sich ganz konkret an den steigenden Preisen für Versicherungen gegen Naturkatastrophen. Die höchsten Prämien verlangen Versicherer für Häuser in Risikogebieten – zum Beispiel für den Schutz der Turnhalle in einem Tal, dem Rathaus an der Küste oder der Schule in der Nähe eines Baches.
Nur etwa die Hälfte aller kommunalen Gebäude hat bundesweit eine Versicherung gegen Elementarschäden, schätzt ein Vertreter der Sparkassen Versicherungen. Ausgerechnet einige gefährdete Kreise entscheiden sich gegen die Versicherung, auch weil sie zu teuer ist, wie Recherchen von CORRECTIV zeigen.
„Steigen die Kosten für Versicherungen, steigt auch die Gefahr, dass Kreise oder Privatpersonen bewusst darauf verzichten“, sagt Philipp Wolf von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz. Am Ende müsse dann der Bund einspringen und Betroffene teuer raushauen, so Wolf. „Es sollte deutschlandweit einheitlich günstige Preise für Versicherungen gegen Extremwetter geben – unabhängig vom Standort“, fordert er.
Was ist eine Elementarschadenversicherung?
Elementarschadenversicherungen werden häufig zusätzlich zur Gebäudeversicherung angeboten. Sie schützen vor finanziellen Schäden bei Naturkatastrophen, wie zum Beispiel Flut, Überschwemmungen, Starkregen, Erdbeben oder Erdrutschen.
Die Kosten der Versicherung erhöhten sich in den vergangenen Jahren durch steigende Baukosten und durch häufiger auftretende Extremwetterereignisse wie die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021. Kreise können die Preise auch heute schon selbst senken, indem sie Klimaanpassungsmaßnahmen wie höhere Dämme oder besseren Schutz vor Starkregen oder Überflutung umsetzen. Doch dabei hinken die Kommunen häufig noch hinterher.
CORRECTIV hat in allen Bundesländern – außer den Stadtstaaten – die Kreise und kreisfreien Städte gefragt, die zwischen 2002 und 2022 die höchsten Schäden durch Extremwettereignisse hatten, ob ihre kommunalen Gebäude eine Elementarschadenversicherung haben. Die Daten zu den Schäden basieren auf Berechnungen des Gesamtverbandes Deutscher Versicherer (GDV).
Gera: Schulen statt Versicherungen
Neun der dreizehn angefragten Kreise versichern ihre Gebäude flächendeckend gegen Elementarschäden. In vier der angefragten Kreise hat allerdings keins oder fast keins der Gebäude die Versicherung – zwei der Kreise nennen ausdrücklich wirtschaftliche Gründe für diesen Umstand. Im Landkreis Oberhavel (Brandenburg), im Landkreis Anhalt-Bitterfeld (Sachsen-Anhalt), in Gera und in Kiel hat kein einziges Gebäude eine Elementarschadenversicherung. Aus Kiel schreibt ein Pressesprecher dazu: „Die teils sehr hohen Kosten stehen aus unserer Sicht nicht in angemessener Relation“.
Auch die Stadt Gera will den kommunalen Haushalt nicht zu stark mit Kosten für teure Versicherungen belasten. Dort hat nur ein Schwimmbad im Hochwassergebiet den Schutz vor Elementarschäden. Im Alltag baue man lieber eine Schule oder flicke Straßen, „bevor wir hohe Summen in Versicherungen stecken, die dann über Jahrzehnte keine Wirkung entfalten“, so Claudia Steinhäußer, Pressesprecherin der Stadt. Die letzte große Flut, die 2013 hohe Schäden verursachte, liegt in Gera Jahre zurück. „Möglicherweise muss erst wieder etwas passieren, damit die Abwägung für ergänzende Versicherungen neu getroffen wird“, so Steinhäuser.
Kommunen kämpfen mit steigenden Kosten
In wenigen Fällen ist es Kommunen auch aus anderen Gründen nicht möglich, ihre Gebäude zu versichern: Sie bekommen dafür überhaupt keine Angebote mehr. So zum Beispiel in der Gemeinde Bad Neuenahr-Ahrweiler, die 2021 durch die schwere Flut im Ahrtal verwüstet wurde. Für die kommunalen Gebäude habe man selbst bei europaweiter Ausschreibung 2023 „kein einziges Angebot erhalten“, schreibt eine Pressesprecherin an CORRECTIV. Zusätzlich kämpft man auch dort mit hohen Preisen für Elementarschadenversicherungen. Jährlich seien diese in den vergangenen Jahren pro Jahr um 30 Prozent gestiegen. In ganz Bad Neuenahr-Ahrweiler hat nur ein einziges kommunales Gebäude, das Rathaus, die Elementarschadenversicherung.
Häuser in Deutschland weiterhin versicherbar
Laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherer (GDV) bleibt das Problem der fehlenden Angebote bisher eine Ausnahme. Deutschlandweit seien davon nur 0,4 Prozent aller Gebäude betroffen. Mit Selbstbehalten und Schutzmaßnahmen sei grundsätzlich noch jedes Haus in Deutschland versicherbar, so der GDV.
Wie stark sich die Preise für Elementarschadenversicherungen in den letzten Jahren bundesweit erhöht haben, lässt sich schwer nachvollziehen. Denn die Versicherung ist häufig Teil der Wohngebäudeversicherung. Die Gesamtpreise steigen also auch durch höhere Baukosten. In den angefragten Kreisen berichtet man aber teils von astronomischen Entwicklungen: So seien die Preise im Saarpfalz-Kreis (Saarland) in den vergangenen fünf Jahren zum Beispiel um 161,42 Prozent hochgegangen.
Ein Sprecher der Sparkassen Versicherung schreibt auf Anfrage von CORRECTIV, dass der Schadendurchschnitt von Elementarschäden in den letzten Jahren um 86 Prozent gestiegen sei. Dies sei zwar nicht auf eine gleiche Entwicklung bei den Versicherungen zu übertragen, man habe den Trend aber bei Neukalkulationen „angemessen berücksichtigt“.
SPD-Forderung: Einheitliche Prämien für alle
„Das Hauptproblem ist, dass die Elementarschadenversicherungen zu teuer sind, das gilt für Kreise, Kommunen und Privatpersonen gleichermaßen“, sagt Johannes Fechner, Bundestagsabgeordneter für die SPD. Die Regierung hat sich das Thema Elementarschadenversicherung in den Koalitionsvertrag geschrieben – sie will deutschlandweit eine flächendeckende Versicherung gegen Elementarschäden erreichen.
Fechner setzt sich dafür ein, dass Häuser nicht mehr nach verschiedenen Risikozonen bewertet werden. „Auf den ersten Blick hört sich das ungerecht an“, so Fechner. In Frankreich sei dieses Modell jedoch schon seit Jahren gängige Praxis. Dort habe sich gezeigt, dass dadurch günstige Preise angeboten werden können, da der enorme Aufwand für die Risikobewertung der Grundstücke entfalle, so Fechner.
Kombiniert werden müsse das mit einer echten Versicherungspflicht sowohl für Privatpersonen als auch für Kreise und Kommunen. „Je mehr Immobilien mitversichert sind, desto breiter die Versicherungsbasis und desto günstiger die Versicherungen“, sagt Fechner. „Wenn wir im Sinne günstiger Versicherungen mehr Versicherungen wollen, können wir doch nicht mit einem Opt-Out-Modell den Ausstieg aus dem Versicherungssystem erleichtern, wie es Union und die Versicherungswirtschaft vorschlagen“, so Fechner.
Neben dem Versicherungsschutz tragen Kreise und Kommunen auch eine hohe Verantwortung, den Schutz vor Extremwettern massiv voranzutreiben und Klimaanpassungsmaßnahmen umzusetzen. Sie sollten es verbieten, Häuser in Risikogebiete zu bauen oder zum Beispiel Dämme für den Hochwasserschutz bauen. Dann werden sie auch schon im aktuellen System von Versicherern in niedrigere Risikogruppen eingeordnet und müssen weniger zahlen. Dennoch lassen sich nicht alle Gefahren bannen, oft fehlt das Geld und gerade ältere Häuser können nicht immer schnell umgerüstet werden.
Redaktion: Justus von Daniels, Gesa Steeger
Faktencheck: Gesa Steeger
Hinweise
Sie können die Kosten für eine Elementarschadenversicherung Ihres Gebäudes nicht tragen oder bekommen überhaupt kein Angebot mehr? Schreiben Sie unserer Reporterin Elena Kolb (per Mail an elena.kolb@correctiv.org oder per Signal an +49 151 26942337).