Wärmewende in Stuttgart: Klimaneutralität bis 2035 nicht erreichbar
Eigentlich wollte die Landeshauptstadt mit dem ambitionierten Ziel vorangehen. Nun räumt der Umweltbürgermeister ein: Das klappt nicht wie geplant.

Die Stadt Stuttgart hält ihr Ziel der Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 für nicht mehr erreichbar. Peter Pätzold (Grüne), Umweltbürgermeister der Stadt, sagte bei einer Podiumsdiskussion von CORRECTIV und SWR: „Realistisch ist es nicht mehr wirklich.“ Er wolle dennoch an dem Ziel festhalten, um die Bevölkerung zu motivieren. Für die Liegenschaften der Stadt sei die Marke weiterhin erreichbar.
Er wies zudem darauf hin, dass das Ziel nicht als Pflicht formuliert worden sei, sondern als Absichtserklärung. Die Kommunikation der Verwaltung dazu war allerdings widersprüchlich. So betitelte die Stadt den Gemeinderatsbeschluss selbst mit den Worten „Stuttgart beschließt Klimaneutralität bis 2035“.
Enddatum für die Versorgung mit Erdgas unklar
Kommunale Entscheidungsträger, darunter auch Pätzold und Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU), säten in der Vergangenheit Zweifel an dem Vorhaben, etwa in der Frage, ob dann auch die Gasversorgung in der Landeshauptstadt eingestellt würde – für eine neutrale Klimabilanz wäre das unabdingbar.
In der Bevölkerung sorgte das für Verunsicherung, weil die Zielmarke ein klares Enddatum für fossile Wärme bedeutete und so den Druck für einen Heizungstausch erhöht hatte. Über die Beteiligungsplattform CrowdNewsroom äußerten Bürgerinnen und Bürger ihre Sorgen und forderten Klarheit in dieser Frage. Bei der Diskussionsveranstaltung am Mittwochabend befragten SWR und CORRECTIV politische Verantwortliche, wie es mit der Wärmewende in Stuttgart weitergeht.
Hohe Preise für Strom und Wärmepumpen gefährden Ziele fürs Heizen
Als wesentlichen Grund für den Rückzieher nannte Pätzold bei der Diskussionsveranstaltung fehlendes Geld. Und über eine andere Erklärung waren sich die Podiumsgäste trotz ihrer unterschiedlichen Perspektiven einig: Der Einbau und Betrieb von Wärmepumpen sei in Deutschland viel zu teuer, sagten unisono der Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe Jürgen Resch, der Stuttgarter CDU-Gemeinderat Alexander Kotz und Ulrich Wecker von der Eigentümervertretung Haus & Grund. Allerdings bremse auch die bisherige Energiepolitik der Bundesregierung die Wärmewende in Stuttgart aus, war sich das Podium einig: So verspiele etwa das gesprochene Versprechen aus dem Koalitionsvertrag, die Verbraucherstrompreise zu senken, einen wichtigen Vorteil für den Umstieg auf Wärmepumpen.
Stuttgart hatte im Juli 2022 beschlossen, fünf Jahre früher als das Land Baden-Württemberg und zehn Jahre vor dem Bund Klimaneutralität zu erreichen. Wegen Streitigkeiten mit dem Energieversorger EnBW und der Topografie der Stadt mit ihren vielen Hanglagen galt das Ziel dort als besonders herausfordernd.
Dieser Artikel ist Teil der gemeinsamen Beteiligungsrecherche „Druck im Kessel – Wie trifft mich die Wärmewende?“ von CORRECTIV und SWR. Recherche: Madlen Buck, Katarina Huth, Jann-Luca Künßberg, Lena Schubert (CORRECTIV) Eberhard Halder-Nötzel, Philipp Pfäfflin, Matthias Zeller (SWR) Recherche und Datenauswertung: Tom Burggraf, Katharina Forstmair, Elisa Harlan (SWR Data Lab) CrowdNewsroom: Marc Engelhardt, Sven Niederhäuser (CORRECTIV) Projektleitung: Justus von Daniels (CORRECTIV), Eberhard Halder-Nötzel (SWR) Redaktion: Justus von Daniels, Stella Hesch Faktencheck: Stella Hesch Kommunikation: Esther Ecke, Anna-Maria Wagner, Nadine Winter