Eine Recherche mit Folgen
Hauptsache Rendite. Wie die öffentlichen Pensionsfonds sie erwirtschafteten, das wusste vor unserer Recherche kaum jemand. Jetzt ringen Politiker in mehreren Bundesländern darum, neue Kriterien für Investitionen aufzustellen – klimafreundlich und ethisch verantwortungsvoll.
Rund 400 Millionen Euro haben die Pensionsfonds der Länder in Konzerne investiert, die die globale Erwärmung anheizen. Das ergaben Berechnungen von CORRECTIV im Juli. Es war die erste Recherche dieser Art: Bis dahin wussten weder Bürgerinnen und Bürger, noch die meisten Politiker, wie die Finanzministerien das Geld anlegen, mit dem die künftigen Pensionen der Beamten bezahlt werden.
Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt wollen nun umsteuern.
Am vergangenen Freitag räumte Sachsen-Anhalts Finanzminister André Schröder (CDU) in einer Sitzung des Finanzausschusses ein, sich über die Investitionen bislang wenig Gedanken gemacht zu haben: „Wir haben uns nicht bewusst für Anlagen in den Bereichen entschieden, die von Journalisten kritisiert worden sind.“ Nach CORRECTIV-Berechnung fließen in Sachsen-Anhalt insgesamt 16,9 Millionen Euro in Aktien oder Anleihen von Konzernen, die den Klimawandel befeuern. Weitere 16 Millionen Euro stecken in Anleihen von Unrechtsstaaten wie Aserbaidschan, Kasachstan oder Bahrain. Kurz nach Veröffentlichung unserer Recherche hatten die Grünen beantragt, das Thema im Finanzausschuss zu diskutieren.
Nun will die schwarz-rot-grüne Regierung in Magdeburg über neue Anlagekriterien beraten. Doch der Weg dahin ist weit: Erst wird das Finanzministerium die bisherige Anlagestrategie prüfen, dann wird im Kapitalmarktausschuss des Landtages diskutiert und im kommenden Frühjahr schließlich noch im Finanzmarktausschuss. Am Ende soll dann zwar weiterhin die Rendite am wichtigsten sein – allerdings sollen auch ökologische Kriterien „möglichst“ eine Rolle spielen. Wirklich überzeugt davon, aus problematischen Anlagen aussteigen zu müssen, scheint die sachsen-anhaltinische Regierung nicht zu sein. Der Sozialdemokrat Andreas Schmidt etwa sagte in der Debatte des Finanzausschusses, ethische Anlagen abzugrenzen sei schwer. „Sie sind dann schnell beim Töpfern auf Naturbasis für einen Nahmarkt“, polemisierte der Genosse. Die Fraktion der Linken kritisierte die Zaghaftigkeit der Regierung und beantragte, sich verbindlich auf ökologische Anlagekriterien festzulegen.
Bei der landeseigenen Stiftung Umwelt und Klimaschutz – die den Grünen nahesteht – soll es schneller gehen. Die Stiftung hat entgegen ihrer Grundsätze rund eine Million Euro in Fonds investiert, die Aktien von Klimasündern halten. Nach Informationen von CORRECTIV haben die Leitungsgremien schon in dieser Woche darüber beraten, das Geld möglichst schnell alternativ anzulegen, etwa bei der GLS-Bank. Das Bochumer Geldinstitut investiert nach strengen ethischen und ökologischen Grundsätzen. Ölkonzerne sind ebenso ausgeschlossen wie Firmen, die Gewerkschaftsarbeit unterdrücken oder Gentechnik nutzen.
Das grün regierte Baden-Württemberg will, anders als Sachsen-Anhalt, umgehend handeln – die Grünen bezeichnen sich selbst als „Devestment-Partei“. Grund genug haben sie: Denn im Ländle sind die meisten kritischen Anlagen zu finden: Die Pensionsfonds haben hier rund 190 Millionen Euro in Kohle-, Öl- und Gaskonzerne gesteckt. Jetzt entwickeln die Verantwortlichen neue Kriterien für die Geldanlage – und wollen die Investitionen dann baldmöglichst umschichten: Raus aus Firmen, die mit Kohle und Öl, mit „geächteten Waffen“ oder mit grüner Gentechnik ihr Geld verdienen.
Auch Nordrhein-Westfalen handelt. 2018 legt das Land einen neuen Pensionsfonds auf – der von Anfang an nach ethischen und ökologischen Kriterien investiert.
Das öffentliche Interesse an dem Thema wächst. Die Bürgerbewegung FossilFree zählte vor drei Jahren noch keine einzige lokale Gruppe. Inzwischen engagieren sich in 25 Städten Menschen dafür, dass die öffentliche Hand kein Geld mehr in klimaschädlichen Konzernen investiert. „Erst wurden wir belächelt, heute diskutieren viele Städte mit uns“, sagt Kampagnenführerin Tine Langkamp.
Längst sind es nicht mehr nur Umweltschützer, die auf einen Rückzug aus klimaschädlichen Firmen drängen. Zuletzt hatten die drei Versicherer Aviva, Aegon und Amlin Staaten dazu aufgefordert, nicht mehr in die Öl- und Kohlebranche zu investieren. „Der Klimawandel ist die Mutter aller Risiken – für die Wirtschaft und die gesamte Gesellschaft“, heißt es in der gemeinsamen Erklärung.