Wenn deutsche Beamte mal ein Auge zudrücken
Der Hewlett-Packard-Korruptionsskandal erhielt den Segen einer deutschen Euler-Hermes-Ausfuhrbürgschaft. Bei einer sorgfältigen Prüfung der Dokumente hätten die Ungereimtheiten auffliegen müssen.
Als die russische Generalstaatsanwaltschaft im Jahr 2001 überteuerte Computertechnik beim US-Konzern Hewlett Packard ordert geht es darum, ein Land zu finden, das den Kredit absichert. Im November 2003 beantragt die deutsche HP-Tochter einen Kredit bei der Dresdner Bank, im März 2004 gibt das deutsche Bundeswirtschaftsministerium dem Geschäft seinen Segen. Damit liegt das Risiko des Deals beim deutschen Steuerzahler. Auch deutsche Beamte trugen durch ihre Nachlässigkeit dazu bei, dass Hewlett-Packard über sieben Millionen Euro Schmiergeld an russische Behörden überweisen konnte – und dass sich HP so eine marktbeherrschende Stellung in Russland verschaffen konnte. Zum möglichen Schaden auch von deutschen Computerfirmen.
Gewiss, die HP-Dokumente waren trickreich formuliert. Sie waren bewusst so knapp gehalten, dass sie die Summe, die als Schmiergeld anvisiert war, verschleierten. Hewlett-Packard-Mitarbeiter in Russland hatten eigens eine spezielle Buchhaltung entwickelt, die auch betriebsinternen Prüfungen standhalten sollte. So wurden in Kostentabellen einige Spalten, die sonst üblich waren, ausgelassen – etwa für den Listenpreis, den Rabatt in Dollar und den Rabatt in Euro.
Dennoch fiel der Schwindel intern auf. Ein leitender HP-Mitarbeiter fragte nach, warum die Spalten fehlten – und bekam zur Antwort, dass im Rahmen eines „Rückkaufs“ mindestens 6,6 Millionen in eine Schwarze Kasse verschoben würden. Der Prüfer machte sich daraufhin eine entsprechende Notiz am Rand der Tabelle.
Im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit unter Wolfgang Clement (SPD) schaute man nicht so genau hin. Dort fiel der Betrug nicht auf. Am 12. März 2004 gaben die Beamten grünes Licht für eine Ausfuhrbürgschaft. Eine Woche später erhielt Hewlett-Packard Deutschland die entsprechenden Dokumente von Euler Hermes. Eine Sprecherin des heute von Sigmar Gabriel (SPD) geführten Wirtschaftsministerium sagt: „Angaben zu konkreten Geschäften können leider nicht gemacht werden, da dadurch Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse verletzt werden werden können“. Grundsätzlich sei der Bund aber von der Haftung befreit, wenn klar werde, dass es sich um ein Schmiergeld-Geschäft handle. Mehr will auch Euler-Hermes heute nicht zu dem Fall sagen.
Dabei hätten auch die Mitarbeiter von Euler Hermes bei einer gewissenhaften Prüfung der Dokumente aufmerken müssen.
So wie jene sächsischen Steuerbeamten, die 2007 den Korruptionsskandal aufdeckten. Sie enttarnten die Widersprüche in den Dokumenten — die auch teilweise den Mitarbeitern von Euler-Hermes vorgelegen hatten.
Es gibt weitere Ungereimtheiten. Hätte das Geschäft zwischen Russland und HP überhaupt eine deutsche Ausfuhrbürgschaft erhalten dürfen? Eigentlich nicht. Denn EU-Arbeitsplätze wurden dadurch nicht erhalten oder geschaffen, und es gab kein öffentliches Interesse an dem Fall.
Ja, mehr noch: Vielleicht hat dieses Geschäft sogar deutschen Mitbewerbern geschadet. Davon gehen jedenfalls die sächsischen Ermittler aus. Denn IT-Technik-Anbieter wie Siemens wurden durch den HP-Deal auf viele Jahre aus dem Geschäft mit russischen Behörden gedrängt.
Elena Panfilova, Gründerin von Transparency International Russland, betont, wie wichtig es sei, dass Staatsbürgschaften nur dann vergeben werden, wenn ein Geschäft wirklich zu 100 Prozent sauber ist. „In Ländern, wo Korruption endemisch ist, müssen genehmigende Behörde besonders sorgfältig prüfen und zwei, drei Mal untersuchen, ob eine mögliche Korruption vorliegt“, sagt sie in einem Telefoninterview.
Das haben die deutschen Behörden leider versäumt.
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