Neue Rechte

Machtkampf in der AfD: Wie sich Jörg Meuthen mit Björn Höcke verbündet

Kurz vor der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern ist die AfD mit sich selbst beschäftigt. Der Parteikonvent entscheidet am Sonntag in Kassel, ob ein neuer Vorstand gewählt werden soll. Um eine Machtübernahme Petrys zu verhindern, verbündet sich Co-Parteisprecher Jörg Meuthen ausgerechnet mit Björn Höcke. Dabei widersprechen Höckes Positionen der Forderung Meuthens, sich von Antisemitismus, Rassismus und Extremismus abzugrenzen.

von Marcus Bensmann

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© Philipp Guelland / AFP

Björn Höcke fordert „Inhalte statt Personaldebatten“. Vor dem Parteikonvent der AfD in Kassel will der Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion von Thüringen den innerparteilichen Zwist in der AfD nach eigener Aussage beenden. Dabei bergen gerade die Inhalte Sprengkraft. 

Der Parteikonvent der AfD wird am Sonntag entscheiden, ob auf einem außerordentlichen Parteitag der Vorstand neu gewählt werden soll. Die Zusammenkunft von Delegierten aus Bundesvorstand und Landesverbänden der AfD wurde außer der Reihe einberufen. Höcke und Meuthen sind gegen einen Sonderparteitag und eine neuerliche Vorstandswahl.

Die zweite Vorstandssprecherin Frauke Petry habe anfänglich die Neuwahl auf einem außerordentlichen Parteitag befürwortet, um den Machtkampf zwischen ihr und Meuthen zu klären. Im Sommer 2015 hatte sie bei einem Machtkampf schon einmal Erfolg, als sie den damaligen Gegner und Parteigründer der AfD, den Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke, aus dem Amt gedrängt hatte. Eine Anfrage zu ihrer momentanen Haltung ließ Petry unbeantwortet. Mittlerweile steuere sie aber auf einen Kompromiss zu, erfuhr CORRECTIV aus der Parteizentrale. 

„Dem Vaterland läuft die Zeit davon“

Höckes Haltung ist dagegen klar: Er will auf keinen Fall Neuwahlen. Für weitere Personaldebatten sei keine Zeit mehr, schreibt Höcke in einem Brandbrief gegen einen außerordentlichen Parteitag, den er auf der Webseite der rechten Plattform der AfD „Der Flügel“ veröffentlichte. Das Vaterland sei in Gefahr. „Jedem Patrioten aber, der spürt, dass unserem Vaterland die Zeit davonläuft, daß unser geliebtes Deutschland jeden Tag mehr verschwindet, muß es die Zornesröte ins Gesicht treiben.“ 

„Die anhaltenden Konflikte im Bundesvorstand sind kein Geheimnis“, schreibt Höcke. Diese seien allerdings nicht inhaltlich begründet, sondern „Beziehungskonflikte“. Die Partei könne diese Konflikte aushalten, so Höcke, denn der Vorstand sei für die Partei nicht wichtig. Der Vorstand würde lediglich „Kaffee trinken“ und sich um „Werbematerial“ kümmern. Umso spannender, dass Vorstandssprecher Meuthen sich ausgerechnet mit Höcke gegen Petry verbündet.

Seit Monaten schwelender Konflikt

Der Konflikt zwischen den zwei Vorstandssprechern Meuthen und Petry schwelt seit Monaten. Eskaliert war der Streit zuletzt in der Gedeon-Affäre. Nach der Landtagswahl in Baden-Württemberg waren im Frühjahr die antisemitischen Schriften des AfD-Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon in den Medien diskutiert worden. Damals versuchte Meuthen, nun auch AfD-Fraktionssprecher im Landtag in Stuttgart, den klaren Schnitt. Die AfD dürfe keinen Antisemitismus dulden, sagte Meuthen. Entweder würde Gedeon aus der Fraktion ausgeschlossen, oder er, Meuthen, verliesse diese.
 
Im Machtkampf grätschte Co-Sprecherin Petry dazwischen und reiste nach Stuttgart. Gedeon verließ die AfD-Fraktion. Trotzdem hielt Meuthen an seinem Austritt fest und gründete eine zweite Fraktion. Diese Teilung sorgt in der Partei bis heute für Unruhe. Meuthen hat im Vorstand Alexander Gauland und Beatrix von Storch hinter sich. Und mit Höcke auch den Führer des rechten Flügels der Partei. Petry verlässt sich auf die Parteibasis.

Probleme mit der Abgrenzung nach rechts

Meuthen verteidigte das rigide Vorgehen gegen den Landtagsabgeordneten Gedeon damals mit einer prinzipiellen Forderung an die AfD, sie müsse sich von „Antisemitismus“, „Rassismus“ und „Extremismus“ abgrenzen.

Mit dieser Forderung kommen die Inhalte ins Spiel.

Denn mit dieser Abgrenzung hat die AfD Probleme. Und offenbar auch Meuthen selbst.

So hatte die AfD versucht, ihren Mitgliedern das Auftreten bei Pegida-Demos zu verbieten. Dieses Verbot kippte das Schiedsgericht der AfD am 3. August. 

Die Beziehung zur Identitären Bewegung ist ebenfalls umstritten. Während die patriotische Plattform der AfD sich für eine Zusammenarbeit einsetzt, fordert die Junge Alternative eine Abgrenzung. Diese Abgrenzung der Bewegung wird allerdings allein taktisch begründet. Da die Identitäre Bewegung vom Verfassungsschutz beobachtet wird, könne man ohne eine Abgrenzung Soldaten, Beamte und Polizisten abschrecken, so die Sprecher der Jungen Alternativen.

Angst vor dem „Großen Austausch“

Die Identitäre Bewegung kommt ursprünglich aus Frankreich und vertritt den sogenannten „Ethnopluralismus“. Das bedeutet, jedes Volk müsse sich eigenständig von anderen Völkern entwickeln. Ein zentrales Element in der Ideologie der Identitären ist der ebenfalls aus Frankreich kommende Begriffs des „Großen Austausches“. In der Zuwanderung von Menschen – vor allem aus dem islamischen Raum – sehen die Identitären eine Bedrohung des eigenen Volkes. Oder wie sie es nennen: der eigenen Identität. Als Zeichen dient ihnen der altgriechische Buchstabe Lambda aus dem Film 300 über den Kampf der Spartaner gegen die Perser. 

„Die „Identitäre Bewegung Deutschland“ wird vom Bundesamt für Verfassungssschutz beobachtet, da Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung vorliegen“, sagt ein Sprecher des Bundesamtes für Verfassungsschutzes.

Daniel Fiß von der Identitären Bewegung Deutschland kann die Überwachung nicht nachvollziehen. Die IBD würde sich nicht gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“ richten, sondern mit „provokativen Aktionen“ die aktuelle Regierungspolitik  und die „Masseneinwanderung“ kritisieren, sagt Fiß gegenüber correctiv.org, die „68er-Ideologie“ habe „diese Nation dem Großen Austausch preisgeben“.

Höcke und der Völkermord

Die Angst um den Fortbestand des „Deutschen Volkes“ treibt auch Höcke um.

Am 2. August zitiert Höcke in einem Facebook-Eintrag die Konvention über die Verhütung und Bestrafung des Völkermordes. Dort werden Mord und gezielter Kinderraub aufgeführt. 

Unter dem Text zeigt sich Höcke auf einem Foto. Er sitzt in einem schwarzen T-Shirt auf einem Holzsteg vor Segelbooten. Die Abendsonne scheint ihm ins Gesicht. Darunter eine provokante Frage als Schriftzug: „Gehört die Multikulturalisierung eines gewachsenen Volkes auch dazu?“

Der Begriff der „Multikulturalisierung“ gehört schon länger zu Höckes politischem Wortschatz. Im November 2015 hielt er im Institut für Staatspolitik, einer rechtslastigen Ideologieschmiede in Thüringen, eine berüchtigte Rede über den „lebensbejahenden afrikanischen Ausbreitungstyp“. Damals wollte Frauke Petry den Rechtsaußen aus der Partei entfernen, scheiterte aber. Höcke kam mit einer Verwarnung davon.

Die DDR, ein Staat mit Vertrauensgemeinschaft?

In dieser Rede erinnert sich Höcke, wie er mit seinem Vater den Mauerfall im Westen erlebte. Er sagt, sein Vater hätte die Meldung mit den Worten kommentiert, „Das ist das Ende des deutschen Volkes“. Nach diesem Satz schweigt Höcke in seiner Rede über fünf Sekunden.

Höcke erzählte, sein Vater habe die „Multikulturalisierung“ Westdeutschlands verfolgt und befürchte nun, dass die „multikulturelle Revolution“ von oben in Ostdeutschland nun das erreichen würde, was die „multikulturelle Evolution“ über viele Jahrzehnten in Westdeutschland erreicht hätte. Im Anschluss glorifziert Höcke den Stasistaat DDR, denn dieser sei, „trotz der ideologischen Ferne zu uns für ihn ein Staat, in dem noch die über Jahrhunderte gewachsene und belastbare Vertrauensgemeinschaft in Takt war“. 

„Höckes Weltbild entspringt eindeutig völkischem und rechtsradikalem Gedankengut“, sagt der Extremismusforscher Hajo Funke, Professor an der Freien Universität Berlin. Höckes Weltbild sei sehr ähnlich mit dem Weltbild anderer rechtsradikaler Parteien und Bewegungen wie der Identitäten Bewegung. Im September veröffentlicht Funke das Buch „Afd. Pegida. Gewaltnetze“ im VBB-Verlag.

Daniel Fiß von der Identitären Bewegung wollte Höckes Sorge um die „Multikulturalisierung“ nicht kommentieren. 

Judenfeindliche Schrift

Wer für das von Höckes Vater befürchtete Ende Deutschlands verantwortlich sein könnte, beschreibt ausgerechnet der von Meuthen geächtete Gedeon in seiner Broschüre „Grundlagen einer neuen Politik über Nationalismus, Geopolitik, Identität und die Gefahr einer Notstandsdiktatur“. Nach Gedeon ist der Amerikanismus „der alte jüdische Glaube vom neuen irdischen Jerusalem“. Dieser habe nach 1989 die „Annexion“ Deutschlands und Europas als Ziel gehabt. Diese würde unter anderem durch „Bevölkerungsaustausch“ und „Islamisierung“ geschehen.

Ausgerechnet diese Broschüre von Gedeon, den Meuthen nicht in der AfD-Fraktion dulden wollte, hat Höcke auf Facebook ausdrücklich gelobt. Gedeon beschreibe „den Feind unserer Freiheit in Vielfalt“, so Höcke. Dieses Lob veröffentlichte Meuthens heutiger Bundesgenosse kurz nach dem berüchtigten Vortrag im Dezember 2015. Die Schrift Gedeons, über die Grundlagen einer neuen Politik, hat nach Expertenmeinung eindeutig einen „anitsemitischen Grundton“.

Meuthens Loyalität zu Höcke

Meuthens Loyalität zu Höcke geht weit. Der Wirtschaftsprofessor Meuthen hatte auf dem alljährlichen Treffen des rechtsnationalen Flügels der AfD am Kyffhäuser im Juni diesen Jahres das „gemeinsame Wertefundament“ mit dem „Flügel“ und Höcke konstatiert. Zuvor hatte Höcke von „entarten Inhalten“ der Parteien gesprochen“, den „Furor Teutonicus“ beschworen, und gesagt, dass die AfD die letzte „evolutionäre Chance“ für Deutschland sei.

CORRECTIV hat Meuthen gefragt, wie dessen Forderung nach Abgrenzung gegen „Rassismus, Antisemtismus und Extremismus“ mit Höckes Ideen zusammen passe. Das Büro Meuthen erklärte, vor dem Konvent am Sonntag keine Interviews mehr zu geben. CORRECTIV hat auch Höcke angefragt: zu den zitierten Äusserungen, zu seiner Bewertung der Identitären Bewegung und zu Meuthens Forderung, sich gegen Antisemitismus, Extremismus und Rassismus abzugrenzen. Wir haben keine Antwort erhalten.


Dieser Text ist Teil unseres neuen Recherche-Schwerpunktes „Neue Rechte“.


In einer ersten Version dieses Textes hatten wir Jörg Meuthen in der Überschrift als „liberal“ bezeichnet. Das haben wir inzwischen geändert.