Neue Rechte

Der Arbeiterpakt in der AfD

Der frühere SPD-Mann Guido Reil wird nach seinem Übertritt zur AfD deren Arbeitnehmerlandesverband aufbauen. Reil rechnet mit weiteren Übertritten von Gewerkschaftern und Betriebsräten in die rechtspopulistische Partei.

von Marcus Bensmann

Der Vorstand der AVA in der AfD. Landeschef NRW, Guido Reil, dritter von rechts. AVA-Bundeschef Uwe Witt zweiter von rechts.© David Schraven

Die AfD hat einen Arbeitnehmerflügel. Das ist für viele neu. Dieser Arbeitnehmerflügel nennt sich Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer (AVA) in der AfD. Und diese Vereinigung setzt in NRW nun auf den Essener Bergmann Guido Reil. Der Gewerkschafter und ehemalige Sozialdemokrat soll in NRW den Landesverband der AVA aufbauen. Und der SPD Wählerstimmen vor allem im Ruhrgebiet abjagen. Das bestätigte der AVA-Bundesvorsitzende Uwe Witt nun correctiv.org.

Fernsehen als Karriereschritt

Nach Reils Auftritt in der ARD-Talkshow „hart aber fair“ am 5. November habe der Bundesvorstand der Arbeitnehmervertretung in der AfD den ehemaligen Sozialdemokraten mit der Gründung des Landesverbandes in NRW betraut, sagte Witt: „Unsere Mitglieder aus ganz Deutschland waren von Reil begeistert.“

Reil habe in der Talkshow die richtigen Themen angesprochen, sagte Witt. Anfänglich sah die AVA Reils Übertritt von der SPD zur AfD skeptisch. Er habe als möglicher Karrierist gegolten, der nur einen politischen Job wolle. Nun aber sei klar, dass man mit dem Bergmann den richtigen Mann in den Reihen der AVA habe, sagte Witt.

Reils Parteiübertritt aus der SPD in die AfD im Juli hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Der direkt gewählte Ratsherr aus Essen ist im Norden von Essen, im Stadtteil Karnap, politisch aktiv.

AfD für Arbeiter öffnen

Reil, der auch Mitglied der Bergbaugewerkschaft IGBCE ist, hatte sich Ende letzten Jahres mit der Parteiführung der SPD in Essen und NRW überworfen. Er hatte kritisiert, dass vor allem in den verarmten Norden der Ruhrgebietsstadt die Flüchtlingsheime kämen. 

Nun will Reil die AfD für die Arbeiter öffnen. Weitere Gewerkschafter und auch Betriebsräte hätten ihn kontaktiert, sagt Reil gegenüber correctiv.org. „Sie wollen in die AfD“. Er werde den Landesverband der AVA aufbauen und dann für deren Vorsitz kandidieren.

Für AVA-Chef Witt ist der Bergmann Reil ein wichtiges Zugpferd. Inhaltlich habe die AVA in der AfD schon viel erreicht, sagt Witt. So habe die AVA etwa den Mindestlohn im Parteiprogramm gegen den Willen von AfD-Chef Jörg Meuthen und des Vorstandsmitglieds Beatrix von Storch durchsetzen können. Grundsätzlich vertritt die AfD in Wirtschaftsfragen neoliberale Positionen. Mit dem völkischen Flügel um den Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke aus Thüringen hat Witt nach eigenen Angaben aber wenig am Hut.

AVA macht Punkte

Im AfD-Wahlprogramm für die NRW-Landtagswahlen konnte die AVA ebenfalls Punkte machen. Die Forderungen nach einer Grundsicherung im Alter, nach einer verlängerten Bezugsdauer des Arbeitslosengelds und der Begrenzung von Werkverträgen seien auf Druck der AVA in das Landesprogramm der AfD von NRW aufgenommen worden. Nur bei der Begrenzung der Leiharbeit hätten sich die Arbeitnehmervertreter in NRW nicht durchsetzen können. „Da war die Lobby der Leiharbeitsfirmen zu stark“, sagte Witt.

Witt selbst hat früher bei Thyssen gearbeitet, wurde dann Personalchef bei einem mittelständischen Unternehmen und ist heute in der Behindertenbetreuung aktiv. Der AfD-Mann war auch früher Mitglied der IG-Metall. „Solidarität ist für mich wichtig“, sagte Witt. In der AfD werde er nach eigenen Worten als „Sozialist“ beschimpft.

Witt ist überzeugt, dass sich seine Positionen in der AfD durchsetzen werden. „NRW ist der stärkste Landesverband“, sagte Witt. Wenn sich hier die AVA-Thesen durchsetzen würden, könnte das die Bundespartei verändern.

Arbeiter bisher Außenseiter

Beim Verteilen der Machtposten in der AfD sind die Arbeitnehmervertreter unter Witt aber bisher schwach. Im westfälischen Werl wurde am Wochenende die Kandidatenfindung der AfD für die kommende Landtagswahl fortgesetzt. Bisher waren Arbeitnehmervertreter nicht unter den gewählten Kandidaten. Es kommen Anwälte, Beamte oder Ärzte zum Zuge.

Nach den bisherigen Umfragen kann die AfD bei der Landtagswahl NRW im kommenden Jahr mit 30 Abgeordnetensitzen rechnen. Die zwei AVA-Kandidaten Günther Koch und Horst Gilles wollten ihre Kandidatur erst ab Listenplatz 30 riskieren. Doch dann ging Gilles auf Risiko und kandidierte am Sonntag auf Listenplatz 22 gegen fünf Mitbewerber und scheiterte, der AVA-Schatzmeister bekam nur 12 Stimmen. 

Das war auch die letzte Wahl der zweiten Runde der Kandidatensuche in Werl am Sonntag. Die AfD-Delegierten in NRW müssen also nachsitzen. Bei der dritten Runde hätte dann auch der Bergmann Reil noch Chancen auf einen sicheren Listenplatz. Vermutlich soll die Wahlversammlung im November fortgesetzt werden, heisst es aus Parteikreisen. Bis dahin hätte Reil genug Zeit den AVA-Landesverband aufzubauen und Truppen zu sammeln.

Reil will mit einer Kandidatur bis zur dritten Wahlrunde im November warten. Der Bergmann plant allerdings bereits jetzt in Essen den Justizminister und den SPD-Vorsitzenden von Essen, Thomas Kutschaty, als Direktkandidaten herausfordern.

Im Tandem AVA und Reil könnte die AfD für das klassische Wählerpotenzial der SPD im Ruhrgebiet tatsächlich gefährlich werden. Allerdings läuft die Kandidatenfindung der AfD nicht nach Grundsätzen des möglichen politischen Erfolges. Wer auf einen aussichtsreichen Posten der Kandidatenliste kommt, bestimmen vor allem die Bezirkschefs, sagte ein Delegierter correctiv.org. Selbst Landessprecher Marcus Pretzell kassierte letztes Wochenende bei der Wahl als Spitzenkandidat eine Demütigung. Er konnte sich nur mit knapp über 50 Prozent gegen einen blassen Gegenkandidaten durchsetzen.

Teilnehmer des Parteitags sagten, dass Pretzell direkt neben Reil in Essen-Kray als AfD-Direktmandat antreten könnte. Pretzell selbst wollte dazu auf Anfrage keine Stellung nehmen. Allerdings würde das Gespann Reil und Pretzell in Essen Sinn machen, sagte ein AfD-Mitglied in Werl.


Wir von correctiv.ruhr beobachten in unserem Themenfeld „Neue Rechte“ sehr genau die AfD im NRW-Wahlkampf. Wir glauben, es ist für uns alle wichtig, dass wir in NRW früh Bescheid wissen, wer in der AfD aktiv ist: Was sind das für Personen und welche Agenda haben sie.