Niederlage für Pretzell & Petry
Der starke Mann der AfD in NRW war bisher Marcus Pretzell, der Ehemann von Frauke Petry. Doch Pretzell kassierte am Samstag auf der Landeswahlversammlung in Essen eine empfindliche Niederlage: Die Parteibasis machte ausgerechnet seinen größten innerparteilichen Gegner zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl: Martin Renner. Der liegt voll auf Linie des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke. Damit ist auch Pretzells Strategie gescheitert, das Höcke-Lager auszugrenzen.
Der Co-Chef der AfD in Nordrhein-Westfalen, Martin Renner, gewinnt am Samstag in der Messehalle in Essen die Stichwahl um den ersten Listenplatz für die Bundestagswahl. Renner, der als ausgemachter Gegner des anderen AfD-NRW-Chefs, Marcus Pretzell, gilt, gewann mit 179 Stimmen. Sein Gegenkandidat Kay Gottschalk, ein Mann aus dem Pretzell-Lager, kam nur auf 167 Stimmen. Das Hauen und Stechen innerhalb der AfD, das seit Monaten andauert zwischen dem Petry-Pretzell-Lager und dem Lager um Björn Höcke, Alexander Gauland und Jörg Meuthen geht also munter weiter.
Verlegenheitskandidat aus Hamburg
Der ehemalige Sozialdemokrat Gottschalk hatte sich der AfD-Basis in Essen als moderater Versöhner gezeigt. Er wolle helfen, die Spaltung der Partei in NRW zu überwinden. Für seine Rede erhielt der Wunschkandidat von NRW-Chef Pretzell allerdings nur lauen Applaus.
Der knappe Sieg Renners ist eine Niederlage für Pretzell, der selbst Spitzenkandidat der AfD für die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2017 ist. Nach der Wahl traten Renner und Pretzell in Essen gemeinsam vor die Presse und versuchten die Wogen zu glätten. Die Wahl Renners sei ein Beweis für die demokratische Verfassung der Partei, sagte Pretzell, der allerdings sichtlich gereizt war.
Pretzell ohne Mehrheit
Pretzell hat nun schon zum wiederholten Mal die Mehrheit des eigenen Landesverbandes nicht hinter sich. Die AfD in NRW ist tief zerstritten, die zwei Lager um den rechten Renner und den ein wenig gemäßigter auftretenden Pretzell liefern sich seit einem Jahr einen offenen Schlagabtausch über die Kandidatenaufstellung für die Landtagswahl im Mai.
Erst im vergangenen Monat hatte Pretzell auf einem Parteitag in Oberhausen versucht, Renner von dessen Posten als Co-Chef der AfD-NRW zu entheben. Die dazu nötige Zweidrittel Mehrheit verfehlte er aber.
Höcke und die richtigen Themen
In seiner Antrittsrede sagte Renner, dass der thüringische AfD-Chef Björn Höcke in seiner „Denkmal-der-Schande“-Rede in Dresden „die Themen richtig“ angeschnitten habe, allerdings habe Höcke sie in einer falschen Form wie in einer „Ufa-Wochenschau“ vorgetragen. Er, Renner, würde seit Jahren über genau die gleichen Themen sprechen. So sei die Zuwanderung „rechtswidrig“ und käme einer „Selbstzerstörung unserer Kultur“ gleich, sagte Renner. Linksgrüne Ideologen würden zusammen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel die „Identität“ des deutschen Volkes zerstören, die Bürger würden zu „Systemskalven“ des linksgrünen „Establishments“. Et cetera p.p.
Der AfD-Bundesvorstand hatte nach Höckes Rede am 13. Februar beschlossen, Höcke aus der Partei zu werfen. Bundessprecherin Frauke Petry hatte in einem Brief an die Mitglieder Höcke vorgeworfen, der Partei zu schaden. Die AfD hätte „Unterstützer und Spender verloren, auch der AfD wohlgesonnene Verbände ziehen sich zurück, und die Verankerung in der Gesellschaft wird dadurch immer schwieriger.“
Während Petry und Pretzell das Ausschlussverfahren unterstützen, setzt sich Renner für den Verbleib Höckes in der AfD ein. Vier Tage vor der Wahlversammlung in Essen trat Renner zusammen mit dem anderen Bundessprecher, Jörg Meuthen, auf einer Veranstaltung in NRW auf, in der auch Meuthen unter Applaus erklärte, dass Höcke in der AfD bleiben solle.
Renners völkische Rede
Pretzell gehört zu den scharfen Kritikern der Rede von Höcke. Zum wiederholten Male rühre Höcke „mit größter Ignoranz an einer 12-jährigen Geschichtsepoche, deren Revision wahrlich nicht Aufgabe der AfD ist“, schreibt Pretzell auf Facebook.
Der Sieg Renners ist auch für den Gewerkschafter Guido Reil ein Problem. Der Bergmann aus Essen war im Sommer 2016 von der SPD zur AfD gewechselt und kandidiert sowohl auf der Liste als auch als Direktkandidat in Essen für den Landtag in NRW. Die Abgrenzung von dem völkischen Gerede Renners oder Höckes ist für Reils Wahlkampfstrategie im Ruhrgebiet zentral. „Höckes Reden schaden uns beim Wahlkampf“, sagt Reil.
Die Wahl Renners zum Spitzenkandidat für die Bundestagswahl zeigt die Zerrissenheit des Landesverbandes NRW. Pretzell hat in NRW keine Mehrheit hinter sich und damit ist auch das Machtduo Pretzell/Petry geschädigt. Durch den Wahlsieg Renners hat der Versuch des AfD-Bundesvorstands, sich von den völkischen Tiraden Höckes abzugrenzen, einen Rückschlag erlitten.