Neue Rechte

Die AfD sagt, dass wegen der Flüchtlinge die Sozialabgaben auf über 40 Prozent steigen. Stimmt das?

AfD-Faktencheck, Teil 3. Vorstandsmitglied Georg Pazderski behauptet am 28. Juni 2016 in einer Pressemitteilung: „Die überbordenden Flüchtlingskosten sind einer der Hauptgründe, weshalb die Sozialabgaben 2017 über 40 Prozent steigen werden.“ Das klingt dramatisch. Aber stimmt es auch?

von Linda Fischer

Die Sozialabgaben in Deutschland sind zuletzt minimal gestiegen. An den Flüchtlingen liegt das aber nicht.© Collage von Ivo Mayr

Hier ist das Originalzitat.

Zunächst klingt das plausibel: Wenn hunderttausende Flüchtlinge ins Land kommen, haben auch die Krankenkassen höhere Ausgaben und mittelbar steigen die Ausgaben der Renten- und Arbeitslosenversicherung. Deshalb könnten die Sozialabgaben steigen.

Die „Sozialabgaben“, darunter versteht man die addierten Beiträge für Renten-, Kranken-, Arbeitslosen-, Unfall- und Pflegeversicherung. Sie variieren geringfügig von Jahr zu Jahr. 2016 lagen sie einschließlich der Arbeitgeberanteile bei 39,8 Prozent, also knapp unter der von Pazderski angesprochenen Marke. 2017 werden sie wahrscheinlich um 0,2 Prozentpunkte steigen und die 40 Prozentmarke erreichen.

Die Ursache: Der Bundestag hat am 13. September 2015 beschlossen, das Sozialpflegegesetz zu ändern. Diese Änderung sieht vor, dass es nicht mehr nur drei Pflegestufen gibt, sondern seit dem 1. Januar 2017 insgesamt fünf Pflegestufen. Das soll helfen, individueller auf die Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen einzugehen. Um diese Reform zu finanzieren, wird der Beitragssatz zur Pflegeversicherung 2017 um 0,2 Prozentpunkte angehoben.

Dass sich die Flüchtlingskosten in den Sozialabgaben bemerkbar machen, ist unrealistisch. Die meisten Flüchtlinge sind zu jung, um die gesetzliche Pflege- oder Rentenversicherung zu belasten. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung wäre das zumindest denkbar. Denn Flüchtlinge, die sich länger als 15 Monate in Deutschland aufhalten, werden von der gesetzlichen Krankenversicherung abgesichert.

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Bisher ist hier aber kein Anstieg zu verzeichnen, zumal es sich bei den Flüchtlingen überwiegend um jüngere Männer handelt, die traditionell die geringsten Krankenkassenkosten verursachen. Wie viel deren Absicherung kosten wird, ist schwer einzuschätzen. Die Bundesregierung hat für das Jahr 2017 einen Zuschuss von rund einer Milliarde Euro an die gesetzlichen Krankenversicherungen gewährt, um die Kosten durch die Flüchtlinge zu decken. Die Gesamtausgaben der gesetzlichen Krankenkassen werden für das Jahr 2017 auf rund 230 Milliarden Euro prognostiziert.

Die Versorgung der Flüchtlinge kostet derzeit pro Jahr insgesamt rund 20 Milliarden Euro. Die Ausgaben werden überwiegend aus Steuermitteln finanziert und von Bund und Ländern gemeinsam geschultert. Wie sich die Aufnahme der Flüchtlinge auf lange Sicht auf den Staatshaushalt und die Sozialausgaben auswirkt, ist kaum einzuschätzen. Untersuchungen zeigen, dass Flüchtlinge im Durchschnitt geringer qualifiziert sind als Arbeitsmigranten und länger brauchen, um sich in den Arbeitsmarkt integrieren. Finden sie einen Job, tragen sie zum Bruttoinlandsprodukt bei – und tragen so die Kosten ihrer Unterbringung wieder ab.

Fazit

Die Aussage von Georg Pazderski ist eine Nebelkerze. Der geringfügige Anstieg der Sozialabgaben um 0,2 Prozentpunkte hat kaum etwas zu tun mit den Kosten für Flüchtlinge. Verantwortlich für den Anstieg ist die Erhöhung des Beitragssatzes zur Pflegeversicherung um 0,2 Prozentpunkte.

Der AfD-Faktencheck wurde zusammen mit dem Institut für Journalistik der TU Dortmund erstellt. Die Autoren Björn Bernitt, Linda Fischer, Anastasiya Polubotko und Daniela Weber sind Studierende bei Professor Holger Wormer. Assistenz: Maximilian Doeckel

Quellen