Neue Rechte

Die AfD sagt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Meinungsfreiheit bedrohe. Stimmt das?

AfD-Faktencheck, Teil 5: In einer Pressemitteilung der AfD-Nordrhein-Westfalen heißt es: „Neben 22 TV- und 67 Hörfunksendern, die sich inhaltlich meistens nur marginal von privaten Angeboten unterscheiden, breiten sich ARD, ZDF und Deutschlandradio auch im Internet zunehmend aus – zu Lasten privatwirtschaftlicher Anbieter und damit der Meinungsfreiheit.“ Wieviel Wahrheit steckt in diesem Satz?

von Anastasiya Polubotko

© Collage von Ivo Mayr

Hier geht es zum Originalzitat.

Die Debatte ist so alt wie das Privatfernsehen: Die privaten Sender beklagen eine Wettbewerbsverzerrung, die öffentlich-rechtlichen Kanäle berufen sich auf ihren Bildungsauftrag. Der VPRT, der Lobbyverband der Privatsender, fordert, dass ARD und ZDF ihre Werbezeiten reduzieren, weniger Geld für ihre Online-Angebote ausgeben, ihre digitalen Spartenkanäle einstellen. Neu ist, dass jemand durch den öffentlich-rechtlichen Rundfunk die „Meinungsfreiheit“ bedroht sieht.

Was sind die Fakten?

Jedes Jahr analysiert das Institut für empirische Medienforschung in Köln das Angebot der fünf großen TV-Sender (ARD, ZDF, RTL, Sat1 und Pro7). Das Ergebnis: In der Kategorie „Information“ führt das ZDF mit einem Programmanteil von 44 Prozent, die ARD liegt mit 39 Prozent knapp dahinter. Das ZDF sendet so viel Informationsprogramme wie die privaten Anbieter zusammen. Bei RTL sind es 23 Prozent, bei Sat.1 14 Prozent, bei ProSieben 8 Prozent. In anderen Studien finden sich ähnliche Ergebnisse. Der Informationsanteil bei kleineren privaten Sendern wie VOX, RTLII und Kabel eins liegt noch unter dem von ProSieben.

Wo die AfD also einen „nur marginalen“ Unterschied sieht, spricht der Programmbericht 2015 der Landesmedienanstalten von einem „stark von den privaten Konkurrenten abweichenden Programmprofil“.

Während ARD und ZDF viele journalistische Formate wie Reportagen, Dokumentationen und Talkshows mit einem Schwerpunkt auf Politik ausstrahlen, spezialisieren sich private Sender eher auf Alltagsthemen. Im Radio setzen sich die Unterschiede fort: Der Wortanteil öffentlich-rechtlicher Programme ist im Durchschnitt fast drei Mal so hoch wie der von privaten Stationen. Besonders das Deutschlandradio sticht heraus, mit rund 70 Prozent Wortanteil und einer Ausrichtung auf Politik, Wissen und Kultur. So etwas ist bei privaten Anbietern nicht zu finden. Weil sich die öffentlich-rechtlichen Sender so stark von den privaten unterscheiden, haben sie auch eigene Online-Profile und -Nutzer.

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Es ist somit unwahrscheinlich, dass sie die Entwicklung privater Medien gefährden. Das zeigt auch ein Blick auf die Radiosender in Deutschland. Im Jahr 2016 gab es 64 öffentlich-rechtliche Radiosender, deren Zahl stabil blieb, und 238 private Stationen, sieben mehr als im Vorjahr. Im Fernsehen stehen aktuell 213 privaten Sendern 21 öffentlich-rechtliche gegenüber (die zitierten AfD-Zahlen sind nicht korrekt, dort ist die Rede von 67 Radio- und 22 TV-Stationen).

Private Anbieter befürchten: Würden im Internet beispielsweise alle Kochsendungen der ARD bereits sortiert und immer abrufbar angeboten, entstünde quasi ein eigener Kochkanal. Private Kochsendungen stünden dann in größerer Konkurrenz; sie könnten sich auch den „Luxus“ nicht leisten, ihre Sendungen werbefrei online zu stellen. Aber: Was wie lange in den Mediatheken von ARD und ZDF verbleiben kann, ist streng geregelt und im Vorhinein festgehalten.

Die Online-Konzepte der öffentlich-rechtlichen Sender werden in mehreren Stufen geprüft, zum Beispiel durch externe Marktgutachter. Es gebe in Deutschland Prüfungen von „beispiellosem Umfang“, sagen Medienwissenschaftler. Die Finanzierungsprobleme einiger privater Sender seien nicht dem öffentlich-rechtlichen Angebot geschuldet, sondern den „vorherrschenden Trends und übergeordneten Charakteristika des Onlineangebots und der Onlinenutzung“, schreibt Medienforscher Runar Woldt, der 41 externe Gutachten untersucht hat.

Fazit

Wissenschaftliche Erhebungen zeigen deutliche Unterschiede zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern. Das Online-Angebot der Öffentlich-Rechtlichen wird zudem streng kontrolliert – und korrigiert, sollte dadurch der Wettbewerb gefährdet werden. Auch für die Behauptung, dass das vielfältige Medienangebot in Deutschland „zu Lasten der Meinungsfreiheit“ geht, gibt es keinen Beleg.

Der AfD-Faktencheck wurde zusammen mit dem Institut für Journalistik der TU Dortmund erstellt. Die Autoren Björn Bernitt, Linda Fischer, Anastasiya Polubotko und Daniela Weber sind Studierende bei Professor Holger Wormer. Assistenz: Maximilian Doeckel

Quellen

  • Krüger, Udo Michael: Profile deutscher Fernsehprogramme – Tendenzen der Angebotsentwicklung. Programmanalyse 2015 (Teil 1): Sparten und Formen. In: Media Perspektiven 3/2016, S. 166-185.
  • Die Medienanstalten – ALM GbH: Programmbericht 2015. Fernsehen in Deutschland. Programmforschung und Programmdiskurs. Vistas-Verlag. Berlin 2016
  • Daschmann, Gregor: Qualität von Fernsehnachrichten: Dimensionen und Befunde. Eine Forschungsübersicht. In: Media Perspektiven 5/2009, S. 257-265 // Krüger, Udo Michael: Profile deutscher Fernsehprogramme – Tendenzen der Angebotsentwicklung. Programmanalyse 2015 (Teil 1): Sparten und Formen. In: Media Perspektiven 3/2016, S. 183 ff.
  • Corinna Lüthje: Programm. In: Hans J. Kleinsteuber: Radio. Eine Einführung. VS Verlag. Wiesbaden 2012.
  • Woldt, Runar: Öffentlich-rechtliche Onlineangebote: Keine Gefahr für den Wettbewerb. Erkenntnisse aus den Marktgutachten im Rahmen der Drei-Stufen-Tests. In: Media Perspektiven 2/2011, S. 77.
  • ARD-Werbung Sales & Services. (n.d.). Entwicklung der Anzahl der öffentlich-rechtlichen und privaten Radiosender* in Deutschland in den Jahren 1987 bis 2016. In Statista — Das Statistik-Portal. Zugriff am 31. Januar 2017
  • ALM-TV-Senderdatenbank, Stand:2017, abgerufen am: 31.01.2017, 15:38.
  • Woldt, Runar: Öffentlich-rechtliche Onlineangebote: Keine Gefahr für den Wettbewerb. Erkenntnisse aus den Marktgutachten im Rahmen der Drei-Stufen-Tests. In: Media Perspektiven 2/2011
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