Neue Rechte

Warum es sich für AfD-Mann Markus Pretzell sehr lohnt, sein EU-Mandat zu behalten

Marcus Pretzell, AfD-Vorsitzender in NRW, sitzt in zwei Parlamenten gleichzeitig, in Düsseldorf und in Brüssel. Gern verkauft er sich als Held der Arbeit: Er mache zwei Vollzeitjobs gleichzeitig, zum Lohn von einem. So stellte er es kürzlich auf einer Pressekonferenz dar. Doch so einfach ist das nicht.

von Anna Mayr

© Ivo Mayr

Zwei Vollzeitjobs gleichzeitig, vielleicht ist das einfach zu viel. Seit Ende April 2017 hat Pretzell nicht mehr im EU-Parlament abgestimmt. „Die EU ist kein Selbstbedienungsladen“, kritisiert Ingeborg Gräßle (CDU). Sie sitzt im Haushalts-Kontrollausschuss des EU-Parlaments und hat Pretzell aufgefordert, sein Mandat in Brüssel niederzulegen.

Markus Pretzell lehnt das ab. Natürlich. Wer in zwei Parlamenten sitzt, hat mehr Einfluss. Und auf einer Pressekonferenz hat er kürzlich behauptet, dass es sich für ihn finanziell nicht lohne, zwei Mandate zu haben. Er hätte mehr Geld, wenn er nur im Landtag sitzen würde.

Doch das stimmt nicht.

Tatsächlich werden seine beiden Abgeordneten-Einkünfte miteinander verrechnet. Am Ende bekommt Markus Pretzell das Gehalt eines EU-Parlamentariers: 8.484,50 Euro brutto. Gemäß einer speziellen EU-Steuer bleiben ihm davon 6.611,42 Euro netto. Aber:

4.342 Euro Bürokostenpauschale

Markus Pretzell bekommt von der EU eine Pauschale für Bürokosten über 4.342 Euro – für deren Verwendung die Abgeordneten keine Nachweise erbringen müssen. Sie sollen von dem Geld neben den Kosten für ihre Dienstzimmer eine Geschäftsstelle in ihren Wahlkreisen unterhalten. Allerdings hat Pretzell nach unseren Informationen gar kein Abgeordnetenbüro in NRW. Für seine Büroräume in Brüssel muss er keine Miete zahlen. Wir haben Markus Pretzell gefragt, wofür er die Bürokostenpauschale ausgibt. Und haben keine Antwort erhalten.

Wir haben in der Sache den EU-Abgeordnete Sven Giegold von den Grünen kontaktiert. Er kündigte dabei an, dass die EU-Fraktion der Grünen ab Ende 2017 transparent machen will, wofür sie die Pauschale ausgibt. Nicht benötigte Beträge wolle man ab dann zurückgeben. „Früher sind bis zu 1000 Euro im Monat für Roaming-Gebühren angefallen“, sagt Giegold. Die fallen nun weg, das EU-Parlament hat sie abgeschafft.

Mehrere tausend Euro für Öffentlichkeitsarbeit

Markus Pretzell gehört in Brüssel der Fraktion der ENF an, dem „Europa der Nationen und der Freiheit“, derzeit ist es die kleinste parlamentarische Gruppe. Darin sind die Rechtspopulisten und die Rechtsextreme versammelt. Fraktionsvorsitzende ist Marine Le Pen vom Front National, die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) ist mit von der Partie, die italienische Lega Nord (LN) und die niederländische Partij voor de Vrijheid (PVV). Einziges Mitglied aus Deutschland: Marcus Pretzell von der AfD.

Für Öffentlichkeitsarbeit bekommt die ENF rund 3,2 Millionen Euro im Jahr. Die meisten Fraktionen geben einen Teil dieser Mittel an die einzelnen Abgeordneten weiter. Die Grünen-Fraktion zum Beispiel lässt jedem Abgeordneten etwa 30.000 Euro für Öffentlichkeitsarbeit zukommen. Die Fraktion ENF war für eine Anfrage hierzu telefonisch nicht zu erreichen. Eine Sprecherin des EU-Parlaments betonte, dass die 3,2 Millionen abgerechnet werden müssen. Wenn für die Ausgaben keine Rechnung vorliegt, wird der Fraktion das Geld im nächsten Jahr abgezogen. Der ENF könnte das nun passieren: Sie hat noch bis Ende des Monats Zeit, Rechnungen über 600.000 Euro einzureichen. Den Prüfern fehlten ausreichende Belege, wofür die ENF das Geld verwendet hatte.

24.164 Euro EU-Gehälter für sieben Mitarbeiter

Als EU-Abgeordneter hat Pretzell 24.164 Euro monatlich, um Mitarbeiter zu bezahlen. Momentan arbeiten für ihn sieben Assistenten. Zwei davon an den EU-Standorten Straßburg, Brüssel und Luxemburg. Fünf davon sitzen wahrscheinlich in Deutschland. Unklar ist, in welchem Büro diese fünf Assistenten arbeiten.

4.417 Euro Gehälter für Mitarbeiter im Landtag

Als Abgeordneter im NRW-Landtag erhält Pretzell noch einmal 4.417 Euro, um Mitarbeiter zu bezahlen. Die sollen ihn bei seiner parlamentarischen Arbeit unterstützen. Zu seinen sieben EU-Assistenten kommen also noch mehr Mitarbeiter hinzu. Auf eine Anfrage unserer Redaktion, wie viele Mitarbeiter er über Mittel des Landtags beschäftige, antwortete Pretzell nicht.

Sichere Altersvorsorge

Seine Altersbezüge summieren sich. Mit 63 bekommt Pretzell für jedes EU-Mandats-Jahr 3,5 Prozent seines Parlamentarier-Gehalts. Nach vier Jahren im EU-Parlament hat er also Anspruch auf 14 Prozent von 8448 Euro – das sind etwa 1187 Euro monatlich. Hinzu kommen dann die Altersbezüge als NRW-Abgeordneter.

Der Parteifeind soll nicht ins EU-Parlament

Natürlich gibt es auch politische Gründe, warum Pretzell sich an seinen Sitz in Brüssel klammert: Damit seine parteiinternen Gegner  nicht nachrücken können. Auf der Liste fürs EU-Parlament stehen als nächstes die AfD-Politiker Marc Jongen und Paul Hampel. Beide werden wahrscheinlich im September in den Bundestag ziehen. Ein Doppelmandat ist nicht möglich. Das heißt, dass beide nur für ein paar Monate das Mandat in Brüssel halten könnten – das lohnt sich nicht.

Als „natürlichen Kandidaten“ für seine Nachfolge betrachtet Pretzell selbst den Politiker Dirk Driesang aus Bayern. Bevor allerdings Driesang nachrücken kann, ist da noch jemand: Jörg Meuthen aus Baden-Württemberg steht auf der EU-Nachrücker-Liste. Doch der zählt zu den größten Widersachern von Markus Pretzell und seiner Ehefrau, der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry.