Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors

Grünen-Abgeordnete fordern neuen NSU-Untersuchungsausschuss

In einem Gastbeitrag für das CORRECTIV-Projekt: „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“ fordern der Rechtspolitiker Konstantin von Notz (Grüne) und die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, einen neuen NSU-Untersuchungsausschuss. Die fehlende Aufarbeitung sei eine „schwelende Wunde“ für den Rechtsstaat.

von Sophia Stahl

NSU
Die meisten Fragen vom NSU-Komplex konnten die bisherigen Untersuchungsausschüsse nicht klären. Foto: Arne Dedert/picture alliance/dpa

Am 27. Juni 2001, vor heute fast genau 20 Jahren, wurde der Gemüsehändler Süleyman Taşköprü in Hamburg erschossen. Erst zehn Jahre später stellt sich heraus, dass das NSU-Trio hinter diesem und neun weiteren Morden steckt. Eine lückenlose Aufklärung ist bis heute nicht erfolgt.

Auch deswegen fordern Politiker der Grünen nun, einen neuen Untersuchungsausschuss zum rechtsradikalen Terrornetzwerk Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) einzusetzen. Die bisherige Aufklärung reiche nicht aus, schreiben der stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Konstantin von Notz, und die innenpolitische Sprecherin der Grünen, Irene Mihalic, in einem Gastbeitrag für das CORRECTIV-Projekt: „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“.

Nach Ansicht der beiden Bundestagsabgeordneten sind die wichtigsten Fragen über das Terrornetzwerk nach wie vor ungeklärt: Wie viele Unterstützer hatten die Terroristen? Wie konnte die Gruppe jahrelang ungestört bleiben? Wieso haben die staatlichen Behörden nicht eingegriffen? Welche V-Leute waren in dem Fall verstrickt? All das hätten die Untersuchungsausschüsse auf Bundesebene bisher nicht ausreichend beantworten können.

Für beide Politiker stellt die mangelhafte Aufarbeitung eine Gefahr für die Demokratie dar: „Die offenkundigen Widersprüche und Leerstellen der NSU-Aufklärung halten bis zum heutigen Tag eine schwelende Wunde in unserem Rechtsstaat offen.“ Die Strukturen im „organisierten Rechtsterrorismus“ in Deutschland seien bis heute ungeklärt.

Mihalic und Notz werfen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor, ihr Versprechen nach vollständiger Aufklärung nicht erfüllt zu haben. Vielmehr sei die Aufarbeitung von Sicherheitsbehörden und Regierung oftmals behindert oder blockiert gewesen.

Kommt der neue NSU-Untersuchungsausschuss nach der Bundestagswahl?

Die Forderung hat politische Brisanz. Da zur Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ein Viertel der Stimmen im Bundestag ausreicht, könnte die Fraktion der Grünen nach den derzeit prognostizierten Stimmenzuwächsen einen neuen U-Ausschuss zum NSU in der nächsten Legislaturperiode als Opposition womöglich im Alleingang durchsetzen. Oder sie macht ihn im Fall einer möglichen Regierungsbeteiligung zur Bedingung von Koalitionsverhandlungen.

Auf Bundesebene setzen sich die Grünen für eine umfassende Aufarbeitung im NSU-Komplex ein. In ihrem aktuellen Wahlkampfprogramm fordern sie beispielsweise die Einrichtung eines Archivs über rechten Terror, in dem die Akten aus den verschiedenen NSU-Untersuchungsausschüssen zusammengeführt werden sollen. Gleichwohl verweigerten die hessischen Grünen, die in einer schwarz-grünen Koalition mit der CDU zusammenarbeiten, noch im Mai die Offenlegung der hessischen NSU-Akten.

Der Gastbeitrag von Irene Mihalic und Konstantin von Notz erscheint am 28. Juni 2021 im Rahmen des Projekts „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“. Das Projekt von elf Regionalmedien in Zusammenarbeit mit dem WEISSEN RING unter Leitung von CORRECTIV befasst sich in einer Ausstellung, einem Buch und einer Online-Veröffentlichung mit dem Ausmaß des rechten Terrors in Deutschland. Im Fokus des gesamten Projekts stehen die Menschen, die von Rechtsextremen ins Visier genommen wurden.

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