Rechtsextreme mit Waffenerlaubnis: „Wir müssen noch weiter gehen
Nach der CORRECTIV-Recherche zu Rechtsextremen mit Waffenerlaubnis reagieren mehrere Politikerinnen und Experten. Viele fordern ein entschlosseneres Vorgehen bei der Entwaffnung.
Bisher war nicht bekannt, in welchen Landkreisen in Deutschland Rechtsextreme mit Waffenerlaubnis leben. Eine CORRECTIV-Recherche änderte das: So konnte für mehrere Bundesländer aufgeschlüsselt werden, wo genau die rund 1.000 rechtsextremen Legalwaffenbesitzer ihren Wohnsitz haben.
Nach der Veröffentlichung meldeten sich unter anderem mehrere Politikerinnen und Politiker zu Wort, darunter der Innenminister von Nordrhein-Westfalen und die Innenministerin von Niedersachsen.
Daniela Behrens (SPD): „Wir müssen noch weiter gehen“
Der nordrhein-westfälische Innenminister Herbert Reul (CDU) sagte als Reaktion auf unsere Recherche dem Kölner Stadt-Anzeiger, die Sicherheitsbehörden würden schon jetzt allen Leuten, die einen Waffenschein hätten, genau auf die Finger schauen. Bei der Entwaffnung würden „alle rechtlichen Mittel bis zum Maximum ausgeschöpft.“
Genau diese Mittel reichen Daniela Behrens (SPD), Innenministerin von Niedersachsen, offensichtlich nicht aus: „Ich bin der Meinung, dass wir noch weiter gehen müssen“, sagte sie dem NDR nach Veröffentlichung mit Blick auf Pläne ihrer Parteikollegin, der Bundesinnenministerin Nancy Faeser. Diese will Rechtsextremen leichter Waffen entziehen. Nach den CORRECTIV-Recherchen wird das aber auch in Zukunft kaum möglich sein, weil zentrale Punkte nicht angegangen werden.
Behrens wünscht sich mehr Handhabe: „Meiner Ansicht nach sollten die Waffenbehörden schon dann handeln können, wenn tatsächliche Anhaltspunkte auch nur Bedenken gegen die Zuverlässigkeit einer Person begründen“, sagte sie. Ein entsprechender Vorstoß aus Niedersachsen sei in Berlin gescheitert.
Martina Renner (Linke): „Wer als Rechtsextremist bekannt ist, dem sollte auch die Waffenerlaubnis entzogen werden“
Auch Martina Renner (Linke), Bundestagsabgeordnete und Obfrau im Innenausschuss des Bundestags, wünscht sich eine Verschärfung des Waffenrechts. „Wer den Behörden als Rechtsextremist bekannt ist, dem sollte auch die Waffenerlaubnis entzogen werden. Als Ausnahme vom Waffenverbot ist die Waffenerlaubnis ein Privileg, das nur absolut zuverlässige Bürgerinnen und Bürger erhalten sollten“, sagte Renner CORRECTIV infolge der Recherche.
Laut dem Bundestagsabgeordneten und Vorsitzenden des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Konstantin von Notz (Grüne), sind die aktuellen Pläne von Ministerin Faeser immerhin „ein wichtiger Baustein, um dem Problem zu begegnen“. Die Anschläge von Hanau, Halle und Kusel zeigten eindringlich, dass das Sicherheitsrisiko für die Gesellschaft ernst genommen werden müsse.
Deutscher Journalisten-Verband fordert entschlossenes Vorgehen
Auch die deutsche Journalistengewerkschaft DJV reagiert auf die veröffentlichte interaktive Karte der 1.000 Rechtsextremisten, die legal Waffen besitzen dürfen. „Daraus geht hervor“, sagt DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall, „dass bewaffnete Rechtsextremisten fast überall zu finden sind. Unfassbar.“
Der DJV-Vorsitzende sieht in erster Linie die zuständigen kommunalen Waffenbehörden in der Pflicht, die persönliche Eignung der als Rechtsextremisten bekannten Personen so schnell wie möglich zu überprüfen und die waffenrechtliche Erlaubnis gegebenenfalls einzuziehen. Übergriffe auf Journalistinnen und Journalisten aus der rechtsextremen Szene würden sich in den vergangenen Jahren häufen.
Experte Matthias Quent: Es wäre naiv zu glauben, Rechtsextreme würden Waffen nicht auch nutzen
„Die Zahl rechtsextremer und rassistischer Gewalttaten ist im vergangenen Jahr deutlich angestiegen“, sagt auch der Rechtsextremismus-Forscher Matthias Quent. „In einem angespannten politischen Klima vermischen sich extrem Rechte mit einem radikalisierten Populismus, mit verbreiteten Verschwörungserzählungen und mit offener Demokratiefeindlichkeit.“ Die Gefahr, die von bewaffneten Rechtsextremen ausginge, sei groß.
„Nirgendwo in Europa kommt es so häufig zu rechtsterroristischen Anschlägen und Anschlagsplanungen wie in Deutschland. Es wäre naiv zu glauben, dass rechtsextreme Aktivisten diese Waffen nicht auch einsetzen würden, wenn sie meinen, dass die Zeit dafür gekommen ist“, sagt Quent.