Rechte Influencer auf YouTube: Welche Werbung ideologische Botschaften finanziert
Ein Netzwerk von rechten Influencern verbreitet seine Botschaften auf Youtube. Dabei schaltet es auch fragwürdige Werbung, wie Recherchen von CORRECTIV und „Y-Kollektiv“ zeigen. Auch ein Teilnehmer des Geheimtreffens in Potsdam vom November 2023 ist involviert.
Einigen Influencern auf Youtube erscheint die Welt trist, und sie arbeiten eifrig daran, ihre Zuschauer davon zu überzeugen, dass dem tatsächlich so sei. Da ist zum Beispiel Leonard Jäger. Er ist bekannt als „Ketzer der Neuzeit“ und verbreitet unter seinen rund 425.000 Abonnenten Queerfeindlichkeit und Verschwörungsmythen. Jäger ist der Meinung, dass uns die Demokratie nur „vorgegaukelt“ werde. Das macht ihn auch bei Rechtsextremen beliebt – und bei Unternehmern wie dem neurechten Aktivisten Erik Ahrens.
Ahrens wirbt mit seinem Hörbuchprojekt „Blitzwissen“ in Jägers Videos. Andere Produkte, die dort beworben werden: Stifte aus Dresden oder Backzubehör über Amazon. Zu Ahrens schreibt uns ein Mitarbeiter des „Ketzers der Neuzeit“ Jäger auf die Frage nach der politischen Ausrichtung der Werbung, man habe „aus persönlichen Gründen jegliche zukünftige Zusammenarbeit eingestellt.“ Weitere Fragen wolle er nicht beantworten.
Wie Recherchen von CORRECTIV gemeinsam mit dem Y-Kollektiv zeigen, werden mindestens 17 rechte Influencer auf Youtube von Werbung finanziert – unter anderem durch mindestens ein Unternehmen, das von einem AfD-Funktionär geleitet werden.
Die Verbreitung von Hassrede und extremistischer Propaganda verstößt gegen die Community-Richtlinien von YouTube, die es untersagen, Inhalte zu monetarisieren, die Gewalt, Hass oder Diskriminierung fördern. Auf Anfrage teilte YouTube zugleich mit, dass sie nach interner Prüfung der Kanäle keinen Verstoß gegen ihre Community-Richtlinien feststellen konnten.
Mehrere einschlägige Werber bei Youtubern
Wie es scheint, lassen sich nach unserer Recherche zwei Typen von Werbetreibenden ausmachen:
Zum einen werden Unternehmen verlinkt, die nicht explizit als politisch bezeichnet werden können, jedoch im rechten Spektrum werben. Beispiele sind die Stifteverkäufer Hörner aus Dresden, ein Weinversand aus Mülheim an der Ruhr oder ein Kuchenbackformhändler aus Böblingen.
Der Betreiber der Böblinger Silikon-Backform und AfD-Kreisrat Maximilian Evers bestätigt Correctiv seine Werbeplatzierung. Der Weinhändler Dominic Viertmann bestätigt ebenfalls die Werbung seiner Wein-Firma bei Influencern, will sich jedoch nicht dazu äußern, ob er Mitglied der AfD sei. Allerdings trägt der Schriftführer der Jungen Alternative NRW auf der Webseite der Jungen Alternative NRW den Namen. Und auf der Mülheimer AfD-Webseite erscheint ein stellvertretender Kreisvorstand mit dem gleichen Namen von Dominic Viertmann.
Der Geschäftsführer des Stifteverkäufer Hörner schreibt CORRECTIV, dass ihm die genannten YouTuber und Kanäle persönlich nicht direkt bekannt seien und stellt sich als international tätige Firma dar, die mit vielen anderen Partnern arbeite. Seine Firma werbe zielgruppenorientiert und suche sich die Werbeflächen entsprechend aus. Tatsächlich bietet Hörner ein Werbeprogramm an, mit dem theoretisch jeder mit Rabattcode werben kann, ohne Kontakt zu ihm aufnehmen zu müssen. Andererseits berichtet ein Youtuber aus der Szene im Podcast des rechtsextremen Vordenkers Götz Kubitschek, die Firma Hörner habe „angefangen, Werbung bei Leuten wie uns zu schalten.“ Auch bei dem Treffen der Rechtsextremen im November 2023 in Potsdam wurde Hörner als potenzieller Werber vorgestellt.
Die anderen Werbepartner der YouTuber haben ideologisch explizitere Inhalte: Etwa „Blitzwissen“, das „Freilich Magazin“ oder die „Krautzone“. Die Verantwortlichen des Freilich Magazin antworten, dass sie sich nicht zu Geschäftsbeziehungen mit externen Partnern äußern. Die Absenderin der Mail raunt allerdings kurz später in einem Online-Bericht, aufgrund der Anfragen durch CORRECTIV, von einer „neuen Anti-AfD Kampagne“. Krautzone reagiert bis Redaktionsschluss nicht.
Anders das Portal Blitzwissen: Dessen Projektleiter Erik Ahrens wittert in der Anfrage eine Falle. Er schreibt bei einem Kurznachrichtendienst, CORRECTIV habe eine indische Journalistin vorgeschickt, bei ihm nachzufragen. Dahinter stecke ein Plan, mutmaßt Ahrens. Man habe die Hoffnung, dass er rassistisch antworte, so könne man ihn dann verklagen – das sei „gerissen“. Die Kollegin, die Ahrens anschrieb, ist Deutsche.
Rechtsextreme Ideologien werden unter Videos verlinkt
„Blitzwissen“ ist eine Art Blinkist für Rechtsextreme. Das heißt: Nutzer können dort kurze Zusammenfassungen von rechten Sachbüchern lesen oder anhören. Wie unsere Recherchen zeigen, wird bei mindestens sieben der untersuchten Youtubern für „Blitzwissen“ geworben.
Man findet dort unter anderem Bücher des vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Antaios Verlags. Autoren dort sind etwa Martin Sellner, oder Maximilian Krah, aus dessen Buch sogar im Bericht des Verfassungsschutzes beispielhaft für rechtsextremes Gedankengut zitiert wird. Auch der rechtsextreme Autor Benedikt Kaiser wird dort zusammengefasst angeboten. Oder das Buch von Martin Wagener wird eingelesen, in dem steht, Ziel der Bundesregierung sei es, das angestammte deutsche Volk in eine multikulturelle Gesellschaft umzuformen. Der BND erteilte dem Autor nach Veröffentlichung des Buches ein Hausverbot und untersagte die Beschäftigung in einer sicherheitsempfindlichen Tätigkeit.
CORRECTIV stieß im Zuge der Recherchen zum Treffen in Potsdam im Januar auf Erik Ahrens; die Zeit hatte diesen identifiziert. Der rechtsextremen Medienunternehmer und Politaktivist Ahrens trat bei dem Treffen gemeinsam mit Arne Friedrich Mörig auf. Die beiden stellten ihre Pläne für eine rechte Influencer-Agentur vor. Finanziert werden sollten diese unter anderem mit Geld der AfD. Ein dementsprechender Vertrag lag Mörig nach Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung bereits seit Ende 2022 vor.
Doch die CORRECTIV-Recherche machte Mörig zunächst einen Strich durch die Rechnung: Nach der Veröffentlichung beendete die AfD den Vertrag mit Mörig. Der Druck auf die Partei war hoch, die Recherchen haben in Deutschland eine Debatte über ein Parteienverbot ausgelöst. Nachdem die Partei ihm auch die Finanzierung für seine Agentur versagte, habe er die Pläne zum Aufbau einer zentralisierten Agentur dann wieder aufgegeben, sagte Mörig dem Y-Kollektiv, das sich als interessierter Werbekunde ausgab.
Wie Rechte mit Influencer-Netzwerken die Jugend erreichen wollen
Arne Friedrich Mörigs Idee einer Influencer-Agentur mag damit auf den ersten Blick gescheitert sein, doch das damals vorgestellte Konzept bleibt auch heute aktuell: Mörigs Agentur sollte den Rechtsextremisten helfen, die Öffentlichkeit zu gewinnen, wie CORRECTIV mit netzpolitik.org berichtete – vor allem unter jungen Menschen sollten Anhänger gewonnen werden. Mörig und Ahrens hatten zudem Ansätze vorgestellt, wie mit der Agentur Geld unabhängig von Youtube verdient werden sollte.
Eingeladen nach Potsdam hatte Mörigs Vater Gernot, ein Zahnarzt aus Düsseldorf, der seit Jahrzehnten in der rechtsextremen Szene aktiv ist. Sein Sohn Arne Friedrich nutzte das Treffen, um Geld für eine Anschubfinanzierung einzusammeln.
Nach Einschätzung von Fachleuten der Amadeu Antonio Stiftung verbreiten sich rechtsextreme Inhalte besonders schnell und wirkungsvoll auf Plattformen wie Youtube oder Tiktok; das macht sich die rechtsextreme Szene zunutze und nimmt vor allem Jugendliche ins Visier. Aktuell zeigen die Krawalle in Großbritannien, wie rassistische Propaganda, Fake News und aufstachelnde Parolen in den digitalen Netzwerken die rassistische Gewalt in den Straßen befeuern. CORRECTIV hatte 2020 in der Recherche „Kein Filter für Rechts“ gezeigt, wie Gruppen wie die sogenannte „Identitäre Bewegung“ neue Mitglieder via Instagram rekrutierten.
Das Potenzial der sozialen Medien hatten auch Mörig und Ahrens erkannt. Beiden Medien-Unternehmern ging es darum, unternehmerische Ansätze mit Interessen rechtsextremer Kampagnengruppen zu verbinden – so stellten sie das Projekt auf dem Potsdamer Treffen vor. Sie wollten demnach zunächst ein Netzwerk rechter Influencer aufbauen und ihnen dabei auch einen besonderen anwaltlichen Rechtsbeistand anbieten, da Plattformrichtlinien willkürlich ausgelegt würden, wenn man „falsche politische Meinungen“ habe. Tatsächlich werden immer wieder Videos der Influencer durch YouTube von der Monetarisierung ausgeschlossen.
Weiterhin planten Mörig und Ahrens, Werbepartner zu vermitteln und in den Beiträgen der Influencer direkte Anzeigen platzieren zu lassen, um ihnen Einnahmen zu ermöglichen. Schließlich sollten die AfD und andere rechte Gruppen aus dem, wie sie sagten, „patriotischen Lager“ auf den Kanälen Kampagnen einbinden können. Zudem sollte die AfD auch politische Anfragen in den Parlamenten weiterleiten, so dass die Inhalte von den Influencern verarbeitet werden können. Die Arbeit der AfD würde weitergetragen und exklusive Informationen an die Youtuber weitergegeben. Die Idee war, dass die AfD oder rechtsextreme Bewegungen bei gleichgesinnten Youtubern künftig direkte Werbung oder andere politische Inhalte bestellen sollen.
Mörigs Partner macht weiter und schaltet eigene Werbung
Die Social-Media-Strategen stellten in Potsdam auch Zahlen vor: In Zusammenarbeit mit etablierten rechten Influencern seien satte 416 Millionen Views in einem Quartal zu schaffen, wie Mörig Junior seinen Zuhörern versprach. Offenbar versuchen Mörig und Ahrens, mit hoch gesteckten Zielen zu beeindrucken; Belege für ihre Kalkulation zeigen sie nicht. Ob die Rechnung realistisch war, ist offen.
Bei einigen Zuhörern kam der Pitch offenbar gut an: Roland Hartwig versprach noch vor Ort im Namen des AfD-Vorstands, die Pläne des jungen Mörig mit der Parteispitze zu besprechen. Seit Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche versucht die AfD jedoch offenbar, sich zu distanzieren: Hartwig verlor seinen Posten. Auch die Vereinbarungen zwischen der AfD und Arne Friedrich Mörig wurden offenbar hinfällig.
Auf die Anfrage von Correctiv, ob er aktiv oder an einer oder mehreren Influencer-Agenturen beteiligt sei, antwortete Mörig mit „Nein“ und verlinkte in seiner Antwort auf die Frage nach dem aktuellen Status des Influencer-Projekts ein YouTube-Video des bekannten Songs „Rick Astley – Never Gonna Give You Up“.
Beispiele rechter Youtuber und ihrer Inhalte
Insgesamt haben wir 17 YouTube Kanäle gefunden, bei denen insgesamt neun verschiedene Firmen werben. Von den werbenden Firmen wird mindestens ein Unternehmen, von einem AfD-Funktionär betrieben. Es gibt aber auch einen Stifte-Händler, der sich auf Anfrage als politisch neutral darstellt. Dabei war eine Dating-Plattform und ein Merch-Händler für Youtuber. Aber auch drei Webseiten, die eindeutig ideologisch aufgeladene Inhalte verbreiten. Beispielhaft zeigen wir hier einige der untersuchten YouTuber:
Der Youtuber Leonard Jäger verbreitet als „Ketzer der Neuzeit” (425.000 Abos) Queerfeindlichkeit und Verschwörungsmythen, ohne explizit Rechtsextremes auszusprechen. Reichsbürger Markus Konsorr, dessen Vereinigung offenbar im August 2020 von den angeblich alliierten Besatzungsmächten Deutschlands ein Betätigungsverbot aller deutschen Parteien und politischen Organisationen forderte, stand im Impressum von Jägers „Ketzer der Neuzeit”. Jäger sagte in einem Video des Antisemiten und QAnon-Anhängers Hans-Joachim Müller, es sei „eben das Vorgaukeln von Demokratie. Einige nennen es eine Demokratie-Simulation“. Sein Unternehmen hat er in Kroatien angemeldet.
Michelle Gollan, auf YouTube bekannt als „eingollan“ (144.000 Abos) macht als Satire gekennzeichnete Videobeiträge. In einem Video zur Manipulation durch „die Musikindustrie“ macht sie verschörungsideologische und antisemitische Anspielungen. Auf ihrem Patreon Account wird sie expliziter und äußert sich geschichtsrevisionistisch: Während Bilder der Nürnberger Prozesse zu sehen sind, sagt sie: „Es wird sich blind auf die Seite der Opfer gestellt, ohne die Geschichte mal genauer zu hinterfragen.“
Boris von Jutrzenka-Trzebiatowski, der als „Boris Morgenstern“ (101.000 Abos) YouTube-Videos veröffentlicht, nimmt in einem Beitrag Maximilian Krahs Aussage zur SS in Schutz und denkt in einem Beitrag für das Magazin „krautzone“ darüber nach, dass politischer Gegner im Ausland besser aufgehoben wären: „lllegale Migranten und nichtsnutzige Linke belasten den Haushalt der Bundesrepublik. In einer Asyeinrichtung irgendwo in Afrika könnten sich Soja-Sören, Malte-Torben und Backpacking-Lisa selbst verwirklichen und die AfD könnte ohne Probleme den gesetzlich vorgeschriebenen Parteitag abhalten.“ (Fehler im Original)
„Der Schattenmacher“ (52.000 Abos), der laut „Youtube Forum“ bürgerlich Fabian Kutzki heißt, sagte, dass „Massenmord für manche Problemstellungen nach rationalen Maßstäben die effektivste, sich anbietende Lösung“ sei. Des weiteren kommentiert er Manifeste von rechtsextremen Terroristen wie etwa dem Hanau Attentäter und eines Incel-Attentäters. Bilder sollen ihn gemeinsam mit Nina Hörig bei Veranstaltungen des mittlerweile aufgelösten rechtsextremistischen Instituts für Staatspolitk zeigen.
Nina Hörig, die als „Charlotte Corday“ Videos publiziert (26.000 Abos) tritt als Gesicht der laut Verfassungsschutz NRW rechtsextremistischen Gruppe „Lukreta“ auf. In einem Video zur „Sylt-Affäre“ sagt sie u.A.: „Aber Deutschland den Deutschen ist eine Naziparole – merkt ihr wie tief die Gehirnwäsche schon vorgedrungen ist?!“ Die gesungenen Parolen hält sie für „vollkommen legitime politische Forderungen“. Vor kurzem trat sie im Podcast des rechtsextremen Vordenkers Götz Kubitschek auf.
Weitere werbende Youtuber formulieren fragender, allgemeiner, offener. Etwa wenn die ehemalige Moderatorin des russischen Propagandaorgans RT Deutsch Jasmin Kosubek (167.000 Abos) Hans Georg-Maaßen in einem Interview fragt: „Halten Sie eigentlich eine geordnete Remigration für eine Lösung?“ Oder Der Medienfuzzi, der bei RT Deutsch „Head of Development“ war, sagt, er sei früher ein „absolut willfähriges typisches deutsches Schlafschaf“ gewesen.
Auf Anfrage teilte YouTube mit, dass sie nach interner Prüfung der Kanäle keinen Verstoß gegen ihre Community-Richtlinien feststellen konnten.
Arne Mörigs damaliger Partner, Erik Ahrens, ist nach eigener Darstellung weiter als Medienunternehmer aktiv. Ahrens, der gemeinsam mit Mörig Junior auf dem Potsdamer Treffen auftrat, stellt sich laut Eigenwerbung auf Twitter als Architekt der Kampagne von Maximilian Krah dar. Er habe angeblich eine TikTok Strategie für Krahs EU-Wahlkampf entwickelt, habe „Krah zum Star gemacht“.
Ahrens schreibt, man müsse diejenigen aus der „Anonymität in das echte Privatleben übertragen“, die „im Internet brutalst abhiltlern”, wie ein anderer Nutzer es ausdrückte. Bei einem Vortrag am als rechtsextrem eingestuften Institut für Staatspolitik beschrieb er TikTok als guten Weg Jugendliche zu beeinflussen: Man habe „ein Fenster in deren Gehirn, wo man da rein senden kann.
Reaktionen nach Anfragen fallen ungewöhnlich aus
Für Ahrens Projekt Blitzwissen wird bei Youtube indes immer wieder geworben. Werbelinks zu diesem Portal tauchen sowohl auf rechten Kanälen wie von „Schattenmacher“, „Charlotte Corday“, dem Kanal von Feroz Khan oder „Ketzer der Neuzeit“ auf. Sie tauchen aber auch auf weniger explizit politischen Kanälen auf, wie dem Kanal „Germania Magna“, der scheinbar historische Videos macht, etwa über „Deutsche Stämme“. Das Potenzial dieser Youtuber, rechte Kreise zu erreichen, ist dabei unterschiedlich stark: Leonard Jäger, der Betreiber des Kanals „Ketzer der Neuzeit“, zählt über 400.000 Abonnenten bei Youtube. Nina Charlotte Hörig, die als Charlotte Corday ihre Videos veröffentlicht, 26.300.
Während der Mitarbeiter von Jäger sich von Ahrens distanziert und Corday sowie Khan auf Anfrage nicht reagieren, deutet der „Schattenmacher“ auf einer Kurznachrichtenplattform an, dass manchen in der AfD der neurechte Aktivist zu weit gehe: Etwa, als Ahrens den „deutschen IQ“ als höherwertig darstellte – dabei sei dies angeblich belegbar, so der rechte Influencer, und man dürfe sich nicht spalten lassen. Menschen auf diese Art aufgrund von Staatsangehörigkeit oder einer rassistischen Kategorie als höher oder minderwertig dargestellt werden, ist dabei jedoch klassischer Teil einer völkisch-rassistischen Ideologie.
Weitere Werbelinks bei unterschiedlichen Youtubern führen zu Online-Portalen wie dem Freilich Magazin oder dem Online Portal „Krautzone“, das beispielsweise Texte einer Kolumnistin veröffentlicht, die Aktivistin der vom Verfassungsschutz NRW als rechtsextremistisch eingestuften Gruppe Lukreta ist. Wie das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes auf Anfrage schreibt, könne das Freilich Magazin „der ‚neurechten‘ Spielart des Rechtsextremismus zugeordnet werden.“
Entstammt diese Form der Werbung dem ursprünglichen Plan der gemeinsamen Agentur von Ahrens und Mörig Junior? Unter dem Vorwand, für ein Unternehmen Werbung schalten zu wollen, fragte das Y-Kollektiv Mörig, ob er Anzeigenplätze auf den Kanälen rechter Influencer vermitteln könne und fragte gezielt nach weiblichen Influencerinnen. Die Agenturpläne habe er aufgegeben, behauptet er dort, könne aber unentgeltlich vielleicht weiterhelfen. Weibliche Influencer gebe es nicht so viele, sagte er am Telefon, nannte aber Michelle Gollan, Charlotte Corday und Krissy Rieger. Mörig gab für einen solchen Auftrag einen Rahmen von zwei bis dreitausend Euro vor.
Die Youtuberin Gollan wirbt derweil auch unabhängig von Mörig: in einem Video zu Mutterschaft backt sie einen Kuchen und verlinkt zu einer Silikon-Backform, die der Böblinger AfD Kreisrat Maximilian Evers über Amazon vertreibt. Auch das neurechte „Freilich-Magazin“ schaltet Werbung bei Gollan. Auf die Anfrage von CORRECTIV reagiert Gollan auf einem Kurznachrichtendienst ausweichend.
Dass die Werbung angeblich nicht zentral koordiniert werde, schreiben sowohl Werbetreibende als auch Youtuber. Evers schreibt CORRECTIV, dass seine Firma weder aktiv noch an einer oder mehreren rechten Influencer-Agenturen beteiligt sei. Die Influencerin Jasmin Kosubek antwortet mit „Nein“ auf die Frage, ob sie an Influencer-Agenturen beteiligt sei. Auch die Firma Hörner aus Dresden schreibt, dass sie nicht mit Influencer-Agenturen zusammen arbeite, sondern Freelancer einsetze. Sie würden beauftragt, die „kulturelle Besonderheiten“ eines Landes zu kennen und „geeignete Influencer“ auszuwählen.
Die kulturellen Besonderheiten Deutschlands scheinen für diese „Freelancer“ offenbar darin zu liegen, dass man in Deutschland politisch weit rechts außen stehe.
Etliche der angefragten YouTuber veröffentlichten die Anfragen von CORRECTIV vorab in ihrem Kanälen und diskutierten darüber, wie mit den Fragen verfahren werden solle.
Den Film „Jung, Viral, Rechtsradikal?“ vom Y-Kollektiv / WDR, der unabhängig von Correctiv recherchiert wurde, finden Sie hier in der ARD-Mediathek.
Autoren: Nadja Bascheck, Shammi Haque, Jean Peters, Michael Trammer
Recherche: Nadja Bascheck, Shammi Haque, Jana Niehoff, Jean Peters, Michael Trammer
Redaktion: Gabriela Keller, Till Eckert, David Schraven
Design: Mohamed Anwar
Faktencheck: Stella Hesch
Update, 19. August, 15 Uhr:
Wir haben konkretisiert, dass die Zeit Erik Ahrens anhand eines Fotos vom Geheimtreffen in Potsdam identifiziert hatte.