Neue Rechte

Das „Volk“ der Rechtsradikalen

Sie wollen Millionen Menschen vertreiben. Das schreiben und sagen sie. Ziel der Rechtsradikalen im ideologischen Vorfeld um Martin Sellner ist die Verharmlosung von völkischen Begriffen. Damit soll das Konzept der „Remigration“ normalisiert werden. Einige Medien lassen sich offenbar auf diese Vernebelungsstrategien ein. Eine Einordnung.

von Marcus Bensmann

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Collage: CORRECTIV (Fotos: picture alliance)

Deutschland befindet sich im Bundestagswahlkampf und Migration ist dabei eines der zentralen Themen. Die Recherche „Geheimplan gegen Deutschland“ hat vor einem Jahr gezeigt, welche Brisanz das völkische Konzept der „Remigration“ hat. Und es ist aktueller denn je. Denn trotz der Diskussionen hat die AfD gerade erst auf dem Parteitag in Riesa am 11. und 12. Januar den Begriff „Remigration“ in ihr Wahlprogramm gehievt. Alice Weidel hat den Begriff sogar offensiv in ihrer Rede verwendet. „Wenn es dann Remigration heißen soll, dann heißt es eben Remigration“, sagte Weidel in ihrer Eröffnungsrede in Riesa.

Zwei Tage vor dem AfD-Parteitag veröffentlichte die Wochenzeitung Zeit einen Text, für den ein Reporterteam über mehrere Monate Gespräche geführt hatte – über die CORRECTIV-Recherche. Die Zeit wirft darin viele Fragen zur Recherche von CORRECTIV und der Veranstaltung in Potsdam im November 2023 auf.

CORRECTIV beantwortet entscheidende Fragen hier (zum Teil erneut).

 

Einleitung

Gegenstand der Debatte ist das von dem Rechtsextremen und völkischen Ideologen Martin Sellner propagierte und auch in Potsdam besprochene Konzept der „Remigration“. Kurz nach der Veröffentlichung der CORRECTIV-Recherche hat Sellner den Vortrag, den er bei dem Treffen in Potsdam gehalten hat, nach eigenen Worten am 13. Januar 2024 in einem Video auf der Plattform rumble.com nachgestellt. Auch dieses Video ist für die Erklärung und das Verständnis der Ideologie Sellners hilfreich. Darin spricht er von „der Politik der Remigration“. Dieser Ausdruck klingt auf den ersten Blick harmlos, denn er suggeriert freiwillige Wanderbewegungen von Menschen zwischen Staaten.

Martin Sellner lädt ihn aber mit einer völkischen Ideologie auf und wendet ihn ausdrücklich auch auf „nicht-assimilierte“ deutsche Staatsbürger an.

Dabei ist Verwirrung um Begriffe ein Teil der Strategie der Neuen Rechten, um „den Raum des Sagbaren“ zu erweitern. Sellner spricht offen über diese Taktik: „Drei Schritte vor, zwei Schritte zurück, bis diese Begriffe von undenkbar radikal (…) bis populär und Realpolitik geworden sind“, sagt er im erwähnten Video.

Was wurde in Potsdam gesagt?

Am 25. November 2023 trafen sich Rechtsextreme, völkische Ideologen, hochrangige AfD-Funktionäre, Mitglieder der CDU und Werteunion sowie Unternehmer und Juristen, um „das Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplanes“ (so stand es in der schriftlichen Einladung) des erwähnten Kopfes der Identitären Bewegung, Martin Sellner, zu diskutieren. 

Schon zu Beginn der Veranstaltung erklärte der Gastgeber des Treffens, der Rechtsextremist Gernot Mörig, der Sellner eingeladen hatte: Die einzige Frage, die sie zusammenführe, sei eben die Frage der „Remigration“: „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“. Damit machte Mörig die „Remigration“ im Sinne des völkischen Ideologen Sellners gleich zu Beginn zum zentralen Thema der Veranstaltung.  

Sellner selbst schlug im Verlauf des Treffens vor, die Politik der „Remigration“ auf Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht und „nicht-assimilierte Staatsbürger“ anzuwenden. Dabei sagte er, dass aus seiner Sicht die „nicht-assimilierten“ Staatsbürger das „größte Problem“ seien. Seine Lösung: Man müsse einen „hohen Anpassungsdruck“ auf die Menschen ausüben, zum Beispiel über „maßgeschneiderte Gesetze“. „Remigration“ sei nicht auf die Schnelle zu machen, es handele sich um „ein Jahrzehnteprojekt“. 

Mörig sprach zudem von einem „Expertengremium“, das das nach „ethischen, juristischen und logistischen Gesichtspunkten“ ausarbeiten sollte, damit etwas in der Schublade liege, wenn eine rechte Kraft an die Macht komme. 

Sellner schlug außerdem Nordafrika als einen Ort vor, an den „bis zu zwei Millionen Menschen hin bewegt“ werden könnten.

Wir haben aufgrund dieser und weiterer im Text dokumentierter Zitate eingeordnet, worum sich diese Diskussion drehte: Es ging um die millionenfache Vertreibung von Menschen, die Sellner in drei Gruppen einteilt, darunter auch Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund. 

Wie präzise sind die Zitate?

Die zitierten Informationen kommen aus dem Konferenzraum in Potsdam, in dem das Konzept der „Remigration“ diskutiert wurde. Wir haben mehrere Quellen, die wir aber verantwortungsvoll schützen. Die AfD-Bundestagsabgeordnete Gerrit Huy, eine Teilnehmerin, bestätigte die Präzision unserer Dokumentation des Gesagten, indem sie eine Anzeige stellte, die sich darum drehte, dass sie so genau zitiert wurde. Die Staatsanwaltschaft Potsdam ließ diese Anzeige fallen, da kein Anfangsverdacht bestehe.

Waren in Potsdam Rechtextreme anwesend?

Bei der Veranstaltung waren auch Rechtsextreme dabei, als Sellner sein Konzept der „Remigration“ vorstellte. Viele davon haben wir in unserem Text namentlich aufgeführt und eingeordnet. Eine Recherche des Guardian zusammen mit dem Standard und dem Spiegel zeigte ein Jahr später, dass sich einer der Teilnehmer, Erik Ahrens, in anderen Zusammenhängen offen zum Rassismus bekannte und die SS bewundert. 

Die Zeit schreibt, der Organisator Mörig sei ein Mann mit „rechtsextremer Vergangenheit“. Das greift zu kurz, denn von dieser Vergangenheit hat sich der ehemalige Zahnarzt offenbar nicht gelöst. Mörig sagte ja bei der Ankündigung von Sellners Vortrag: Die einzige Frage, die die Rechten zusammenführe, sei, „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht.“ Das ist ein gängiges völkisches Angstbild. Auch das rechtsextreme Weltbild weiterer Gäste und die Äußerungen des Hauptredners Martin Sellner zeigen, welche politische Haltung der Gastgeber in Potsdam offenbar fördern wollte.

Hat Sellner auch die „Remigration“ von „nicht-assimilierten Staatsbürgern“ vorgeschlagen?

Ja, das bestätigen unsere Quellen.

Martin Sellner sagte zudem bereits drei Tage vor der Veranstaltung, also am 22. November 2023, in einem Video auf der Webseite des rechtsextremen Magazins Compact: „Remigration ist nicht nur Abschiebung von Illegalen, sondern ein großes, umfassendes Konzept, das sowohl Asylanten, also Asylbetrüger, Ausländer als auch nicht-assimilierte Staatsbürger im Fokus hat. Die in unserem Land ein großes Problem darstellen.“

Das Konzept der „Remigration“, das auch Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund umfasst, beschrieb Sellner zwischen November und Dezember 2023 sehr ausführlich in insgesamt vier Videos bei Compact. 

Am 16. August 2024 bestätigte Sellner auf X sogar selbst, in Potsdam von der „Remigration“ von Staatsbürgern gesprochen zu haben. „In Deutschland sprengt man dafür Lesungen. Schweden setzt es einfach um: Die Regierung plant, ihre Politik der Remigration auch auf nicht-assimilierte Staatsbürger auszuweiten. Wie von mir in Potsdam und in meinem Buch vorgeschlagen, sollen sie finanzielle Anreize zur Heimreise bekommen.“ 

Screenshot X von Martin Sellner
Screenshot X von Martin Sellner

Ist „Remigration“ im Konzept von Sellner nicht ein harmloser Begriff, der auf Freiwilligkeit beruht?

Nein. Sellner ändert je nach Publikum die Mittel, die zur „Remigration“ von „nicht assimilierten Staatsbürgern“ führen sollen. Auf dem Treffen in Potsdam sprach er von „maßgeschneiderten Gesetzen“ und „Anpassungsdruck“. Ebenso in einem weiteren Video, das Compact am 27. Dezember 2023 veröffentlicht hatte. Später, in dem erwähnten Post auf X im August 2024, schreibt Sellner allerdings nur von „finanziellen Anreizen“. 

Schaut man sich diese Begriffe an, so wird deutlich, dass das  Konzept der „Remigration“ nicht auf Freiwilligkeit beruhen kann. Denn Druck und Freiwilligkeit schließen einander logisch aus. Zu diesem Schluss kam auch das Verwaltungsgericht München im Juli 2024. Es führte in seiner Ablehnung einer Beschwerde des bayerischen Landesverbandes der AfD, vom Verfassungsschutz als „Verdachtsfall“ eingestuft und damit beobachtet werden zu können, aus: 

 „Die Remigrationsforderungen Sellners umfassen damit auch die Unterstützung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegenüber deutschen Staatsangehörigen mit Migrationshintergrund. Zwar wird der Eindruck vermittelt, dass lediglich ‚Druck’ aufgebaut werden solle, um eine ‚freiwillige’ Ausreise zu erreichen. Von einer tatsächlichen Freiwilligkeit kann bei Umsetzung der von Sellner geplanten Maßnahmen jedoch nicht gesprochen werden.“

Was ist der völkische Hintergrund von Sellners Weltbild?

Martin Sellner bezieht sich in seinen Vorträgen und Büchern immer wieder auf völkische Begriffe und Ideen; zudem beruft er sich in seinem 2023 erschienenen Buch „Regime Change von rechts“ ausdrücklich auch auf den Kronjuristen der NS-Zeit, Carl Schmitt. Darin erklärt Sellner den Erhalt der „ethnokulturellen Identität“ zum Hauptziel der rechten Bewegung, die gegen einen „Bevölkerungsaustausch“ zu schützen sei. Bei dem Ausdruck „Bevölkerungsaustausch“ handelt es sich um ein zentrales, aus Überfremdungsängsten abgeleitetes Trugbild der völkischen Rechten, das als Kampfbegriff dient. Die völkische Ideologie geht davon aus, dass eine Gemeinschaft nur aus dem „Eigenem“ bestehen könne, weshalb das „Fremde“ verdrängt werden müsse. Doch eine solche Einteilung kann zwangsläufig nur mit willkürlicher Definitionsmacht erfolgen. 

Carl Schmitt hat diese Definitionsmacht 1923 in „Die geistesgeschichtliche Lage des heutigen Parlamentarismus“ so beschrieben: „Jede wirkliche Demokratie beruht darauf, dass nicht nur Gleiches gleich, sondern, mit unvermeidlicher Konsequenz, das Nichtgleiche nicht gleich behandelt wird. Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen. Sellner bezieht sich in seinem genannten Buch, wenn auch abgeschwächt, auf diese Definition und schreibt: „Herkunft, Kultur und Religion bilden eine exklusive Gemeinschaft und schaffen eine substanzielle Homogenität“ (Carl Schmitt)“.

In einer solchen Vorstellung ist der Mensch kein eigenständiges Individuum, sondern Teil einer völkischen Einheit oder in den Worten Sellners „ethno-kultureller Identität“. Diese sei, so Sellner, bedroht. „Das zähe Ringen, das verzweifelte Aufbegehren der Einheimischen, die im eigenen Land zur Minderheit gemacht werden“, sagt Sellner in dem Video, in dem er angibt, den Vortrag von Potsdam nachzustellen. Die Angst vor dem Untergang und damit verbunden die „Verteidigung des Eigenen“ ist wesentlicher Teil des völkischen Denkens – so heißt auch der Titel eines einflussreichen Buches, das Sellners Verleger Götz Kubitschek herausgebracht hat. Diese Angst griff auch der Gastgeber Mörig bei der Veranstaltung in Potsdam auf, als er „Remigration“ zu der entscheidenden Frage erklärte, „ob wir als Volk im Abendland noch überleben oder nicht“.

Sellner ist, wie erwähnt, der ideologische Kopf der Identitären Bewegung, die dieses Denken in den von der „Neuen Rechten“ Ende der 1960er-Jahre entwickelten Begriff „Ethnopluralismus“ kleidet. Dabei handelt es sich um einen ähnlichen Tarnbegriff wie „Remigration“, „ethno-kulturelle Identität” und „Bevölkerungsaustausch”, mit dem die Neue Rechte ihre radikalen Inhalte verharmlost.

Das Konzept des „Ethnopluralismus“ fußt ebenfalls auf Carl Schmitt: „Als theoretischer Urheber kann Carl Schmitt gelten“, schreibt der Politologe Stefan Vennmann, „Schmitt konzipiert einen Begriff des Politischen, der auf der Basis eines irrationalen Kollektivismus, ausgestattet mit biologistischen Elementen, den wichtigsten Aspekt für die Theorie des Ethnopluralismus bildet“. 

Auch die Konrad-Adenauer-Stiftung kommt zu einer ähnlichen Bewertung: „Das Konzept der Homogenität und die Freund-Feind-Unterscheidung von Schmitt sind zentral für das Identitätsverständnis der Neuen Rechten“. Auf die Verbindung zwischen der Identitären Bewegung und Carl Schmitt deutet auch ein Antrag im österreichischen Parlament 2019. Darin heißt es, „die Identitären weisen mit dem NS-Kronjuristen Carl Schmitt darauf hin, dass ihre „Demokratie“ eine gewisse Homogenität in der Bevölkerung voraussetzt.“

Auch Gernot Mörig hat in der Vergangenheit eine fragwürdige Sprache benutzt. Mörig war seit den 1970er Jahren in rechtsextremen Netzwerken aktiv und war Bundesführer des „Bundes Heimattreuer Jugend“. Dessen Abspaltung „Heimattreue Jugend“ wurde 2009 verboten. In einem Beitrag schrieb er damals: „Denn keinem Volk ist von vornherein ein bestimmtes Recht gegeben; so braucht z.B. jedes Volk Raum zum Leben, dieser Raum muß jedoch erkämpft werden. Nichts anderes kommt auch bei den sog. Revierkämpfen im Tierreich zum Ausdruck.“ 

Die liberal-konservative Publizistin Liane Bednarz schreibt am 25. Oktober 2024 in ihrer Kolumne für die Heinrich-Böll-Stiftung über den ideologischen Hintergrund:

„Insofern hat die CORRECTIV-Recherche einem breiten Publikum gezeigt, dass es im völkischen Denken eben nicht um die bloße Durchsetzung von Ausweisungen von Migranten ohne Aufenthaltsrecht, sondern auch und gerade darum geht, Menschen loszuwerden, die deutsche Staatsbürger sind und den völkischen Kreisen als „nicht integrierbar“ (Höcke) oder nicht assimiliert genug (Sellner) gelten. Sellner forderte „maßgeschneiderte Gesetze“ dafür. Das entspricht dem Phantasma der völkischen Ideologie. Sie geht von der Idealisierung des „Eigenen“ aus. Mit einer willkürlichen Definitionsmacht wird in der Neuen Rechte „das Fremde“ ausgemacht, das je nach Enthemmung auszumerzen oder zu verdrängen ist, um den ersehnten Idealzustand „des Eigenen“ wiederherzustellen. Die Vordenker der Neuen Rechten wie Sellner kleiden dieses völkische Phantasma in harmlos klingende Begriffe wie „Ethnopluralismus“, „ethnokulturelle Identität“ oder eben „Remigration“, in denen allen aber die Menschenfeindlichkeit weiter zu Hause ist.“

Was bedeutet „maßgeschneiderte Gesetze“ im historischen Kontext?

Die deutsche Geschichte kennt ein Beispiel, bei dem maßgeschneiderte Gesetze auf Staatsbürger angewendet wurden. Das waren die Entwicklungen bis hin zu den Nürnberger Gesetzen von 1935, welche die jüdischen Staatsbürger in Deutschland entrechteten. Ausgerechnet Carl Schmitt, den Sellner in seinem Buch mit anderen Äußerungen zitiert, lobte diese Gesetze als „Verfassung der Freiheit“. Tatsächlich aber bereiteten die Nürnberger Gesetze die Vernichtung der Juden vor. Wenn Sellner von „maßgeschneiderte[n] Gesetze[n]“ für die „Remigration“ von „nicht-assimilierten Staatsbürgern“ als „Jahrzehnteprojekt“ spricht, ist dieser historische Blick notwendig.

Fraglos fangen die „maßgeschneiderten Gesetze“ bei Sellner harmlos an. Er wählt in dem nachgestellten Vortrag und in einem der Videos bei Compact einen Vergleich mit der restriktiven Migrationsgesetzgebung in dem von Sozialdemokraten regierten Dänemark, um die vermeintliche Harmlosigkeit seiner Pläne zu belegen. Das entspricht seiner Verwirr-Strategie, „drei Schritte vor, zwei Schritte zurück“, die er in dem nachgestellten Vortrag vorgeschlagen hat. Sollten durch die Formulierung „maßgeschneiderte Gesetze“ Erinnerungen an geschichtliche Parallelen aufkommen, fängt Sellner diese umgehend mit einem Beispiel aus Dänemark wieder ein. 

Der Medienrechtler Thomas Stadler zeigte in einer Replik auf eine Kritik des Medienportals Übermedien zu der CORRECTIV-Recherche den Unterschied zwischen jetzigem und künftigem Recht auf; also, der Möglichkeit, Gesetze zu schaffen, die eine Vertreibung legalisieren könnten:

„Wenn dann noch Aussagen von Teilnehmern zitiert werden, die darauf verweisen, dass man keine gesetzeswidrigen Ausweisungen wolle, stellt sich dem Juristen natürlich schnell die Frage, ob das de lege lata oder doch de lege ferenda gemeint ist. Denn die hierfür ‚maßgeschneiderten Gesetze’ sollen wohl ja gerade dafür sorgen, dass die Ausweisungen dann nicht mehr gesetzwidrig sind. Correctiv formuliert es in seiner Reportage, deutlich vorsichtiger als ich, so: Im Grunde laufen die Gedankenspiele an diesem Tag alle auf eines hinaus: Menschen sollen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben – und aus Sicht von Menschen wie Sellner nicht ausreichend ‚assimiliert’ sind. Auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Was hieran falsch oder missverständlich sein soll, hat mir bislang niemand erklären können. Natürlich laufen die Forderungen von Sellner & Co. darauf hinaus, Menschen aus Deutschland zu verdrängen. Worauf auch sonst? Und in dem Staat, den Sellner sich vorstellt, wird das dann formaljuristisch auch nicht mehr gesetzwidrig sein.“ 

Mit „de lege lata“ meint der Jurist die Gesetze, die da sind, und mit „de lege ferenda“ die Gesetze, die künftig gemacht werden. Womit sich der Kreis schließt. Dadurch bekommt der Begriff der „maßgeschneiderten Gesetze“ die Funktion eines Schraubstocks, mit dem Druck ausgeübt wird, damit „nicht-asssimilierte“ deutsche Staatsbürger das Land verlassen. Mit anderen Worten: es geht um Vertreibung. Das erinnert an die oben beschriebene Homogenitätsforderung von Carl Schmitt: „Zur Demokratie gehört also notwendig erstens Homogenität und zweitens – nötigenfalls – die Ausscheidung oder Vernichtung des Heterogenen.“ 

Wie bewerten Gerichte Sellners Konzept der „Remigration“? Wäre es mit dem Grundgesetz vereinbar?

Mehrere Gerichtsentscheidungen lassen den Schluss zu, dass die „Remigration“ von „nicht assimilierten Staatsbürgern“ auf Basis eines „ethnisch-kulturellen Volksbegriffs“ nicht mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Das Oberverwaltungsgericht Münster lehnte am 13. Mai 2024 die Beschwerde der AfD ab, vom Bundesamt für Verfassungsschutz beobachtet zu werden. In der Begründung findet sich folgender Satz: „Verfassungswidrig und mit der Menschenwürde unvereinbar ist allerdings die Verknüpfung eines ,ethnisch-kulturellen Volksbegriffs’ mit einer politischen Zielsetzung, mit der die rechtliche Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage gestellt ist”.

Des Weiteren schreiben die Münsteraner Richter zum „Remigrations“-Begriff von Björn Höcke, dem Thüringer Vorsitzenden der AfD: „Wenn Björn Höcke die „geordnete Rückführung, der hier nicht integrierbaren Migranten in ihre ursprünglichen Heimatländer“ als „gesamteuropäisches Remigrationsprojekt“ bezeichnet oder davon spricht, dass „langfristig (…) die Auflösung der Parallelgesellschaften sowie die Remigrationsprogramme, die natürlich De-Islamisierung inkludieren, auf der Tagesordnung“ stehen, beschränkt sich die Forderung nach „Remigration“ nicht auf Ausländer ohne Aufenthaltsrecht, sondern legt die Formulierung nahe, dass auf lange Sicht auch deutsche Saatsangehörige mit Migrationshintergrund Deutschland verlassen sollen, wenn sie kulturell nicht integriert sind“.

Das in Leipzig ansässige Bundesverwaltungsgericht wiederum schreibt über ein an die sogenannte „ethnische Volksgemeinschaft“ anknüpfendes Remigrationskonzept unter Bezugnahme auf die dortigen Äußerungen Sellners in seinem Beschluss zum Verbot des Compact-Magazins vom 14. August 2024: „Vielmehr ist über eine – schon für sich genommen gegen die Menschenwürde verstoßende – demütigende Ungleichbehandlung hinaus eine Rechtsverweigerung für einen Teil der deutschen Staatsangehörigen vorgesehen. Diesem Personenkreis sollen grundlegende Rechte wie Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit versagt sein; im Grunde soll jegliches Fremdsein unterdrückt und verwehrt werden. Den Betroffenen wird damit anknüpfend an ihre ethnische Herkunft, an ihre Religionsausübung und letztlich auch an Gesichtspunkte wie ,Rasse’ der soziale Achtungsanspruch aberkannt; sie werden nicht als gleichberechtigte Mitglieder in der rechtlich verfassten Gemeinschaft angesehen.“

Das Verwaltungsgericht München schreibt in seinem schon erwähnten Urteil vom 20. Juni 2024, es lägen hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für die „jedenfalls bei Teilen der AfD bestehende Zielsetzung“ vor: „Deutschen mit Migrationshintergrund soll ein rechtlich abgewerteter Status zuerkannt werden, wenn zwischen ihnen – den ,Passdeutschen’ – und einem auf einem ethnisch-biologischen bzw. ethnisch-kulturellen Volksverständnis basierendem deutschen Staatsvolk unterschieden wird und Forderungen nach ,Remigration’ befürwortet werden, die Deutsche mit Migrationshintergrund einschließen.“

Sogar der AfD-Hardliner Maximilian Krah schrieb am 11. Dezember 2024 auf X: „Sicher verboten ist es, alle ethnischen Nicht-Deutschen in einen Topf zu werfen und dann, selbst bei Staatsangehörigen, pauschal von ,Remigration’ zu reden. Würde sich das festsetzen, wäre das Parteiverbot erfolgversprechend.“ Zur Erinnerung: Sellner fasst drei Gruppen unter den Begriff der „Remigration“: Ausländer, Menschen mit Aufenthaltsstatus und eben „nicht assimilierte“ Staatsbürger.

Screenshot X Maximilian Krah
Screenshot X Maximilian Krah

Stellt Sellners Konzept der „Remigration“ die rechtliche  Gleichheit aller Staatsangehörigen in Frage?

Das Grundgesetz garantiert die rechtliche Gleichstellung aller Staatsangehörigen, unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Diese Gleichstellung wird in Frage gestellt, wenn bestimmte Staatsbürger über Begriffe wie „nicht-assimiliert“ abgeteilt werden, für die dann eigens „maßgeschneiderte Gesetze“ entworfen werden sollen, damit sie das Land verlassen. Sellner selbst spricht in dem oben erwähnten Video vom 27. Dezember 2023 nicht von einzelnen Menschen, sondern von Gruppen. Er spricht von etwa zwölf Millionen Staatsbürgern mit migrantischem Hintergrund. Von ihnen kämen „fünf bis sechs Millionen“, so Sellner in dem Video, für eine „Remigration möglicherweise“ infrage.  

In der deutschen Geschichte hat die Forderung nach Assimilierung eine unrühmliche Vorgeschichte, galt sie doch anfänglich jüdischen Menschen. 

Genauer gesagt entstand diese Forderung im Zuge der Aufklärung – vor allem im 19. Jahrhundert – sowohl in jüdischen Gemeinden selbst, vor allem aber auch in der damaligen Mehrheitsgesellschaft. Im Zuge der Reichsgründung 1871 wurden die Juden zwar zu gleichberechtigten Staatsbürgern gemacht. Ihre „Assimilierung“ stellten rechtsvölkische Politiker gleichwohl bereits damals schon, also im Kaiserreich in Frage. Der Historiker und damalige Reichstagsabgeordnete Heinrich von Treitschke sprach den Juden sogar ab, sich assimilieren zu wollen. Von ihm stammt der Satz „Juden sind unser Unglück“. Diesen nutzten die Nationalsozialisten später als Kampfparole. Treitschke stigmatisierte die Juden damit zu Feinden, die nicht Teil der nationalen Einheit seien. Später konnten sich nicht einmal diejenigen, die sich bewusst assimilierten, vor der Vernichtung retten. Selbst jüdische Männer, die im 1. Weltkrieg noch für den Kriegseinsatz mit Orden ausgezeichnet wurden, wurden von den Nationalsozialisten zunächst entrechtet und anschließend ermordet. Wenn Sellner in seinen Büchern, Auftritten und auch bei seinem Vortrag in Potsdam, Menschen als „nicht-assimiliert“ herabwürdigt, gehört dieser historische Kontext dazu.

Geht es bei Sellners Konzept der „Remigration“ vielleicht doch nur um „Einzelfälle“?

Nein. Sellners Ziel ist es, die „ethno-kulturelle Identität“ zu „bewahren“, die durch den „Bevölkerungsaustausch“ bedroht sei. Der Kipppunkt in Sellners Untergangsszenario ist die „ethnische Wahl“. Mit diesem harmlos klingenden Begriff teilt er Wahlberechtigte auf, einen Teil nennt er „Fremde“. In Potsdam sagte er: „Nicht nur, dass die Fremden hier leben. Sie wählen auch hier.“  

In seinem nachgestellten Video zum Vortrag in Potsdam spricht er: „Demographie frisst die Demokratie. Deshalb ist die ethnische Wahl als politische Auswirkung des Bevölkerungsaustauschs die Zerstörung unserer Demokratie.“

Der Kampfbegriff der „ethnischen Wahl“ raubt Staatsbürgern mit migrantischer Biographie die Individualität und macht sie zu einer kollektiven Bedrohung. Er spricht davon, dass Deutsche mit Migrationshintergrund vor allem „migrationsfreundliche Parteien“ wählen würden. 

Am Ende der Nachstellung seines Vortrags in Potsdam sagt Sellner: „In der Nachfrage ging es darum, kann man die ethnische Wahl noch aufhalten? Ist eine Remigration möglich? Und da habe ich erwähnt, die drei Zielgruppen der Remigration, die Asylanten, die Nicht- Staatsbürger, die Nicht-Assimilierten“.

Es fällt auf, dass Sellner in dem nachgestellten Vortrag hinter den „Nicht-Assimilierten“ das Wort „Staatsbürger” weglässt, das er bei anderen Gelegenheiten in diesem Zusammenhang benutzt. Das ist offenbar Teil des Verwirrspiels: Drei Schritte vor, zwei Schritte zurück. Gleichwohl macht er mit seiner Forderung nach „Remigration“ als Antwort auf die „ethnische Wahl“ deutlich, dass es ihm eben nicht nur um Einzelfälle ging, sondern um „Nicht- assimilierte Staatsbürger“ als solche geht, wobei – wie so oft innerhalb der rechten Szene – offen bleibt, wer als „nicht assimiliert“ gelten soll. gelten  

In seinem Video vom 27. Dezember 2023 bei Compact präzisiert Sellner, an wie viele „nicht assimilierte Staatsbürger“ er denkt: „Aus meiner Sicht sind es fünf bis maximal sechs Millionen von diesen zwölf Millionen. Also rund die Hälfte Menschen, die möglicherweise, wichtig, möglicherweise, für eine Remigrationspolitik in Frage kämen, weil sie sich nicht assimilieren wollen, können und daher dauerhaft auch nicht in das Land passen, sondern eher besser in einem anderen Land leben sollten.“

Ging es in Potsdam um einen „Masterplan“?

Ja. Das Treffen von Potsdam, bei dem Sellner sein Konzept der Remigration hochrangigen Politikern der AfD, Unternehmern und weiteren Teilnehmern vorstellte, war auch ein Vernetzungstreffen. Ziel war es laut der schriftlichen Einladung von Gernot Mörig, das „Gesamtkonzept im Sinne eines Masterplans“ von Sellner vorstellen zu lassen und zu diskutieren – auch wie es politisch umsetzbar sei. In der Einladung hieß es: „Unsere Zielrichtung ist eindeutig: Wir müssen im Rahmen eines Gesamtkonzeptes jene Projekte bzw. Aktivisten intensiv unterstützen, die erfolgreich über unsere Blase hinaus wirken.“ Mörig machte in seiner Eröffnungsansprache „Remigration“ – wie eingangs erwähnt – zum zentralen Thema der Veranstaltung.  

Sellner skizzierte diesen Plan mit eigenen Worten in dem nachgestellten Video so: „Die Migrationswende, man kann sie auch Remigration nennen, braucht aber auch eine andere Identitätspolitik. Also eine andere Migrations-, Familien-, Bevölkerungspolitik funktioniert nur, wenn es auch eine andere Identitätspolitik gibt, also eine andere Kulturpolitik, Bildungspolitik, Erinnerungspolitik. Es braucht also sowohl eine Politik der Leitkultur als auch eine Politik der Remigration. Beide gehen Hand in Hand, ohne Stolz auf das Eigene, ohne Liebe zum Eigenen, ohne eine Überwindung des Nationalmasochismus werden wir auch die Massenmigration Bevölkerungsaustausch nicht überwinden.“

Es wurden mögliche Wege in Potsdam vorgestellt, und es wurde über die Unterstützung durch rechte Influencer. Der AfD-Politiker Ulrich Siegmund warb um Spenden für den Wahlsieg der AfD in Sachsen-Anhalt.

Besonders aufschlussreich ist, dass Sellner das erwähnte Video, das er kurz vor dem Potsdamer Treffen veröffentlicht hatte, mit „Remigration – Wann sagen es Reichelt und Maaßen?“ betitelt hat. 

Das war ganz im Sinn des völkischen Verlegers von Martin Sellner, Götz Kubitschek. Dieser wollte seit Sommer 2023 den Begriff der „Remigration“ in die politische Debatte hineindrücken. Am 31. Juli 2023, einen Tag, nachdem der AfD-Politiker Maximilian Krah auf einem Bundesparteitag in Magdeburg zum Spitzenkandidaten der AfD für die Europawahl 2024 gewählt wurde, schrieb er: „Und deshalb noch einmal und in aller Deutlichkeit: Wir werden, wenn es so weitergeht, bis zum Ende des Jahres den Begriff Remigration in der Gesellschaft und die Warnung vor bloßem Parlamentspatriotismus in der Partei platziert haben. Krah in Magdeburg, Sellner in Wien – das sind Zahnräder, das ist die gelungene Verschränkung von Vorfeld und Partei, von Nachdenken und Umsetzen.“

In welchem Zusammenhang steht die historische Aufarbeitung der Verbrechen des Nationalsozialismus in Deutschlands mit Sellners „Politik der Remigration“?

Sellner sagt in dem nachgestellten Vortrag, dass „eine Politik der Remigration“ nur möglich sei, wenn es eine „andere Erinnerungspolitik“ gäbe und „Nationalmasochismus“ überwunden werde. Ohne eine „Liebe zum Eigenen“ sei das nicht möglich. In seinem Buch „Regime Chance von rechts“ beschreibt er ebenfalls die Verbindung zwischen dem völkischen Ziel und der Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus. Er schreibt, das „rechte Hauptziel“ sei: „Wir müssen unsere ethnokulturelle Identität bewahren“. Die „auf Traumatisierung und nationalen Selbsthass ausgerichtete Geschichtserziehung“ müsse weichen. Letztere Aussage verbindet Sellner in seinem Buch mit einer Fußnote, die auf ein Buch zur „Holocaust Education“ bei Jugendlichen hinweist. 

Warum muss das Wort „Remigration“ eingeordnet werden?

„Remigration“ ist wie oben gesehen ein verharmlosender Tarn- und Funktionsbegriff der völkischen Ideologie und muss deshalb entschlüsselt und eingeordnet werden. Besonders deshalb, weil andernfalls die Strategie der Neuen Rechten, den „Raum des Sagbaren“ zu erweitern, aufgehen könnte, wie es sich Sellner in dem bereits erwähnten nachgestellten Video erhofft:

„Das ist der Rahmen des Sagbaren. Ich habe das mit Globalismus und Patriotismus beschrieben und da gibt es Begriffe und Ideen, die populär sind. Dann sensible, akzeptable, radikale, undenkbare Begriffe im linken Bereich wie im rechten Bereich. Die Linken versuchen ständig, ihre Begriffe und Reden zu normalisieren. Das Gendern war zuerst absurd und jetzt ist es Normalität. (…) Man baut sie auf und dann wiederholt man sie, wiederholt man sie. Klassische Taktik drei Schritte vor, zwei zurück, bis diese Begriffe vom Undenkbaren radikal akzeptabel, sensibel bis populär und Realpolitik geworden sind“.

Sellner will damit ausdrücklich „undenkbare Begriffe“ in die politische Debatte einführen. Und er zeigt, wie die Verwirrung der Begriffe und Ideen geht. In dem Video, das er vier Wochen nach dem Potsdam-Treffen bei Compact veröffentlichte, sagt er – wie oben erwähnt, dass fünf bis sechs Millionen „nicht-assimilierte Staatsbürger“ für eine „Remigration möglicherweise infrage“ kämen. Direkt danach rudert er indes in demselben Video wieder zurück. Er versichert, „es soll keine Staatsbürgerschaft zweiter Klasse eingeführt werden“. Obwohl er genau das zuvor in demselben Video mit der Bezeichnung „nicht-assimiliert“ gemacht hat.

Am 13. Oktober 2022 wies das Verwaltungsgericht Köln eine Klage der Identitären Bewegung Deutschland e.V. gegen die Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz ab. Ein Grund dafür war die Nutzung des Wortes „Remigration“. Das Gericht führt aus:

„Dies gilt auch für den Begriff der ,Remigration’, der ebenfalls vom Kläger verwendet wird. Mit der vom Kläger letztlich geforderten Ausweisung derjenigen Bevölkerungsteile aus Deutschland und Europa, die den ethnokulturellen Kriterien des Klägers nicht entsprechen, kommt ebenfalls eine migrantenfeindliche Grundhaltung zum Vorschein.“

Was unterscheidet das Konzept der „Remigration“ von den Forderung nach geregelter Migration der CDU/CSU?

Die völkische Ideologie ist die Brandmauer zwischen AfD und CDU/CSU. CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hat sich zu Deutschland als „Einwanderungsland“ bekannt. Die Union will strengere Regeln für die Migration und fordert Sanktionen für Einzelfälle. Sellners Remigrationskonzept betrifft aber nicht nur „Einzelfälle“, sondern pauschal Gruppen von Menschen. Millionen von ihnen sollen das Land verlassen. 

Screenshot X Friedrich Merz
Screenshot X Friedrich Merz

Was bedeutet, dass die AfD die „Remigration“ in ihr Programm für die Bundestagswahl aufgenommen hat?

Auf dem Parteitag in Riesa übernahm die AfD das Wort „Remigration“ in ihr Wahlprogamm für die anstehende Bundestagswahl. Alice Weidel sagte zudem in ihrer dortigen Eröffnungsrede am 11. Januar 2025 unter großem Jubel: „Wenn es denn ‹Remigration› heißt, dann heißt es eben ‹Remigration›.“

Den Begriff aus ihrem Mund zu hören, überrascht, denn als Reaktion auf die CORRECTIV-Recherche musste Weidel sich vor Marine LePen, der Parteivorsitzenden des rechten französischen „Rassemblement National“, für die Teilnahme eines ihrer engsten Mitarbeiter an dem Treffen von Potsdam rechtfertigen. Im März 2024 sagte Weidel, wie das Onlinemedium Pioneer berichtete, in einem Hintergrundgespräch: „Die Verwendung des Begriffs halte ich für unklug.“ Intern habe sie das klargestellt: „Was wir meinen, lässt sich auch anders sagen.“ 

Nun aber hat sie eine Kehrtwende vollzogen und gemeinsam mit der AfD den Begriff übernommen. Die Partei verwendet diesen Begriff in ihrem Wahlprogramm zwar nur für eine Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts, und nicht wie Sellner pauschal für mehrere Gruppen, darunter auch für Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund. Allerdings ist der Begriff „Remigration“ kaum von der völkischen Aufladung durch Sellner, aber auch durch AfD-Politiker wie Björn Höcke sowie anderen, zu trennen. 

Fazit: In dem Text der Zeit wurde weder der völkische Hintergrund von Sellners Konzept der „Remigration“ noch die Einschätzung verschiedener deutscher Gerichte dazu erwähnt. Für den weiteren politischen und gesellschaftlichen Diskurs ist wichtig, dass diese Aspekte benannt werden.

Redaktion: Justus von Daniels

Collage: Ivo Mayr

Faktencheck: Finn Schöneck

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