Neue Rechte

AfD-Parteistiftung will Steuergeld – aber pflegt Kontakte zur extremen Rechten

Die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung hat beim Bundesinnenministerium erstmals finanzielle Förderung beantragt. Nun zeigen aktuelle Fotos einen bekannten Rechtsradikalen bei der Stiftungschefin. Fachleute sehen weitere Gründe, woran der Antrag scheitern könnte.

von Marcus Bensmann , Marie Bröckling , Jean Peters

Erasmus-Stiftung-Cover (1)
Erika Steinbach lud ein. Bemerkenswerter Gast: Der rechtsradikale Netzwerker Gernot Mörig. Fotocollage: privat / CORRECTIV / picture alliance / ABBfoto

Alles steht bereit für diese Gartenparty am 18. Mai. Silberne Kaffeekannen auf Stehtischen mit weißem Überzug, auch ein paar Sektgläser sind fein säuberlich aufgereiht. Erika Steinbach, die Vorsitzende der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und ehemalige Bundestagsabgeordnete, hat nach Frankfurt-Eckenheim eingeladen. Konzert in ihrem Privathaus.

Unter ihren Gästen: ein Schuh-Unternehmer, ein rechts-libertärer Publizist und ein bekannter Rechtsradikaler.

Eineinhalb Monate zuvor, am 2. April, hat Steinbach einen Antrag beim Bundesinnenministerium (BMI) eingereicht, um Geld für die Desiderius-Erasmus-Stiftung zu bekommen. Ihren Schätzungen nach soll es dabei für das laufende Jahr um etwa 17 bis 18 Millionen Euro gehen.

„Wir selber als politische Stiftung stehen voll und ganz aus Überzeugung auf dem Boden unseres Grundgesetzes“, sagte Steinbach dazu am Montag in Berlin

Es spielt eine Geige, es spielt ein Klavier.

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Parteinahe Stiftungen erhalten jährlich Hunderte Millionen Euro in Deutschland, nur die AfD-nahe Stiftung bekam bislang nichts.

Die AfD ist zum dritten Mal in den Bundestag gewählt worden, hat deshalb nun Anspruch auf staatliche Finanzierung für ihre Stiftung – genau wie die Konrad-Adenauer-Stiftung der CDU oder die Rosa-Luxemburg-Stiftung der Linkspartei. 

Ein Anspruch entfällt, wenn Personen, die „verfassungsfeindliche Bestrebungen“ verfolgen, in einer Weise tätig sind, dass sie die inhaltliche Arbeit der Stiftung wesentlich beeinflussen können. 

Das Konzert ist vorbei, es wird lange geklatscht. 

Um zu verhindern, dass Verfassungsfeinde staatlich finanziert werden, hat der Bundestag im Jahr 2023 neue Regeln für politische Stiftungen aufgestellt: Sollte beispielsweise die „politische Grundströmung, die der Stiftung zuzuordnen ist“, verfassungsfeindlich geprägt sein, so müsste die Finanzierung abgelehnt werden. Das ist weit gefasst – es geht wohl um das Umfeld der Stiftung, um Medien, die ihr nahestehen, und um die Zielgruppe ihrer Veranstaltungen.

Stiftungschefin Erika Steinbach macht die Tür zum Garten auf, die Gäste treten heraus. Darunter Roland Tichy, ein Publizist, ein vermögender Schuhhändler. Und: Gernot Mörig, ein Rechtsradikaler.

 

Gernot Mörig auf der anschließenden Gartenparty nach dem Hauskonzert bei Erika Steinbach im Gespräch mit dem Schuh-Unternehmer (Foto: privat)
Gernot Mörig auf der anschließenden Gartenparty nach dem Hauskonzert bei Erika Steinbach im Gespräch mit dem Schuh-Unternehmer (Foto: privat)

Stiftungschefin Erika Steinbach mit bekanntem Rechtsradikalen Gernot Mörig

Gernot Mörig ist einer der zentralen Köpfe im rechtsradikalen Vorfeld der AfD. Er gilt als Vernetzer und Geldbeschaffer der rechtsradikalen Szene und wurde zuletzt bundesweit durch die CORRECTIV-Recherche Geheimplan gegen Deutschland bekannt. 

Im November 2023 lud der ehemalige Zahnarzt aus Düsseldorf den rechtsradikalen Vordenker Martin Sellner in das Landhaus Adlon nahe Potsdam, bei dem hochrangige AfD-Funktionäre, Rechtsextreme sowie Unternehmer und CDU-Mitglieder das Konzept der sogenannten „Remigration“ diskutiert haben.

Mit „Remigration“ ist die Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland gemeint, darunter auch deutsche Staatsbürger mit migrantischem Hintergrund. Verfassungsschutz und Gerichte bewerten dieses Konzept als verfassungsfeindlich. 

Auf Anfrage schrieb Mörig, es stimme nicht, dass Sellner in Potsdam „ein Remigrationskonzept vorgestellt hätte, welches auch deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund im Fokus hat.“ Dass dies in Potsdam aber auch besprochen wurde, steht nach Recherchen von CORRECTIV fest und ist von weiteren Teilnehmern, darunter Martin Sellner selbst, bestätigt worden.

Mörig organisierte bereits in den 1970er Jahren Zeltlager für die rechtsradikale Jugend. Im Jahr 1977 veröffentlichte er völkische Forderungen im Journal Nation Europa: „Denn keinem Volk ist von vornherein ein bestimmtes Recht gegeben; so braucht z. B. jedes Volk Raum zum Leben, dieser Raum muss jedoch erkämpft werden.“

Mörig propagiert diese völkische Idee bis heute – über Vernetzungstreffen und Schulungen. Beim Treffen in Potsdam 2023 sagte Mörig, dass „Remigration“ die Frage sei, die darüber entscheidet, „ob das Volk im Abendland überlebt oder nicht“. 

Auf Anfrage schreibt Gernot Mörig gegenüber CORRECTIV, dass er keine völkische Ideologie vertrete. Erika Steinbach habe als Privatperson zu dem Hauskonzert eingeladen: „Weder in der Einladung noch im Programm gab es auch nur einen einzigen Verweis auf die Desiderius-Erasmus-Stiftung.“ 

Wie bewerten Gerichte das völkische Denken?

Die Definition der völkischen Ideologie bildet ein zentrales Argument im Bericht des Verfassungsschutzes zur Einstufung der AfD als „gesichert rechtsextremistisch“, dessen Bestand aktuell gerichtlich geprüft wird.

Die völkische Ideologie wurde von mehreren Gerichten – darunter dem Oberverwaltungsgericht Münster, dem Bundesverwaltungsgericht Leipzig und diversen Verwaltungsgerichten – als verfassungsfeindlich und menschenverachtend eingestuft.

Auch beim Gerichtsverfahren zum Compact-Verbot am Bundesverwaltungsgericht in Leipzig war diese Definition als Hinweis für eine verfassungsfeindliche Prägung ein zentraler Ankerpunkt des Verfahrens. Immer wieder ging es um das „Sellnersche Konzept“, wie die Richter betonten, und ob es „auch in seiner politischen Umsetzung“, dem Magazin „zuordenbar“ sei – ein Konzept also, wie es in Potsdam Ende 2023 besprochen wurde, als Gernot Mörig einlud.

Das politische Umfeld der Desiderius-Erasmus-Stiftung 

Die Szene in Steinbachs Garten im Mai steht bildhaft für die Nähe der Desiderius-Erasmus-Stiftung zur rechtsradikale Szene. Diese Nähe könnte mit dazu führen, dass die Stiftung auch in diesem Jahr keine staatlichen Zuschüsse bekommt.

Denn laut Gesetz muss die Stiftung „in einer Gesamtschau“ Gewähr dafür bieten, dass sie sich künftig aktiv für die freiheitlich-demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung einsetzt, um staatliche Fördermittel zu erhalten. 

Das Bundesinnenministerium wird den Antrag der Desiderius-Erasmus-Stiftung auf dieser Grundlage prüfen. Entscheidend ist dabei nicht die Gesinnung einzelner handelnder Personen, sondern ob die Stiftung insgesamt, also in ihrer personellen, organisatorischen und inhaltlichen Ausrichtung, diesem Anspruch gerecht wird. Üblicherweise stellen die politischen Stiftungen ihre Finanzierungsanträge erst kurz vor Jahresende für das folgende Haushaltsjahr.

Staatsrechtler: Desiderius-Erasmus-Stiftung sei „nicht förderfähig“

„Es gibt meines Erachtens nach stichhaltige Gründe dafür, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung nach diesem Gesetz nicht förderfähig ist,“ sagt Markus Ogorek, Direktor des Instituts für Öffentliches Recht an der Universität Köln. „Das Gesetz wurde gerade für solche Fälle geschaffen.“

Ogorek hat an dem Gesetz mitgewirkt, er war einer der Sachverständigen für die CDU/CSU-Fraktion. Insbesondere der Begriff der „politischen Grundströmung“ sei sehr weit gefasst, sagt er. „Das ist natürlich die AfD und ihre Parteijugend, aber es geht vermutlich noch viel weiter. Dazu können auch AfD-nahe Medien, Fortbildungseinrichtungen und andere Gruppen gehören.“

Das Bundesinnenministerium geht offenbar noch weiter: „Mit dem Merkmal der verfassungsfeindlich geprägten Grundströmung wird nicht unmittelbar auf die Partei abgestellt. Vielmehr ist der Blick darauf zu richten, welche gesellschaftlich-politische Strömung die Partei soziologisch trägt und auch programmatisch bindet,” sagt ein Sprecher gegenüber CORRECTIV.

Auszug aus dem Stiftungsfinanzierungsgesetz (StiftFinG) § 2 Voraussetzungen der Förderung

[…]

(4) Die politische Stiftung bietet in einer Gesamtschau die Gewähr, für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für den Gedanken der Völkerverständigung aktiv einzutreten. Tatsachen, die die Annahme rechtfertigen, dass die politische Stiftung mit ihrer künftigen Stiftungsarbeit diese Gewähr nicht bieten wird, können insbesondere sein
1. eine in der Vergangenheit liegende Stiftungsarbeit, die nicht der Förderung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie dem Gedanken der Völkerverständigung diente,
2. Veröffentlichungen, deren Inhalte die Erwartung begründen, dass die Stiftungsarbeit nicht im Sinne der Nummer 1 dienlich sein wird,
3. die Mitwirkung, Beschäftigung oder Beauftragung von Personen, die die inhaltliche Arbeit der Stiftung wesentlich beeinflussen können, wenn bei ihnen ein hinreichend gewichtiger Verdacht besteht, dass sie verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgen, oder
4. eine verfassungsfeindliche Prägung der politischen Grundströmung, die der Stiftung zuzuordnen ist.
[…]

Organisationen und Personen, die der Desiderius-Erasmus-Stiftung politisch nahestehen – allen voran die AfD – werden vom Verfassungsschutz als extremistische Verdachtsfälle beobachtet oder gelten bereits als gesichert rechtsextremistisch. Auch die 81-jährige Stiftungschefin Erika Steinbach wird im Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz zur AfD mehrfach mit demokratiefeindlichen Aussagen zitiert. Die Bewertung des Bundesamts wird aktuell gerichtlich überprüft.

„Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch könne einen wesentlichen Anhaltspunkt liefern, um die Desiderius-Erasmus-Stiftung von der staatlichen Finanzierung auszuschließen“, sagt die Professorin für Öffentliches Recht der Universität Düsseldorf, Sophie Schönberger. Schönberger war ebenfalls Sachverständige für das Stiftungsfinanzierungsgesetz. Zugleich betont sie, dass es sich um rechtliches Neuland handelt – entscheidend sei letztlich die richterliche Bewertung, sollte die Stiftung bei einer Ablehnung klagen, wie zu erwarten ist. 

Auch Rudolf Mellinghoff, ehemaliger Bundesverfassungsrichter, geht davon aus, dass die Desiderius-Erasmus-Stiftung keine staatliche Finanzierung bekommen wird. Mellinghoff war ebenfalls als Sachverständiger für das Stiftungsfinanzierungsgesetz für die CDU/CSU-Fraktion tätig. 

Das Gesetz setze „nur eine verfassungsfeindliche Prägung der ‘politischen Grundströmung’, nicht die Feststellung der Verfassungswidrigkeit voraus“, sagt Mellinghoff. Die Anforderungen zum Ausschluss von der Stiftungsfinanzierung seien also deutlich niedriger als beispielsweise bei einem Parteiverbotsverfahren. 

„Wenn eine Partei als gesichert rechtsextremistisch eingestuft wird, lässt sich mit guten Gründen vertreten, dass diese verfassungsfeindliche Prägung auch zum Ausschluss der entsprechenden Stiftung von der Stiftungsfinanzierung führt“, erklärt Mellinghoff. Die Einstufung der AfD als gesichert rechtsextremistisch wird aktuell vor Gericht geprüft.

Bundesinnenministerium verweist auf ausstehende Prüfung

Das Bundesinnenministerium (BMI) ist bei parteinahen Stiftungen der Hauptgeldgeber, aber auch das Auswärtige Amt, das Bildungs- und das Entwicklungsministerium stellen Fördermittel bereit. Die Prüfung liegt allein beim Bundesinnenministerium, das Ergebnis gilt für alle Ressorts. Nach Informationen von CORRECTIV ging der Antrag der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung bislang nur beim Bundesinnenministerium ein.

Von dort heißt es, dass es keinen Automatismus vom AfD-Gutachten zu einem Ausschluss von Geldern für die Desiderius-Erasmus-Stiftung gebe: „Eine Einstufung beispielsweise der AfD führt nicht automatisch zum Versagen einer Finanzierung der nahestehenden DES, sie ist lediglich ein Baustein einer eigenständigen Prüfung der Stiftung“, sagt ein Sprecher gegenüber CORRECTIV.

Sollte die Desiderius-Erasmus-Stiftung leer ausgehen, werde sie vors Verwaltungsgericht ziehen, kündigte die Stiftungschefin Erika Steinbach an.

Gerhard Papke steigt aus dem Auto auf dem Weg zur Veranstaltung von Erika Steinbach (Foto: privat)
Gerhard Papke steigt aus dem Auto auf dem Weg zur Veranstaltung von Erika Steinbach (Foto: privat)

Welche Rolle spielt ein Hauskonzert für die politische Ausrichtung einer Stiftung?

Dass der rechtsradikale Vernetzer Gernot Mörig im Garten von Stiftungschefin Erika Steinbach zu sehen ist, könnte bei der Frage der Stiftungsfinanzierung eine Rolle spielen – sollte sich herausstellen, dass das Konzert im Garten von Steinbach in Zukunft für die Stiftungsarbeit relevant werden könnte. „Solche Gartenpartys können natürlich vor Gericht angeführt werden. Dann kommt es beispielsweise darauf an: Wurden dort Kontakte geknüpft und politische Pläne geschmiedet?“, sagt Verfassungsrechtler Markus Ogorek.

Die Parteienrechtlerin Schönberger sieht es ähnlich: Ein gemeinsames Treffen würde noch nicht ausreichen, sagt Schönberger: „Jeder kann sich mit Verfassungsfeinden treffen, ohne ein Verfassungsfeind zu sein“. Kontaktschuld gebe es nicht. „Sollte es Mörig aber gelingen, die Stiftungsarbeit mit der völkischen Agenda zu beeinflussen, dann wäre es problematisch“, sagt Schönberger.

„Wenn die Gespräche nachweisbar Einfluss auf die inhaltliche Arbeit der Stiftung haben, könnte der Tatbestand der Mitwirkung bei einer weiten Auslegung erfüllt sein“, sagt auch Rudolf Mellinghoff.

CORRECTIV hat keine Kenntnisse über die Gespräche bei dem Treffen in Frankfurt am Main und ob die Stiftung in irgendeiner Weise involviert war. Es sei ein „rein privates, gänzlich unpolitisches Hauskonzert mit Freunden, Nachbarn und Bekannten” gewesen, schreibt Stiftungschefin Erika Steinach auf Social Media. Auf eine detaillierte Anfrage von CORRECTIV reagierte sie sonst nicht. Gernot Mörig schreibt auf Anfrage, „Mitnichten habe ich mich vor Ort über die Arbeit der Desiderius-Erasmus-Stiftung unterhalten.“

SPD-Innenpolitiker Helge Lindh sieht in dem Treffen ein klares Signal: „Wenn sich erwiesene Nazi-Kader mit der Vorsitzenden der Desiderius-Erasmus-Stiftung treffen, ist das nicht privat.“ Der Versuch, sich einen bürgerlichen Anstrich zu geben und staatliche Förderung zu erhalten, sei „kläglich gescheitert“. Lindh betont: „Verfassungsfeinde und ihnen nahestehende Organisationen dürfen nicht mit Steuergeldern gefördert werden. Wer Nazis hofiert, verlässt unsere demokratische Grundordnung – auf dessen Boden die AfD und ihre Stiftung schon lange nicht mehr stehen.“

Roland Tichy auf dem Weg zur Gartenparty (Foto: privat)
Roland Tichy auf dem Weg zur Gartenparty (Foto: privat)

Weitere Gäste bei Steinbach auf dem Hauskonzert mit anschließender Gartenparty

Gerhard Papke

Gerhard Papke, Ex-Fraktionsvorsitzender der FDP in Nordrhein-Westfalen und Präsident der Deutsch-Ungarischen Gesellschaft, war zu Gast. Papke ist laut eigener Webseite gegen „Massenzuwanderung“, den „unerbittlichen Machtanspruch woker Ideologen“ und den „Brüsseler Zentralismus“. Auf X hat er am 4. Januar geschrieben: „Die Bundesrepublik Deutschland war immer ein weltoffenes, freundliches, hilfsbereites Land. Aber jetzt macht man uns im eigenen Land zu Fremden. Kein Volk der Welt muss sich das bieten lassen!“, was in der Sprachwahl an die völkischen Thesen vom „Eigenen“ und „Fremden“ erinnert.

Auf Anfrage distanzierte Papke sich vom völkischen Konzept der „Remigration“ Martin Sellners. Auch Gernot Mörig, der ebenfalls auf der Gartenparty war, kenne er nicht: „Herr Mörig ist mir persönlich nicht bekannt, ich hatte nie irgendeinen Kontakt zu ihm und werde das auch in Zukunft so halten. Bis zu Ihrer Anfrage wusste ich nicht, dass er beim Hauskonzert zugegen war“, schreibt er an CORRECTIV. Für die Desiderius-Erasmus-Stiftung sei er nicht tätig.

 

Roland Tichy
Auch Roland Tichy, der das rechtslibertäre Onlinemagazin Tichys Einblick leitet, war vor Ort. Ein Artikel von Tichy zum Thema Migration wird im AfD-Gutachten des Verfassungsschutzes mit der Verschwörungserzählung eines sogenannten „Bevölkerungsaustauschs“ in Verbindung gebracht. In dem Artikel schreibt Tichy, dass es das Ziel einflussreicher NGOs wäre, „die einheimische Bevölkerung ethnisch zu ersetzen“ und eine „rassische Umgestaltung der Bevölkerung“ herbeizuführen.
Ein Schuh-Unternehmer

Ebenfalls anwesend war der Geschäftsführer einer Schuhmarke. In der Vergangenheit wurde er als Förderer von rechten Onlinemedien bekannt.

Vorstand der Desiderius-Erasmus-Stiftung im Visier 

Auch die Mitwirkung von Personen mit wesentlichen Einfluss in der Stiftung, gegen die ein hinreichend gewichtiger Verdacht auf verfassungsfeindliche Bestrebungen besteht, kann laut Gesetz ausreichen, um die Förderfähigkeit der Stiftung infrage zu stellen. Im geleakten Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz, das die AfD als „gesichert rechtsextremistisch“ einstuft, werden Mitglieder des Bundesvorstands der Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) namentlich genannt. 

Die Vorsitzende Erika Steinbach taucht mehrfach im Bezug auf Verstöße gegen das Demokratieprinzip auf, unter anderem mit Aussagen, in denen sie Deutschland als „entdemokratisiert“ oder „auf dem Weg in den Totalitarismus“ beschreibt. 

Der Schriftführer der Stiftung, Thore Stein, ist AfD-Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern. Stein hat zwei Beiträge des rechtsextremen Netzwerks „Ein Prozent“ auf Twitter/X geteilt und war dort 2022 Podcast-Gast zum Thema Landwirtschaft, schreiben die Verfassungsschützer. Gegenüber CORRECTIV sagt Stein, seine Mitarbeiterin habe die Beiträge auf X geteilt aber er stelle sich „in dieser Angelegenheit vor sie“. In seiner Stellungnahme gegenüber CORRECTIV schreibt Stein, dass das Thema „Remigration“ in der Stiftung „so gut wie keine Rolle“ spiele. Stein ist der Schwiegersohn von Gernot Mörig, der das Treffen mit Rechtsextremen in Potsdam Ende 2023 organisierte und das Hauskonzert von Steinbach besuchte.

Sebastian Wippel ist Beisitzer im Stiftungsvorstand und AfD-Landtagsabgeordneter in Sachsen. Wippel fällt laut Verfassungsschutz durch wiederholte Facebook-Posts auf, in denen er von „Umvolkung“, „importierter Gewalt“ und einem angeblichen „demografischen Austausch“ spricht – zentrale Begriffe der extremen Rechten, die im Gutachten als verfassungsfeindlich bewertet werden. Auf eine Anfrage zu seiner Tätigkeit in der Desiderius-Erasmus-Stiftung hat er nicht geantwortet.

Referenten der Desiderius-Erasmus-Stiftung aus rechtsradikalem Milieu

Mehrere Referenten der Stiftung sind in den letzten Jahren im rechtsradikalen Milieu in Erscheinung getreten. Etwa Karlheinz Weißmann, Mitgründer des rechtsextremen „Instituts für Staatspolitik“, war 2021 Kuratoriumsvorsitzender der Desiderius-Erasmus-Stiftung und später als Referent zur deutschen Geschichte für die Stiftung tätig. 

Oder der AfD-Landtagsabgeordnete Joachim Paul, der 2021 einen Vortrag zu einem Wirtschaftsthema bei der Desiderius-Erasmus-Stiftung hielt. 2023 lud Paul den Rechtsextremen Martin Sellner für einen Vortrag in anderem Kontext ein, kurz nachdem dessen völkischen „Remigrations“-Pläne massenweiser Vertreibung deutscher Staatsbürger unter ethnischen Gesichtspunkten bekannt wurden.

Auch der AfD-Politiker Jurij Kofner trat 2021 als Referent für die Desiderius-Erasmus-Stiftung auf. Im Verfassungsschutz-Gutachten wird beschrieben, dass er ethnokulturelle Homogenität als derart essenziell ansehe, dass der soziale Friede von ihr abhängig gemacht werde. Damit dokumentiert der Bericht eine personelle Verbindung zwischen der Stiftung und jenen Teilen der AfD, die vom Verfassungsschutz als besonders radikal eingestuft werden.

Prominente Unterstützer der Desiderius-Erasmus-Stiftung

Auch AfD-Bundestagsabgeordnete unterstützen die Stiftung beispielsweise als Mitglieder des Freundesvereins. Darunter Udo Hemmelgarn, der nach Recherchen der Rheinischen Post 2017 offenbar als „Reichsbürger“ von den Landesverfassungsschutzbehörden beobachtet wurde. Hemmelgarn streitet das ab. Gegenüber CORRECTIV äußert er sich nicht zu seiner Tätigkeit in der Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Götz Frömming hat laut eigener Aussage am Aufbau der Desiderius-Erasmus-Stiftung mitgewirkt. Er wird im Gutachten des Verfassungsschutzes mit der Parole „Alles für Brandenburg“ zitiert, die an die verbotene NS-Parole erinnert. Auf eine Anfrage zu seinem Engagement in der Desiderius-Erasmus-Stiftung hat er nicht geantwortet.

Bollwerk für demokratische Bildung?

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Die parteinahen Stiftungen sollten im Geiste der „Reeducation“ durch die Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg ein demokratischer Schutzwall gegen autoritäres Denken sein, wie Michael Borchard von der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) schreibt. Das Ziel sei es gewesen, „durch politische Bildung zum Aufbau und zur Festigung der Demokratie beizutragen“, heißt es in einer Publikation der KAS zur Stiftungsgeschichte. 

Sollte die Desiderius-Erasmus-Stiftung entgegen den Einschätzungen von Experten eine finanzielle Förderung erhalten, wäre sie damit in eine Struktur eingebunden, die einst als Bollwerk demokratischer Bildung gedacht war.

Update: Wir haben die Information hinzugefügt, dass wir Erika Steinbach mit einem Fragenkatalog anfragten, auf den Sie über den Post auf Social Media hinaus nicht reagierte. Die Anfrage zielte darauf ab, welche persönlichen und institutionellen Verbindungen Erika Steinbach zu dem rechtsradikalen Aktivisten Gernot Mörig unterhält, welche Rolle er in Bezug auf die Desiderius-Erasmus-Stiftung spielt, und wie Steinbach das verfassungsfeindliche Konzept der „Remigration“ sowie die Einschätzung des Verfassungsschutzes zu ihrer Person bewertet.

Redaktion: Justus von Daniels, Frida Thurm
Faktencheck: Martin Böhmer
Illustration: Mohamed Anwar

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