Russland/Ukraine

Söder: „Die schlimmsten Kremlknechte sind die von der AfD“

Dutzende Bundestagsabgeordnete äußern sich zur CORRECTIV-Recherche „Alternative für Russland“ und verurteilen den Russland-freundlichen Kurs der AfD.

von Marcus Bensmann

Bundestag
Etliche Abgeordnete des Bundestages verurteilen die Russland-Nähe der AfD. Foto: Bernd von Jutrczenka / picture alliance/dpa

Die CORRECTIV-Recherche „Alternative für Russland“ befeuert in Berlin und in den Bundesländern die politische Debatte zum Umgang mit der AfD an. Nach der Veröffentlichung haben sich etliche Abgeordnete aus dem Bundestag dazu geäußert.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Roderich Kiesewetter sieht in der AfD den „verlängerten Arm Russlands“ im Bundestag und hält die Russlandannäherung der AfD für eine Gefahr der „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“. Auch der CSU-Vize und Vorsitzende der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, Manfred Weber, warnt: „Die AfD agiert in der EU wie ein Statthalter Putins. Dass ausgerechnet die AfD Deutschland bei Putin ans Messer liefert, ist bemerkenswert und vor allem sehr gefährlich“, schreibt Weber in Reaktion auf die Recherche von CORRECTIV.

In der Veröffentlichung „Alternative für Russland“ zeigte CORRECTIV anhand von Reisen, Interviews und Programmen, wie sich die AfD in 10 Jahren ihres Bestehens von der Westbindung entfernte und sich Russland annäherte. Auf den ersten Blick harmlos klingende Begriffe „Eurasien“ und „multipolare Weltordnung“ wurden von russischen Nationalisten zu Kampfbegriffen umgedeutet, deren Ziel es ist, Russland zu stärken und die universellen Menschenrechte abzuschaffen, Die CORRECTIV-Recherche zeigt, wie die AfD diese Begriffe in diesem Sinne übernimmt.

Einen Tag nach der Veröffentlichung der Recherche griff der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die AfD wegen der Russlandnähe an: „Die schlimmsten Kreml-Knechte sind die von der AfD“, sagte er auf einer Wahlveranstaltung in Bayern.

Aus dem Bundestag gab es weitere Reaktionen auf die Recherche, die sich kritisch zum Russland-Kurs der AfD äußern. Hier lesen Sie die wichtigsten Zitate:

Thorsten Frei, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion (CDU):

„Die AfD stellt sich mit ihren außenpolitischen Vorstellungen gegen die Sicherheitsinteressen unseres Landes. Mit ihren kruden Thesen leistet diese Partei der Strategie Putins Vorschub, die Europäische Union zu beschädigen und einen Keil zwischen die europäischen Länder und die transatlantischen Partner zu treiben. Die Rechtsaußen-Truppe nimmt es nicht nur billigend in Kauf, sondern betreibt aktiv die Beschädigung unseres Verteidigungsbündnisses, das seit mehr als sieben Jahrzehnten unsere Sicherheit garantiert.“

Konstantin von Notzstellvertretender Fraktionsvorsitzender im der Grünen-Fraktion im Bundestag (Die Grünen):

„Die AfD versteht sich längst als der parlamentarische Arm von Wladimir Putin im Deutschen Bundestag. Die Alternative für Deutschland ist für Alice Weidel, Tino Chrupalla und Co. offensichtlich das autoritäre und repressive Russland. Russland wiederum hat die AfD, genau wie andere Rechtspopulisten und -extremisten in ganz Europa, längst als nützliche Verbündete identifiziert. Beispielsweise verbreitet man Online-Kampagnen der AfD mit Hilfe ganzer Trollarmeen, verschiebt bewusst Diskurse und versucht so, Gesellschaften zu spalten. Auch bei der internationalen Vernetzung von Demokratieverächtern ist man behilflich. Längst ist hier eine unheilvolle Allianz entstanden, die – auch durch wertvolle journalistische Recherchen – zum Glück immer sichtbarer wird.“

Ralf Stegner, Bundestagsabgeordneter (SPD):


Es ist eine große Gefahr für unsere Demokratie, wenn sich eine Partei im Deutschen Bundestag und in den Landtagen aktiv daran beteiligt, mit Hilfe von Autokraten demokratische Institutionen zu untergraben und den Diskurs zugunsten anti-demokratischer Positionen zu beeinflussen. Demokratinnen und Demokraten in Deutschland und Europa müssen sich dagegen wehren und dabei die katastrophalen geopolitischen, wirtschaftlichen und innenpolitischen Konsequenzen der AfD-Programme klar benennen.“


Anja Karliczek, Bundestagsabgeordnete (CDU):

„Die europäische Solidarität aller Länder und die dafür auch notwendige innenpolitische Unterstützung wird auch durch den AfD-Kurs in Deutschland gefährdet.“

Knut Abraham, Bundestagsabgeordneter (CDU):

„Die AfD steht in der Tradition anderer deutsch-nationaler, russlandfreundlicher Parteien wie der DNVP zu Weimarer Zeiten. Schon damals war dieser Kurs grundfalsch und letztlich fatal.“

Jessica Rosenthal, Bundestagsabgeordnete (SPD):

Der prorussische Kurs der AfD zeigt, dass sie sich lieber autoritären Herrschern und Diktatoren annähern, anstatt den Schulterschluss mit demokratischen Staaten zu suchen.“

Brian Nickholz, Bundestagsabgeordneter (SPD):

„Als ordentliches Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen habe ich keine direkten Berührungspunkte mit Außenpolitiker:innen der AfD und keine unmittelbaren Kenntnisse zu Debatten, die in den entsprechenden Fachausschüssen stattfinden. Umso erstaunlicher ist es, dass prorussische Kommunikationsmuster auch in unserem Ausschuss von der AfD vorgetragen werden, wenn es etwa um die Wohnungsnot in Deutschland und die von der AfD propagierte Schuld der Geflüchteten – auch aus der Ukraine – daran geht. Per Hauspost hat im vergangenen Jahr ein Abgeordneter, der über die AfD in den Bundestag eingezogen ist, nun aber nicht mehr der AfD-Fraktion angehört, eine Art Pamphlet an alle Abgeordneten geschickt, welches das russische Narrativ eines westlichen Imperialismus aufgriff und die Schuld am Krieg der Ukraine und dem Westen zuschrieb.“ 

Daniel Rinkert, Bundestagsabgeordneter (SPD):

„Dieser Kurs der AfD ist sehr gefährlich, denn er zielt darauf ab, unsere Gesellschaft und das demokratische System zu destabilisieren. Die AfD möchte eine grundlegende Abkehr vom aktuellen Zusammenleben. Russland ist für sie dabei ein Vorbild.“

Carmen Wegge, Bundestagsabgeordnete (SPD):

„Die AfD und ihr Gedankengut sind eine Gefahr für unsere Demokratie. Zum einen, da immer größere Teile der Partei eindeutig rechtsextreme Positionen einnehmen und ohne Berührungsängste Netzwerke in die rechtsextreme Szene pflegen. Zum anderen aber auch, da die Partei und viele ihrer führenden Köpfe russische Staatspropaganda reproduzieren und in Deutschland verbreiten. Das russische Regime arbeitet seit vielen Jahren gezielt mit Desinformationen, um liberale Demokratien in Europa zu destabilisieren. Die AfD macht sich hörig zum Instrument dieses Anliegens. Die verbreitete Propaganda ist klar anti-demokratisch und geschichtsrevisionistisch.“

Sebastian Hartmann, Bundestagsabgeordneter (SPD):

„Die AfD übernimmt bewusst prorussische Narrative, um die Gesellschaft zu spalten und sich als vermeintliche Protestpartei zu inszenieren. Dies wird deutlich, wenn der völkerrechtswidrige Angriffskrieg als angeblich russische Selbstverteidigung aufgrund der NATO dargestellt wird. Innenpolitisch ist riskant, dass sie eine Wiederaufnahme der Nordstream-Pipeline als deutsche Energiesouveränität instrumentalisieren, aber ihr eigentliches Ziel, die Abhängigkeit von Russland zu verstärken, damit verschleiern. Diese naiv wirkende Russlandtreue ist ein strategisches Vorgehen und dient in Wahrheit den spalterischen Zielen der Partei. Dass diese gefährliche Rhetorik in Deutschland und Europa verfängt, ist bedenklich und wirkt ebenso widersprüchlich wie polarisierend auf die anstehenden Wahlkämpfe.“

Kevin Leiser, Bundestagsabgeordneter (SPD):

„Putin und die AfD sind Feinde der freiheitlichen Demokratie. Beide nutzen Fakes und Desinformation. Die AfD verbreitet im Deutschen Bundestag und in der deutschen Öffentlichkeit russische Propaganda. Putin nutzt TV-Auftritte von AfD-Abgeordneten im russischen Fernsehen zur Legitimation der eigenen Lügen nach innen. Diese Verquickung bedroht unsere Gesellschaft. Das geht inzwischen so weit, dass ein AfD-Abgeordneter einen Mitarbeiter mit direktem Bezug zur russischen Regierung beschäftigt.“

Auf die Anfrage zu der Recherche haben mehrere Mitglieder der FDP-Fraktion geantwortet, allerdings mit einer gleichlautenden Antwort. Wir nennen hier stellvertretend Teile der Antworten von drei Abgeordneten:

Ria Schröder, Bundestagsabgeordnete (FDP):

„Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht Wladimir Putin die europäische Friedensordnung und unsere Freiheit. Die AfD tritt als willfähriger Fürsprecher Putins auf, wenn sie sich wiederholt für eine Wiederaufnahme russischer Energieimporte oder für den Austritt aus der Europäischen Union ausspricht. Dieser AfD-Kurs schadet Deutschland und verhöhnt die ukrainischen Opfer. Gleichzeitig lenken Putin und seine Vasallen gezielt Flüchtlinge an die EU-Außengrenzen, mit dem Ziel die EU zu destabilisieren.“

Christoph Hoffmann, Bundestagsabgeordneter (FDP):

„Die AfD spielt die Rolle des nützlichen Idioten. Sie tritt als willfähriger Fürsprecher Putins auf, wenn sie sich wiederholt für eine Wiederaufnahme russischer Energieimporte oder für den Austritt aus der Europäischen Union ausspricht.“

Volker Redder, Bundestagsabgeordneter (FDP):

„Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die Ukraine bedroht Wladimir Putin die europäische Friedensordnung und unsere Freiheit. Die AfD tritt als willfähriger Fürsprecher Putins auf, wenn sie sich wiederholt für eine Wiederaufnahme russischer Energieimporte oder für den Austritt aus der Europäischen Union ausspricht. Dieser AfD-Kurs schadet Deutschland und verhöhnt die ukrainischen Opfer.“

Clara Bünger, Bundestagsabgeordneter (Die Linke): 

„Clara Bünger erkennt bei der AfD einen autoritären Pro-Putin-Kurs, der durchaus als Gefahr ernstgenommen werden sollte.“

Ralph Lenkert, Bundestagsabgeordneter (Die Linke):

Für mich ist der prorussische Kurs der AfD nichts als ein Mittel, um Wählerstimmen zu gewinnen, er entspricht keinen inneren Überzeugungen der Führungsriege der AfD, die würden auch einen anderen Kurs gegenüber Russland einschlagen, wenn es der AfD bei Wahlen mehr Prozente bringen würde.“

Martina Renner, Bundestagsabgeordnete (Die Linke):

„Enge Verbindungen zwischen europäischen rechtsextremen Parteien und russischen Stellen, seinen nahestehenden Institutionen und Personen, wie dem Oligarch Konstantin Malofejew, sind lange belegt. Wichtige Werkzeuge der Einflussnahme und Unterstützung sind Geld, Einladungen und Hofieren und Platzieren von Verbindungspersonen, auch im Apparat der AfD.“

Die politische Auseinandersetzung über den Russlandkurs der AfD hat begonnen. Außenpolitisch hat sich die AfD auch in ihren Programmen entschieden, sich an Russland zu orientieren. Wir werden über die Entwicklung weiter berichten.