Bündnis Sahra Wagenknecht

Mitarbeiter der BSW-Mitgründerin Nastic ist prorussischer Nationalist

Die BSW-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic beschäftigt einen serbisch-deutschen Nationalisten als Mitarbeiter. Noch ein Jahr nach dem russischen Angriff nahm er zudem an einer Konferenz des russischen Nationalisten Alexander Dugin teil. Nastic sieht darin kein Problem, löschte aber nach CORRECTIV-Anfrage Verbindungen zu ihrem Mitarbeiter.

von Shammi Haque , Leon Ueberall , Alexej Hock , Justus von Daniels

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BSW-Mitarbeiter Lovic: Nähe zum Putin-Ideologen Dugin und zu serbischen Nationalisten. Collage: Ivo Mayr/CORRECTIV (Vorlage: picture alliance & unsplash.com)

Es ging um eine neue Weltordnung, um globale Machtverschiebungen und die Bekämpfung westlicher Werte: Im April 2023 versammelten sich mehr als 100 Teilnehmer auf Einladung von Alexander Dugin auf einer „Konferenz zur multipolaren Welt“, um sich über ihre Weltbilder auszutauschen. Dugin ist ein russischer Nationalist, der sich die Vernichtung der Ukraine wünscht. Seit vielen Jahren spinnt er ein weltweites Netzwerk Gleichgesinnter auch zum Kreml.

Als 76. Redner erhielt Andreja Lovic auf der Videokonferenz das Wort. Es dauerte ein bisschen, bis er im Bild zu sehen und zu hören war. Dann bedankte sich Lovic für die Möglichkeit, in diesem „wichtigen Gremium“ zu sprechen und äußerte seine Unterstützung für „Multilateralismus statt Kolonialismus des Westens“. Später verbreitete Dugin Lovics Rede auf dem eigenen Medienportal und über soziale Netzwerke.

Der Auftritt ist brisant, weil Lovic nach CORRECTIV-Recherchen Mitarbeiter für die BSW-Bundestagsabgeordnete Zaklin Nastic ist. Durch ihren Sitz im streng vertraulichen Verteidigungsausschuss haben Nastic und ihr Büro Zugang zu sicherheitsrelevanten Inhalten, beispielsweise zur Terrorismusbekämpfung oder der Verteidigung von Deutschland im Kriegsfall. Dazu kommt: Lovic ist nach CORRECTIV-Recherchen Reserveoffizier in der serbischen Armee.

Die Einstellung eines serbischen Nationalisten und russlandnahen Ideologen wirft nicht nur Sicherheitsfragen auf. Seine Chefin Zaklin Nastic ist eine enge Vertraute von Sahra Wagenknecht und sitzt im Vorstand der jungen Bündnis Sahra Wagenknecht Partei. Einer Partei, die kaum Einblicke in ihre Strukturen gibt und deren inhaltliche Positionierungen noch nicht klar sind.

Lovic, ein Patriot Serbiens

Andreja Lovics Familie stammt aus Serbien. Er wuchs aber im Raum Frankfurt auf und versuchte früh, seine Verbindung zur alten Heimat zu stärken. So ist er seit Jahren im Zentralrat der Serben in Hessen (ZSH) aktiv. Derzeit sitzt er sogar im Vorstand und leitet den Jugendausschuss. Der ZSH hat laut Website die Aufgabe, die Interessen des serbischen Volkes „in Zusammenarbeit mit den Institutionen der Republik Serbien“ zu vertreten. In der Öffentlichkeit tritt Lovic klar als serbischer Nationalist und Militarist auf. Er absolvierte freiwillig den serbischen Wehrdienst und ist seit Februar 2021 Reserveoffizier. In der serbischen Presse wird er als Patriot beschrieben.

In Interviews, in denen er als politischer Analyst vorgestellt wird, vertritt Lovic nationalistische und antiwestliche Positionen. Im Februar 2024 äußerte sich Lovic in einer serbischen Zeitung zur Kosovo-Frage mit einer Täter-Opfer-Umkehr. „Im Laufe der Jahrhunderte kämpfte Serbien gegen verschiedene Besatzer und ging aus diesen Schlachten immer als Sieger hervor“, sagte er gegenüber der serbischen Zeitung Poslanik. Den serbischen Völkermord in Srebrenica erwähnt er dagegen nicht. Die Medien, in denen er sich äußert, wie Informer oder TV Happy, stehen der rechten Regierung Serbiens nahe und werden der Desinformation beschuldigt. Er kommentiert auch die Landtagswahlen in Brandenburg und das BSW. Auch auf einem YouTube-Kanal des Mediums „Balkan Info“, auf dem überregional bekannte Nationalisten zu Wort kommen, tritt er als vermeintlicher Experte auf. Über den Kanal werden T-Shirts mit Swastika-Symbolen vertrieben, die in der Neonaziszene als Ersatz für das Hakenkreuz dienen. Lovic ist bei Nastic auch für „Journalistisch-Redaktionelle Angebote“ zuständig. So steht es im Impressum von Nastic. Ob die TV-Auftritte mit ihr abgesprochen waren, beantwortet Nastic auf Nachfrage nicht.

Nastic, Serbien und der Kosovo

Hier finden sich Überschneidungen zu Nastics Positionen. Zum 15. Jahrestag der Unabhängigkeit des Kosovo 2023 sagte die Bundestagsabgeordnete, Serbien und seine Bevölkerung dürften „nicht weiter zum Spielball westlicher Staaten und ihrer Interessen gemacht werden“. Als menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken reiste Nastic selbst mehrfach nach Serbien und kritisierte die Lage der serbischen Minderheit im Kosovo.

Im vergangenen November hatte Nastic ein, für eine Politikerin ihres Formats, eher ungewöhnliches Treffen. Auf einem Foto strahlt Nastic. Sie traf sich mit hochrangigen serbischen Politikern, darunter der damalige Verteidigungsminister Miloš Vučević, der heute Ministerpräsident Serbiens ist. Ihm wird vorgeworfen, zusammen mit seinen Ministern Serbien noch stärker in den Dienst des Nationalismus und Russlands zu stellen. So machte er den ehemaligen Geheimdienstchef, der wegen Drogen- und Waffenschmuggels auf der US-Sanktionsliste steht und vom russischen Präsidenten Wladimir Putin mit dem „Orden der Freundschaft“ ausgezeichnet wurde, zu seinem Stellvertreter. All diese Treffen machte Nastic in kleinen Reiseberichten auf ihrer Website öffentlich. Ob Lovic die Treffen organisierte oder bei diesen dabei war, wollte die Politikerin nicht beantworten.

Ein Treffen von Nastic ist im Zusammenhang mit Lovic besonders brisant: Im März dieses Jahres traf sie den Direktor für Diaspora im serbischen Außenministerium. Arno Gujon ist ein serbisch-französischer Ultranationalist mit antimuslimischen und antiwestlichen Ansichten, der in der rechtsextremen Identitären Bewegung in Frankreich aktiv ist. Im Kosovo ist er mit einem Einreiseverbot belegt. Medienberichten zufolge wegen des Verdachts der Spionage für Serbien und Russland – die kosovarischen Behörden antworteten auf Anfrage dazu nicht. Nastic hat das Treffen mit Gujon auf ihrer Website nicht öffentlich gemacht – Gujon und die serbischen Medien allerdings schon. Ihr Mitarbeiter Lovic scheint Gujon gut zu kennen, auch er war laut Instagram-Storys im März in Belgrad. Auf diesen ist Gujon zwar nicht zu sehen. Doch Lovic hat sich in der Vergangenheit bereits mehrfach mit Politikern der rechten Regierungsparteien getroffen, so auch im März 2021 mit Gujon. Die Fotos von diesem Treffen wurden auch von Gujon geteilt. Auf Instagram schrieb Lovic, es sei eine Ehre, mit ihm über die Diaspora zu sprechen, und er sei die richtige Person für den Posten.

Die Beziehung der beiden geht über simple Treffen hinaus: Gujon ist für die Diaspora der Serben weltweit zuständig, Lovic sitzt im Vorstand des ZSH, welcher offiziell mit serbischen Behörden zusammenarbeitet.

Auf die Frage, ob dieser und andere Kontakte durch Lovic hergestellt worden sind, antwortete Nastic nicht. Die Beschäftigung von Lovic als Mitarbeiter fällt jedoch zeitlich mit der Reise zusammen.

Nur kurz nach der Anfrage von CORRECTIV wurde Lovics Name von Nastics Webseite gelöscht. CORRECTIV schreibt sie, dass das Arbeitsverhältnis mit Lovic Ende Oktober endet. Auf Nachfrage zu den Hintergründen antwortet Nastic nicht.

Aufgrund der CORRECTIV-Recherche stand Nastic offenbar unter Druck und musste Lovic entlassen.

Einige Politiker, die Nastic aus Ausschüssen kennen, misstrauen ihr. Nastic stelle Fragen, die auch Russland interessieren würden, meint Sara Nanni, Obfrau der Grünen im Verteidigungsausschuss. „Ich stelle Fragen nach sensiblen Informationen manchmal nicht, damit die Information nicht nach Russland kommt. Frau Nastic und die BSW sind ein Grund dafür“, sagt sie. Nach CORRECTIV-Informationen interessiert sich Nastic insbesondere für die Ausstattung der Ukraine oder für sicherheitsrelevante Details zu Kosovo-Serbien. Das zeigt sich auch an den kleinen Anfragen, die Nastic stellt.

Recht auf Selbstbestimmung nach russischer Auslegung

In seinem Auftritt auf der „Konferenz der Multipolarität“ beschrieb Lovic Serbien als Opfer westlicher Hegemonie, das im Kosovo seine Souveränität verliere. Der NATO-Einsatz 1999 wird von der russischen Propaganda als Vergleich hergenommen, um den Angriff auf die Ukraine zu rechtfertigen. Zu den Verstößen Russlands gegen das Völkerrecht äußerte sich Lovic nicht. Damit traf Lovic den Ton der Dugin-Konferenz – und der russischen Regierung.

Die einleitende Rede zur Konferenz hielt übrigens der russische Außenminister Sergej Lawrow. Darin sagte er, die Transformation zur Multipolarität sei „unvermeidlich“. In einer Pressemitteilung von Lawrows Ministerium hieß es, die Konferenz sei ein „bedeutender intellektueller Beitrag“ in der Verteidigung des Selbstbestimmungsrechts der Völker „ohne Einmischung von außen, ohne Diktat und Erpressung“. Ein Jahr nach dem russischen Überfall auf die Ukraine klingen die Worte wie Hohn.

Andreja Lovic, der die Dugin-Konferenz als „wichtiges Gremium“ bezeichnet hatte, antwortete bis zur Veröffentlichung auf keine Frage.

Als Gründungsmitglied und Mitglied des Vorstands der Partei dürfte Nastic den außenpolitischen Kurs des BSW mitprägen. Ein Pressesprecher von BSW antwortete auf die Fragen von CORRECTIV lediglich, dass die Einstellung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter allein den Abgeordneten obliege und die Partei darauf keinen Einfluss habe.

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Text & Recherche: Shammi Haque , Leon Ueberall , Alexej Hock , Justus von Daniels, Niclas Fiegert
Redaktion: Justus von Daniels  und Stella Hesch

Faktencheck: Martin Böhmer
Bildredaktion: Ivo Mayr
Kommunikation: Valentin Zick

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