Trotz Spionage-Risiko: Bundeswehr trainiert mit chinesischen Drohnen
Die Truppe hat ein Problem: Es mangelt an deutschen Drohnensystemen. Und so setzt unter anderem die Litauen-Brigade der Bundeswehr beim Training auf chinesische Technik – trotz bekannter Ausspäh-Risiken.

Drohnen sind aus modernen Kriegen nicht mehr wegzudenken. Nirgendwo zeigt sich das eindrucksvoller als auf den Schlachtfeldern der Ukraine: Dort nutzen ukrainische und russische Soldaten die Fluggeräte zur Nahaufklärung, für die logistische Unterstützung oder – präpariert mit Sprengstoff – direkt als Waffe.
Das entgeht auch der Bundeswehr nicht. Die Truppe trainiert für kommende Kampfeinsätze daher verstärkt mit den Fluggeräten. So auch bei der neuen Panzerbrigade 45 in Litauen, die die NATO-Ostflanke schützt. Dafür werden nach CORRECTIV-Informationen immer wieder sogenannte „Matrice“-Aufklärungsdrohnen des chinesischen Herstellers DJI verwendet. Derzeit werden offenbar neue Drohnen vom Unternehmen beschafft.
Das Verteidigungsministerium (BMVg) äußerte sich dazu und zur Gesamtzahl der chinesischen Drohnen in der Truppe nicht. Ein Sprecher bestätigte aber, dass die Bundeswehr die DJI-Geräte zu Ausbildungszwecken einsetzt.
Das Thema ist brisant, wird bislang jedoch kaum öffentlich diskutiert: Fachleute sehen schon lange das Risiko, dass Geheimdienste sensible Daten aus der Technik erbeuten könnten. So könnten etwa Informationen zum Truppenverhalten abfließen. Zudem zeigten Untersuchungen, dass die Geräte mittels „Kill Switch“ von Peking aus möglicherweise jederzeit ausgeschaltet werden könnten.
Eingesetzt werden die Drohnen in Deutschland auch von einigen Polizeibehörden. Ein Drahtseilakt: Es mangelt an europäischen Alternativen, die in der Masse und zu ähnlich günstigen Preisen liefern könnten. Und so werden die Risiken durch das chinesische Gerät offenbar sehenden Auges in Kauf genommen.
Ausspäh-Risiken: USA möchte DJI-Drohnen vom Markt verbannen
Die US-Regierung schränkte die Nutzung von DJI-Drohnen bei Militär und Behörden, aber auch privat in den vergangenen Jahren stark ein. Die aufgezeichneten Flugdaten könnten an die chinesische Regierung weitergegeben und von Geheimdiensten ausgewertet werden, so die Begründung.
Die US-Behörden setzten das Unternehmen schon 2020 wegen erheblichen „Risiken für die nationale Sicherheit“ auf die Sanktionsliste („US-Entity-List“).
Die US-Entity-List ist ein Instrument des US-Handelsministeriums, mit dem Unternehmen oder Organisationen gelistet werden, die aus Sicht der US-Regierung nationale Sicherheitsinteressen oder außenpolitische Ziele gefährden.
Einträge auf dieser Liste – wie im Fall des chinesischen Drohnenherstellers DJI im Jahr 2020 – bedeuten, dass US-Firmen nur mit spezieller Genehmigung Geschäfte mit diesen Unternehmen machen dürfen, etwa bei Technologieexporten oder Komponentenlieferungen.
In Deutschland existiert kein vergleichbares Sanktionsinstrument mit dieser rechtlichen Wirkung.
Weiterhin sollen Drohnenteile durch Zwangsarbeit von Uiguren in Xinjiang hergestellt worden sein, einer Region, die wegen sogenannter „Umerziehungslager“ Schlagzeilen machte; das behaupten zumindest die US-amerikanischen Behörden.
Forscher der Ruhr-Universität Bochum haben 2023 zudem erhebliche Sicherheitslücken entdeckt: „In bestimmten Angriffsszenarien können die Drohnen sogar im Flug aus der Ferne zum Absturz gebracht werden“, schreiben sie in einem Beitrag.
Das Unternehmen DJI selbst bestreitet jegliche Vorwürfe der US-Behörden und gibt an, alle Sicherheitslücken geschlossen zu haben.
Experte beim deutschen Drohnenverband: Beschaffung von DJI-Drohnen „Dorn im Auge“
Anders als in den USA, wo Behörden den Einsatz von DJI-Drohnen mittels Regulatorik seit Jahren verhindern wollen und die Beschaffung fürs Militär ganz verboten haben, vereinfachte man diese in Deutschland 2023 noch: Seither können Drohnen laut eines Sprechers des Verteidigungsministeriums nämlich per „Handgeld Kommandeure“ bestellt werden. Das seien rund 60.000 Euro im Jahr. Auch Modelle des Herstellers DJI sind bestellbar, sie befinden sich auf der sogenannten „Whitelist“.
Die Drohnen dürfen bei der Bundeswehr damit aktuell zwar lediglich für Training eingesetzt werden. So werden etwa Drohnenpiloten damit ausgebildet, sagte ein Insider gegenüber CORRECTIV. Weiterhin dienten sie als „feindliche Drohnen zur Zieldarstellung“. Der Sprecher des Verteidigungsministeriums sagt, es würden bei den Übungen mit Geräten von der „Whitelist“ keine „sicherheitsrelevanten Aspekte berührt“.
Aber: Es sind letztlich alle Einblicke in Übungen, die fremden Armeen Informationen über mögliche Schwachstellen der Bundeswehr liefern könnten. Solche Erkenntnisse stehen hoch im Kurs; so spähte Russland kürzlich laut Medienberichten eine NATO-Übung in Litauen aus.
Das Verteidigungsministerium hat die Beschaffung von Drohnen in den vergangenen Jahren vereinfacht und zwei Listen erstellt, auf denen sich die Geräte finden:
Auf der „White List“ stehen demnach kostengünstige Hersteller und Drohnenmodelle, die für den Erwerb zu Zwecken der Übung und Ausbildung vorgesehen sind. Hier werden laut Verteidigungsministerium Geräte von DJI aufgeführt.Auf der „Blue List“ wiederum stehen Drohnensysteme, die für die Verwendung in sogenannten „Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben“ (BOS) optimiert sind. Für diese gelten strengere Einschränkungen – DJI-Systeme werden hier laut des Verteidigungsministeriums nicht aufgeführt.
Gerald Wissel vom „Europäischen Verband für unbemannte Luftfahrt“ (UAV Dach) berichtet CORRECTIV, dass aktuell wieder neue DJI-Drohnen für die Truppe beschafft würden. Das Verteidigungsministerium äußerte sich dazu nicht.
Wissel sieht die Bestellung von DJI-Drohnen kritisch, aber unter den Voraussetzungen am Markt zumindest nachvollziehbar. „Das ist uns ein Dorn im Auge, es gibt auf dem europäischen Markt aber aktuell kein adäquates Produkt, das in einer ähnlichen Masse lieferbar wäre und vor allem zu dem Preis“, sagt er.
Der Verbandschef wünscht sich für unsere Soldaten und Behörden deutsche oder europäische Drohnen. Die Technologien dafür gäbe es, nur eben die Produktionsbedingungen nicht. Um diese zu schaffen, sei Wissel derzeit unter anderem im Austausch mit Automobilzulieferern. Wichtig sei vor allem, dass die Drohnen massenproduktionstauglich, günstig und nicht zuletzt auch NATO-kompatibel sind, sprich von jedem Mitglied einsetzbar.
Bis Alternativen verfügbar sind, trainiert die Bundeswehr weiter mit den chinesischen Geräten – Risiko hin oder her.
Redaktion: Martin Böhmer, Anette Dowideit
Kommunikation: Franziska Eiles