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Geld, Macht, Kampagnen: Der lange Arm von Team Trump

Führende CDUler fürchten eine schleichende Trumpisierung der CDU. CORRECTIV-Recherchen zeigen die Strategien von millionenschweren Stiftungen, um in Europa Einfluss zu nehmen. Spuren der Geldflüsse führen in die amerikanische Großindustrie, ins MAGA-Lager und zu Ölkonzernen.

von Annika Joeres , Gabriela Keller

Gerade jetzt, da Europa darum ringt, sich von den USA unabhängiger zu machen, gewinnen die Netzwerke der Lobbyisten und millionenschweren Stiftungen an Bedeutung: Trump und sein industrienahes Lager in den USA versuchen, die MAGA-Bewegung zu exportieren. Collage: Ivo Mayr/CORRECTIV (Vorlage: picture alliance & KI generiert)

Während Donald Trump das Putin-Regime hofiert, rücken manche deutsche Konservative an den amerikanischen Präsidenten heran: Nach Recherchen von CORRECTIV unterstützen und fördern Trump-nahe Stiftungen in den USA Netzwerke und Konferenzen, die Christdemokraten und Akteure aus dem MAGA-Lager („Make America Great Again“) vernetzen wollen. Das Ziel: libertäre und zum Teil ultra-rechte Positionen voranzutreiben.

Anders gesagt: Der Staat soll auf ein Minimum schrumpfen, der Markt unkontrolliert sein,  Klimaschutz am besten wegfallen.

Ein Beispiel: Die Tholos Foundation ist eine millionenschwere Stiftung mit Sitz in Washington, die über Konferenzen, Tagungen und ein Fellowship-Programm Einfluss in Europa geltend macht. In Deutschland unterstützt sie einen Berater mit engen Verbindungen zur CDU/CSU – hochrangige Christdemokraten rätseln seit Langem, wie der Kampagnen-Experte seine Veranstaltungen finanziert: Armin Petschner-Multari, CSU-Mitglied und Gründer der Kampagnen-Agentur The Republic, ist nach Recherchen von CORRECTIV seit drei Jahren Fellow der Tholos-Foundation und der Property Rights Alliance (PRA). Beide sind Teil einer wichtigen Lobby-Maschine für Trump: Dahinter steht die „Americans for Tax Reform“, eine mächtige Organisation, deren Vertreter Steuern als „Diebstahl“ bezeichnen.

Ein Ende des „unerklärten Kriegs gegen fossile Brennstoffe“

Das nächste Event in Berlin ist bereits geplant: Am 4. und 5. September sollen, so heißt es in der Online-Ankündigung, „Experten und Vordenker aus aller Welt“ zu einem Treffen und Ideen-Austausch zusammenkommen. Diese „Berlin Campaign Conference“ sorgte im vergangenen September bundesweit mit seiner illustren Gästeliste für Schlagzeilen. Dort trafen 2024 MAGA-Unterstützer auf deutsche Lobbyisten und Wirtschaftsvertreter, auch Grover Norquist, Präsident von Americans For Tax Reform, war dort. Ebenso wie Friedrich Merz’ Kampagnen-Managerin Christine Carboni.

Mit dabei war im vergangenen Jahr auch die Heritage Foundation, die mit ihrem radikalen Staatsabbau-Programm „Project 2025“ praktisch ein Drehbuch für die ersten 180 Tage von Trumps zweite Amtszeit bereitstellte – mit Entlassungen von Beamten, drastischen Steuersenkungen und einem Ende des „unerklärten Kriegs gegen fossile Brennstoffe“. Seit Jahrzehnten leugnet die Heritage Foundation den Klimawandel – auf ihrer Website lobbyiert die Organisation vehement gegen die Klimapolitik von „Big Government“.

Gerade jetzt, da Europa darum ringt, sich wirtschaftlich und militärisch von den USA unabhängiger zu machen, gewinnen diese Netzwerke an Bedeutung: Trumps industrienahes Lager in den USA versucht, die MAGA-Bewegung und damit deren politische Ziele nach Europa zu tragen. Petschner-Multari, in konservativen Medien wie der Welt als unabhängigen „Experten für politische Kommunikation“ bezeichnet, stellt klare Forderungen an die CDU und Partei-Chef Friedrich Merz: Die Partei müsse mit „maximaler Härte“ in die Sondierungsverhandlungen gehen, und im Zweifel besser nicht mit der SPD regieren, sagt er in einem Interview mit Welt TV.

Konservative Netzwerke pochen auf Annäherung an Trump

Merz treibt aktuell die Unabhängigkeit von der Politik des amerikanischen Präsidenten voran. Zugleich zerren Strategen, die Bündnisse mit der aktuellen US-Regierung suchen, in die entgegengesetzte Richtung – über informelle Kontakte und Bündnisse pochen sie auf eine Annäherung. Zu den Mitveranstaltern der Konferenz in Berlin gehört auch eine CDU-nahe Stiftung aus dem Saarland.

Politische Netzwerke sind bei allen Parteien und Strömungen üblich. Doch in diesem Fall spielen auch verdeckte finanzielle Interessen eine Rolle, die dem Trump-Lager nahe stehen, unter anderem werden einige der Stiftungen von der Öl- und Gasindustrie unterstützt.

Mit Petschner-Multari sind gleich vier US-Stiftungen verbunden – die zum Teil von der Öl- und Gasindustrie finanziert werden: Die Tholos Foundation und die Property Rights Association agieren beide unter dem Dach der Americans for Tax Reform und führen Petschner-Multari als Fellow. Auf die Frage, welche Rolle sie bei der Tagung in Berlin spielen, teilt Petschner-Multari mit, Tholos unterstütze ihn „vor allem bei der Ansprache potenzieller Partner sowie der Netzwerkpflege in den Vereinigten Staaten“.

Millionenschwere Trump-Stiftungen – in Deutschland aktiv

Der Präsident von Americans For Tax Reform, Grover Norquist, und sein Team seien sehr erfahren in der „Entwicklung politischer Netzwerke“ und im Agenda-Setting, also dem Setzen von Gesprächsthemen. Aber das ist fast eine Untertreibung. Die New York Times zählt Norquist zu den „einflussreichsten Politik-Strategen der republikanischen Partei“. Seine Stiftung verbündet sich im Kampf gegen Steuern und Gesetze immer wieder mit radikalen Leugnern des Klimawandels.

Auf X feiert Norquist Donald Trump  – und knüpft bereits Kontakte zu rechtspopulistischen Medien in Deutschland und Europa. Norquist tritt – wie Petschner-Multari – bei Nius auf, dem Online-Projekt von Julian Reichelt, Ex-Chefredakteur der Bild. Dort skizziert er seine Agenda: Privater Waffenbesitz senke die Zahl der Vergewaltigungen, Steuern seien „Diebstahl“ und europäische Regierungen herrschten wie „Könige über das Leben ihrer Bürger“. Seine Aussagen erinnern an die jüngste Kritik des US-Vizepräsidenten JD Vance an Europa wegen angeblicher Zensur: „In Deutschland herrscht nicht dieselbe Meinungsfreiheit wie in den USA“, sagt Norquist bei Nius.

Ein weiterer Partner bei der „Berlin Campaign Conference“: das Leadership Institute. Es wird von Trump-Anhängern geleitet und will in seinen Schulungen „konservative Gewinner“ formen, um das „Land vor dem Sozialismus“ zu bewahren. Das Leadership Institute erhielt laut Medienberichten Geld unter anderem vom Donors Trust, einem Fonds, den das renommierte US-Medium Mother Jones schon vor einigen Jahren als „Schwarzgeld -Automat für die Rechte“ bezeichnete. Er fördert marktradikale Akteure und Klimawandelleugner und zählt zu den rund 100 Organisationen, die sich am „Project 2025“ beteiligten. Das Leadership Institute ließ Fragen von CORRECTIV unbeantwortet.

Der „Director of Outreach“ kommt aus Essen und beleidigte Muslime unflätig

In welcher Form die Tholos Foundation und die PRA ihre Fellows unterstützen, bleibt unklar – Tholos antwortet nicht auf Fragen von CORRECTIV und Petschner-Multari bestreitet, persönlich Geld von ihr zu erhalten. Aber die Stiftung ist zahlungskräftig: Ihre Steuerbescheide weisen für die vergangenen Jahre zwischen rund 300.000 und 600.000 US-Dollar für „Grants“ aus, also für Zuwendungen oder Stipendien; 2023 gab die Stiftung mehr als 430.000 Dollar für Aktivitäten außerhalb von Amerika aus, für Stipendien, Konferenzen, Seminare.

Ein Deutscher hilft bei der internationalen Vernetzung: Andreas Hellmann ist „Director of Outreach“, ein ehemaliger FDP-Kommunalpolitiker aus Essen, der 2022 in der Kritik stand, weil er laut Medienberichten Muslime auf Facebook pauschal und unflätig beschimpfte. Er selbst sprach gegenüber der WAZ von „schwarzem Humor.“

Hellmann und Petschner-Multari haben offenbar hochrangige Kontakte in der Union: Im Mai 2023 besuchten beide zusammen mit Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) und der Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär (CSU) den Gouverneur Floridas, Ron DeSantis, der als rechter Hardliner bekannt ist – Fotos belegen das Treffen.

„Sehr paranoid und gleichzeitig sehr unwissend“

Den Vorwurf, auch aus Teilen der Union, Petschner-Multari würde die Agenda von Trump gezielt in die CDU/CSU einspeisen, weist dieser zurück: Die Konferenz habe „einen starken handwerklichen Fokus auf Kampagnenführung, nicht auf politische oder ideologische Inhalte.“ Es gebe keine Verbindung zur MAGA-Bewegung. Inwiefern die Konferenz für eine Unterwanderung genutzt werden solle, sei nicht nachvollziehbar: „Wer auch immer diese Sorgen in der Union äußert, muss sehr paranoid und gleichzeitig sehr unwissend sein.“

In der Ankündigung der „Berlin Campaign Conference“ taucht neben Petschner-Multaris The Republic auch die CDU-nahe Union Stiftung aus dem Saarland auf. Wie Petschner-Multari mitteilt, unterstützt sie die Konferenz finanziell; den größten Teil der Kosten trage aber The Republic. Woher seine Firma das Geld dafür hat, schreibt er nicht. Die Union Stiftung gehört zu den größten Kulturstiftern des Landes und hält Anteile an der Saarbrücker Zeitung, dem einzigen regionalen Printmedium im Saarland.

Sie pflegt keine öffentlich sichtbaren Kontakte zum Trump-Lager – gilt innerhalb der CDU aber als einflussreich bis in die Berliner Parteispitze hinein. Die Stiftung habe sich von einer eher unauffälligen Organisation zu einem „Kampforgan“ entwickelt, sagen Politiker aus hohen saarländischen SPD- und CDU-Kreisen in Gesprächen mit CORRECTIV. Seit etwa zwei Jahren sei ein Rechtsruck bei der Stiftung klar erkennbar, sagt ein ehemals führender CDU-Lokalpolitiker.

Rechtskonservative und Klimawandel-Leugner kommen zu Gast

Die Stiftung lädt als Referenten nun öfter Rechtskonservative und Klimawandel-Leugner ein. Auf Anfrage von CORRECTIV sagt Michael Scholl, Geschäftsführer der Union Stiftung, dass die Stiftung parteipolitisch unabhängig agiere. Da im Vorstand keine inhaltlichen, personellen oder organisatorischen Verbindungen zur CDU-Saar bestünden, „haben wir keinen Einfluss auf innerparteiliche Diskurse zur politischen Ausrichtung.“ Die Nähe zur CDU ist allerdings nicht zu übersehen: Der Stiftungs-Vorsitzende Hans-Georg Warken gilt als CDU-„Urgestein“, er war rund zehn Jahre Teil des Bundesvorstands der Jungen Union.

Seine Schwiegertochter Nina Warken ist CDU-Bundestagsabgeordnete und Generalsekretärin der CDU in Baden-Württemberg. Mehrere seiner Kinder engagieren sich in der Jungen Union. Und Geschäftsführer Scholl war ebenfalls langjährig in der CDU aktiv.

Auffällig sind einige Referenten, die bei der Union Stiftung Vorträge halten: zum Beispiel der umstrittene Politikwissenschaftler Werner Patzelt. Er trat bei der Stiftung auf und behauptete, die AfD sei infolge der gescheiterten Klimapolitik und der „hingenommenen Einwanderung in die Sozialsysteme“ groß geworden. Schon vor Jahren forderte der Christdemokrat, eine Kooperation der CDU mit der AfD in Betracht zu ziehen.

Gute Verbindungen zum Trump-Freund Orbán

Patzelt ist kein Unbekannter in diesen Netzwerken, derzeit wird er von Ungarn bezahlt: Der Politikwissenschaftler ist Forschungsdirektor am MCC-Institut in Brüssel, das wiederum, wie Recherchen von CORRECTIV zeigen, auch über russisches Öl finanziert wird und Orbán nahesteht. Bei einer weiteren Konferenz kooperierte The Republic direkt mit dem MCC und anderen ungarischen Instituten.

Patzelt ist Teil eines Dreiecks zwischen US-Stiftungen, der ungarischen Regierung und konservativen deutschen Politikern: Nach Einschätzung von Beobachtern dient Viktor Orbáns autoritärer Umbau des Staates als Vorbild für Trump, von einer „Orbanisierung“ der USA ist die Rede. Erst vor wenigen Tagen bekräftigten die USA und Ungarn ihre gemeinsame Suche nach „Frieden für die Ukraine“ und weiteren Kooperationen.

Auch andere Gäste aus dem Umfeld von Orbán sind bei der Union Stiftung zu Gast: Etwa Bence Bauer, Direktor des Deutsch-Ungarischen Instituts, der Ende März im Haus der Union Stiftung in Saarbrücken einen Vortrag halten wird. Vor der Bundestagswahl trommelte auch Bauer dafür, dass die CDU mit der AfD kooperieren soll. Tatsächlich scheute sich einst auch Merz nicht vor Kontakten zu dem ungarischen Netzwerk: Die ungarische – und einzige – Übersetzung seines jüngsten Buches wurde im Orbán-nahen MCC-Institut herausgegeben.

Das Netzwerk reicht bis in den Bundestag

Aktuell geht Merz auf Abstand zu Trump – und seinem Verbündeten im ungarischen Parlament. Orbán steht fest an Russlands Seite, während Merz die Ukraine unterstützt. „Es wäre dringend notwendig, dass Merz und die gesamte Parteiführung diesen Trumpisten im eigenen Lager eine öffentliche Abfuhr erteilt“, sagt ein hochrangiger Christdemokrat aus dem Saarland. Aber bislang ließ man sie gewähren – und ihre Ideologie verbreiten.

Vielleicht unterschätzt die Partei auch das Netzwerk hinter Veranstaltungen wie der „Berlin Campaign Conference“. Auf der Website der Tholos Stiftung sind neben Petschner-Multari sechs weitere Fellows aufgeführt, die die Ideologie des ungebremsten Marktes in andere Erdteile bringen sollen. In Brüssel ist etwa Pieter Cleppe engagiert, der die Redaktion des Onlinemagazins Brussels Report leitet und darin fordert, die EU-Klimapolitik „drastisch zu kürzen“. Und die Fellows halten zusammen: Cleppe gibt Petschner-Multari auf seinem Portal mit einem Interview eine Plattform.

Auch wenn die CDU-nahe Agentur The Republic der breiten Öffentlichkeit kaum bekannt ist – im Hintergrund vernetzt sie CDU-Politiker und libertäre Trump-Unterstützer. Im neuen Bundestag sitzen weitere Personen, die diesem Netzwerk nahestehen – etwa Caroline Bosbach, Tochter von Wolfgang Bosbach, die Kolumnistin bei The Republic ist, oder der Enkel von Helmut Kohl, Johannes Volkmann, der mit Petschner-Multari zum Parteitag der US-Republikaner reiste.

Ein Stratege fordert, die Solidarität mit der Ukraine fallen zu lassen

Auch im Umfeld des CDU-Politikers Jens Spahn gibt es enge Verbindungen zu der Agentur.  Spahn war zwei Jahre lang Mentor für Arian Aghashahi, der auch als  Strategiechef bei The Republic bezeichnet wird – und Mitglied bei der CDU-Mittelstandsunion (MIT) ist. Auch bei Philipp Amthor hat er gearbeitet.

Aghashahi belegt laut seinem Linkedin-Profil Fortbildungen beim Leadership Institute und der Heritage Foundation, schreibt Studien für die Tholos-Foundation – und fordert aktuell in dem Magazin Hungarian Conservative, sich an Trumps Politik mit Blick auf Russland zu orientieren – und die Solidarität mit der Ukraine quasi fallen zu lassen: Den Eklat bei dem Treffen zwischen Trump und Selenskyj Ende Februar sieht er als Weckruf für Deutschland: Merz ignoriere Zweifel an der Ukraine-Strategie des Westens – die Nato-Osterweiterung erweise sich als Fehler, ein Rückzug Russlands als Wunschdenken: „An Stelle einer klarsichtigen Einschätzung der Machtdynamik, hält Berlins politische Klasse an einer wertebasierten Rhetorik fest.”

Hier schließt sich der Kreis. Denn der Hungarian Conservative wird von einer regierungsfinanzierten ungarischen Stiftung unter Viktor Orbán getragen. Es geriet in die Schlagzeilen, weil es US-Lobbyisten bezahlte, um Orbán in amerikanischen Medien zu loben.