TTIP-Verhandlungen: Streit um Gentechnik
US-Chefunterhändler beschwert sich bei den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP über neues EU-Gesetz zu gentechnisch manipulierter Nahrung. Damit könnt die Einfuhr von Genmais erschwert werden.
Die Gentechnik wird zum Streitapfel für das Freihandelsabkommen TTIP. So attackierte der Chefunterhändler der USA, Michael Froman, die Europäische Union am Rande der Gespräche um das Abkommen ungewöhnlich offen. Der Grund: die EU will es ihren Mitgliedsländern freistellen, ob sie gentechnisch manipulierten Nahrungsmitteln in Europa zulassen wollen — oder nicht. „Wir sind sehr enttäuscht von dem neuen Vorhaben der EU, das nur schwer mit internationalen Standards zu vereinbaren wäre“, sagte Froman. Sollten die Pläne der EU umgesetzt werden, würde das Vorhaben der Amerikaner durchkreuzt, gentechnisch manipulierte Lebensmittel auch in Europa frei zu verkaufen. Eine entsprechende Vereinbarung sollte in TTIP aufgenommen werden. Aus den USA wächst nun der Druck auf die EU.
Die EU-Kommission hatte parallel zu den TTIP-Verhandlungen am Mittwoch einen Gesetzesentwurf veröffentlicht. Danach sollen die EU-Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen gentechnisch veränderte Lebensmittel verbieten dürfen, auch wenn sie vorher von der EU erlaubt wurden. Bisher entscheidet alleine eine Prüfbehörde in Brüssel über die Zulassung. Weil die Nutzung von gentechnisch veränderten Produkten umstritten ist, hat die Behörde bislang nur eine gentechnisch veränderte Pflanzenart für den kommerziellen Anbau in Europa zugelassen. Sie darf in Spanien und Portugal angebaut werden.
Erst erlauben, dann verbieten
Nach den Plänen der EU soll für die Zulassung eine zweite Stufe eingeführt werden. Die Regierungen der Mitgliedstaaten sollen das Recht bekommen, die Einfuhr von Genprodukten zu verbieten. „Die neue Regelung soll den Mitgliedstaaten mehr Freiheiten geben, über die Nutzung von Genprodukten zu entscheiden“, hieß es in einer Stellungnahme der EU-Kommission. Damit kommt die Kommission nach eigenen Angaben Kritikern entgegen, die gefordert hatten, dass die Entscheidung über gentechnisch veränderte Lebensmittel nicht in Brüssel sondern in den einzelnen EU-Ländern fallen dürfe.
Verbraucherverbände befürchten allerdings, dass sich die EU schon auf eine Einigung mit den USA im Rahmen von TTIP über genmodifizierte Lebensmittel einstellt. Brüssel könnte künftig mehr Zulassungen für die Einfuhr von Genprodukten in der EU erteilen. Mit dem neuen Gesetz würde die EU-Kommission nun die endgültige Entscheidung auf die Mitgliedsländer verlagern. Die könnten ein Produkt dann verbieten, das vorher von der EU zugelassen wurde. „Aber im Zweifel gilt immer die Zulassung durch die EU“, sagt Franziska Achterberg von Greenpeace, „Wenn die EU die Gründe für ein nationales Verbot nicht anerkennt, bleiben Genprodukte erlaubt.“
EU verstößt gegen WTO
Die Erlaubnis, mehr Genprodukte in die EU einzuführen, ist bei den Verhandlungen über den Freihandel eine der wichtigsten Forderungen der US-Agrarindustrie und der US-Regierung. Die Amerikaner versuchen seit Jahren, gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel auf den europäischen Markt zu bringen. In einem Schiedsverfahren vor der Welthandelsorganisation (WTO) hat die USA sogar gegen die EU gewonnen. 2006 entschied die WTO, dass die Zulassungsverfahren der EU für Genprodukte gegen die WTO-Regeln verstoßen. Beide Seiten haben sich seitdem darauf geeinigt, eine Lösung für die Zulassung zu finden. Für die Amerikaner soll das TTIP sein.
Ihr Anliegen könnte bald sogar in einem Gesetz festgeschrieben werden. Der US-Kongress diskutiert derzeit darüber, ob er dem amerikanischen Präsidenten mehr Befugnisse für den Freihandel erteilen will. Ziel ist, dass Handelsabkommen wie TTIP dadurch schneller abgeschlossen werden. Dafür kann der Kongress Bedingungen stellen. In dem Gesetzentwurf steht dazu, dass die EU-Agrarmärkte so weit wie möglich für amerikanische Produkte geöffnet werden sollen. Unter anderem sollen „ungerechtfertigte Hindernisse, die neue Technologien wie Biotechnologien“ betreffen, beseitigt werden. Damit ist die Einfuhr von Genprodukten gemeint.
Die US-Verhandler müssen mit diesem Gesetz im Rücken zu einem Erfolg kommen. Der Vorschlag der EU würde den US-Plänen einen Stein in den Weg legen, weil sich in Europa ein Flickenteppich entwickeln könnte, wo Genprodukte verkauft werden könnten und wo nicht. Die frostige Reaktion des US-Unterhändlers Froman war daher nicht überraschend. Er mahnte, dass „diese Art von Handelsbeschränkungen nicht konstruktiv“ sei.
Sollte der US-Kongress dem US-Präsidenten die Befugnis zum Aushandeln des Vertrages im Mai erteilen, haben die Amerikaner keine andere Wahl als den Zugang für Genprodukte nach Europa zu erwirken. Vorsorglich wird in dem Gesetzentwurf darauf hingewiesen, dass die Ziele in dem Gesetz auch „gerichtlich einklagbar werden sollten.“