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Für ein demokratischeres CETA

Das Bundesverfassungsgericht macht den Weg frei, damit die Bundesregierung im EU-Rat dem CETA-Abkommen zustimmen kann. Die Richter legen aber Wert darauf, dass künftige CETA-Änderungen nur dann umgesetzt werden, wenn alle EU-Länder zustimmen.

von Justus von Daniels

© dpa/Uwe Anspach

Wir haben mit dem Kläger Klaus Ernst, Bundestagsabgeordneter der LINKEN, über das Urteil in einem Facebook-Live-Gespräch in unserer Redaktion gesprochen. Das Video seht Ihr unter diesem Artikel.


Am kommenden Dienstag steht das CETA-Abkommen zur Abstimmung im EU-Rat, dem Zusammentreffen der EU-Handelsminister. Dort soll es darum gehen, ob das Freihandelsabkommen auch schon vorläufig in Kraft treten kann. Deutschland darf in dieser Runde mit „Ja“ stimmen. Das hat am Donnerstag das Verfassungsgericht entschieden.

Damit kann CETA provisorisch angewendet werden, bevor der Bundestag schätzungsweise im nächsten Jahr über den Pakt abstimmt. Das Gericht lehnte fünf Eilanträge ab, die unter anderem Politiker der LINKEN sowie die Freihandelskritiker von Foodwatch und Campact eingereicht hatten.

Dennoch sind auch die Kläger zufrieden. Denn das Gericht hat der Bundesregierung Bedingungen auferlegt. Thilo Bode, Chef von Foodwatch und einer der Kläger, sagt: Die strengen Auflagen zeigten, „dass die Bundesregierung die Folgen des Abkommens für die Demokratie allzu sehr auf die leichte Schulter genommen hat.“ Unter anderem haben die Richter die Regierung aufgefordert, sicherzustellen, dass die geplanten CETA-Fachausschüsse nur Entscheidungen treffen dürfen, die vorher einstimmig vom EU-Rat gebilligt worden sind. Dazu muss die EU ihre Abstimmungsregeln noch ändern.

Politischer Schaden

Im Kern ging es bei den Eilanträgen um die Frage, ob der Vertrag provisorisch in Kraft treten kann, bevor der Bundestag über den Vertrag abstimmt. Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sagte in der Begründung, dass enorme politische Schäden entstehen könnten, wenn das deutsche Verfassungsgericht CETA jetzt stoppe, es aber im späteren Hauptverfahren feststelle, dass der Vertrag doch nicht gegen das Grundgesetz verstoße.

Ein Stopp zum jetzigen Zeitpunkt hätte „weitreichende negative Auswirkungen auf künftige Abkommen der EU und die internationale Stellung der EU“, sagte Voßkuhle. Das Gericht folgte damit der Linie von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), der in der Anhörung am Mittwoch sagte, dass im Falle eines Stopps die EU auf Jahrzehnte kein verlässlicher Partner bei Handelsverträgen sein werde.

Schwere Hausaufgabe

Damit ist zunächst der Weg frei, dass Deutschland im EU-Rat am kommenden Dienstag dem Vertrag zustimmen kann, wenn die Regierung folgende drei Bedingungen erfüllt:

  • Das Verfassungsgericht hat genau definiert, welche Teile des Vertrages nicht in die Zuständigkeit der EU fallen und deshalb nicht vorläufig angewendet werden dürfen, bis der Bundestag entschieden hat. Dazu gehören die Schiedsgerichte, Regelungen zu Portfolioinvestitionen, Regeln zur Anerkennung von Berufen, zum Seeverkehr sowie zum Arbeitsschutz. Deutschland wird bei der Entscheidung in der EU am Dienstag klarstellen müssen, dass diese Teile außen vor bleiben müssen.
  • Die Bundesregierung muss sich bei der EU dafür einsetzen, dass die geplanten CETA-Gremien keine Entscheidungen treffen dürfen ohne vorheriger Zustimmung aller Mitgliedsstaaten. Da geht es um die Wahrung demokratischer Rechte. Wenn die EU-Beamten mit ihren kanadischen Kollegen in diesen Fachgremien Änderungen am Vertrag vornehmen wollen, brauchen sie dafür zuvor ein Mandat der EU. Das dürfte der wichtigste Knackpunkt für die Regierung sein. Denn nach EU-Recht reicht es, wenn die EU-Staaten den Beamten einen Änderungsvorschlag mit einer qualifizierten Mehrheitsentscheidung auf den Weg geben. Jetzt muss die deutsche Regierung die EU-Institutionen überzeugen, dass diese Regel noch geändert wird, weil nach dem Willen des Verfassungsgerichts in Zukunft Einstimmigkeit herrschen muss, wenn CETA geändert werden soll.
  • Die Bundesregierung muss klarstellen, dass sie den Vertrag noch selbstständig kündigen kann, wenn diese Forderungen nicht erfüllt sein sollten. Im CETA-Vertrag ist dieses Kündigungsrecht zwar vorgesehen, aber nicht eindeutig formuliert. Bundeswirtschaftsminister Gabriel hat in der Verhandlung am Mittwoch zugesichert, dass die Bundesregierung dieses Recht ausüben könne. Das Gericht fordert nun eine völkerrechtlich verbindliche Aussage dazu. Die wird die Bundesregierung relativ bald nachliefern können.

Sollte das erfüllt sein, kann CETA spätestens nach der Abstimmung im Europäischen Parlament voraussichtlich im Januar 2017 vorläufig in Kraft treten. Zölle werden dann fallen, die Märkte werden weiter geöffnet und eine engere Kooperation zwischen beiden Wirtschaftsregionen wird erleichtert.

Wenn die Regierung die oben genannten Punkte nicht durchsetzt, müsste sie ihr Kündigungsrecht ausüben. Sonst könnte wieder gegen CETA geklagt werden.

Teilerfolg für Kritiker

Die Kritiker haben mit ihren Eilanträgen zwar verloren, aber doch einen Teilerfolg erreicht. Die Bedingungen, die das Gericht jetzt stellt, sind verbindlich. Die Regierung muss beweisen, dass ihre Ankündigungen wirklich stimmen. Der größte Erfolg besteht sicherlich darin, dass die CETA-Ausschüsse stärker von der Entscheidung aller Mitgliedstaaten abhängen sollen als bisher geplant.

Zudem wurden die Verfassungsbeschwerden nicht vom Tisch gewischt. Es wird noch zu einem Hauptverfahren kommen. Die Richter haben damit gezeigt, dass sie durchaus die Gefahr sehen, dass dieses Abkommen demokratische Rechte gefährden könnte.

Mit dem Hauptverfahren ist im Laufe des nächsten Jahres zu rechnen.

Unser Interview mit Klaus Ernst über die Folgen des CETA-Urteils