Fakt AG: Das Aus für umstrittenen Bauunternehmer aus dem Ruhrgebiet
In Essen hat ein für das Ruhrgebiet wichtiger Immobilienkonzern Insolvenz angemeldet: die Fakt AG. Die undurchsichtige Firma besitzt für Kommunen wichtige Einkaufszentren und Gewerbeimmobilien. Jetzt stehen die Gemeinden vor einem Scherbenhaufen. Eine gemeinsame Recherche von CORRECTIV und Handelsblatt.
Vor kurzem war Hubert Schulte-Kemper noch guter Dinge und glaubte an seine Visionen. Nur er, der 76-Jährige, schaffe Projekte, an die andere Immobilienfirmen sich nicht heran trauten, sagte er im August bei einem Besuch des Handelsblatts in seiner Zentrale im Essener Ruhrturm. Schulte-Kemper war in seiner ersten Karriere Banker bei der Essener Hypothekenbank, dann kaufte er mit der von ihm geprägten Fakt AG Immobilien im Ruhrgebiet ein, die niemand anders haben wollte.
Dazu zählen Einkaufszentren in immer verlasseneren Innenstädten und große Bürogebäude, die die alte Industrie des Ruhrgebiets aufgegeben hat, wie zum Beispiel der frühere Firmensitz der Ruhrkohle AG in Herne oder die frühere Ruhrgas-Zentrale in Essen.
Am Donnerstag teilte dann zunächst Bernd Tischler, Oberbürgermeister der Stadt Bottrop im Norden des Ruhrgebiets, auf einer Pressekonferenz das vorläufige Aus für viele Projekte mit: die Fakt AG habe am Vortag die Stadt darüber informiert, dass sie einen Insolvenzantrag stellen wolle. Das Amtsgericht Essen ordnete am Nachmittag ein Insolvenzverfahren an. Die Fakt AG reagierte nicht auf eine Anfrage. Nach Recherchen von CORRECTIV und Handelsblatt stellten sich schon länger Fragen, wie die Fakt AG die Käufe finanzierte und mit welchen Methoden sie die Gebäude bewertete.
Fakt AG: Politische Verbindungen als Teil des Geschäfts
Vor kurzem wollte Schulte-Kemper jedenfalls noch nach den Sternen greifen. „Wenn ich den Mond bebauen soll, dann schaue ich, wie ich das schaffe“, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. Betagten Bürogebäuden hauche er neues Leben ein, zugleich wolle er Wohnraum für tausende Menschen im Ruhrgebiet schaffen.
Schulte-Kemper setzte für sein Geschäft viel auf politische Verbindungen. Im Beirat der Fakt AG fanden sich bis vor kurzem unter anderem Petra Wassner, die Ex-Chefin der NRW-Wirtschaftsförderung, Prinz Stefan von und zu Liechtenstein, Botschafter des Fürstentums beim Heiligen Stuhl, sowie der ehemalige österreichische Bundeskanzler Christian Kern.
Der Aufsichtsrat wurde von Ernst Gerlach geleitet, dem ehemaligen Vorstand der NRW Förderbank. Schulte-Kemper selbst hat eine Karriere als CDU-Lokalpolitiker im Ruhrgebiet hinter sich und tritt als Honorarkonsul der Republik Ungarn auf. Wenn es eng werde, dann rufe ihn schon mal der Wirtschaftsminister aus NRW an, sagte Schulte-Kemper im Gespräch.
Doch diese Kontakte reichten offenbar nicht aus, um die Fakt AG vor der schwierigen Lage auf dem Immobilienmarkt zu retten. Die Europäische Zentralbank (EZB) hebt zur Bekämpfung der Inflation derzeit die Zinsen an, womit die Finanzierung von Bauprojekten schwieriger wird – und damit das Geschäftsmodell von Firmen wie der Fakt AG. Der Konzern kaufte Immobilien an, um sie weiterzuentwickeln und später wieder zu verkaufen.
Fakt AG: Hohe Risiken, hohe Zinsen
Die steigenden Zinsen treffen die gesamte Immobilienbranche. Doch die Fakt AG griff offenbar schon länger zu Methoden und ging Risiken ein, die andere scheuten. So hübschte der Konzern mangels Mietern den Wert seiner Immobilien mitunter auf, indem Tochterfirmen Teile anmieteten. Zudem hielt sich die Fakt AG schon länger mit Finanzierungen zu aberwitzig erscheinenden Konditionen über Wasser.
Für einige Kredite zahlte die Fakt AG 24 Prozent Zinsen, wie aus internen Unterlagen hervorgeht. Bei anderen sind es 11 oder 15,36 Prozent. In einer Liste sind einzelne Kredite aufgeführt, die in Summe 287 Millionen Euro ergeben.
Im Gespräch bestritt Schulte-Kemper nicht, dass er Kreditverträge mit derartigen Zinsniveaus abgeschlossen hat. Dies sei aber nicht entscheidend, sagte er. Entscheidend sei letztlich der Wert der Immobilien. Als Beispiel führt er den Ruhrturm an, ein 17-stöckiges Bürogebäude in Essen, der seine beste Zeit hinter sich hat. In dem Gebäude haben sich verschiedene Firmen eingemietet, auch die Fakt AG residiert hier.
Im Ruhrturm befindet sich auch ein Hotel mit Namen Weber und ein Konferenzzentrum. Beides wird über Schulte-Kempers Firma betrieben. Das Führen des Hotels sei eher aus der Not geboren, da der ursprüngliche Betreiber laut Schulte-Kemper während der Corona-Monate die Lust an dem Hotel verloren habe. Größter Mieter des Gebäudes ist damit der Eigentümer selbst.
Hansazentrum in Bottrop: aus den Plänen wurde nichts
Bei anderen Geschäften sieht es ähnlich aus. Zum Beispiel das Hansazentrum in Bottrop. Ein ehemaliges Einkaufszentrum in der City einer maroden Ruhrgebietsstadt, das seit über zehn Jahren leer steht und verfällt. Es ist inzwischen eine Ruine ohne Innenausbau und mit kaputter Fassade.
In diese Betonbrache wollte Schulte-Kemper für die Fakt AG unter anderem ein Kinozentrum mit 800 Plätzen auf das Dach setzen lassen. Das millionenschwere Kinoprojekt wird von einer Firma angeschoben, die bislang nicht mal ins Handelsregister eingetragen ist.
Dazu sollte Groß-Gastronomie kommen. Diese Pläne scheiterten laut Gastronomen aus Bottrop allerdings an der Finanzierung. Die vorgesehenen Wirte wollten keine Millionen für den Umbau der maroden Anlagen bezahlen. Auch aus dem Einzug eines Hotels der Marke Hampton by Hilton-Hotel wurde nichts.
Der geplante Baubeginn hat sich jedenfalls immer weiter verschoben. Auf dem Papier stieg der angebliche Wert der Immobilie dennoch weiter. Die Fakt AG unter Schulte-Kemper erwarb das Hansazentrum für rund 10 Millionen Euro. Heute soll die Ruine auf Basis der vorliegenden Unterlagen der Fakt AG über 50 Millionen Euro wert sein – ohne dass etwas Nennenswertes gebaut wurde – und dient als Sicherheit für einen Kredit über 15 Millionen Euro.
Fakt AG: Was sind die Folgen der Insolvenz?
An dieser Stelle lässt sich das Geschäftsmodell der Fakt AG am besten mit Schulte-Kempers eigenen Worten beschreiben: Den Ruhrturm in Essen habe er in 13 Minuten gemacht, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Dann habe ich den Letter of Intent diktiert und bin im Anschluss für fünf Wochen mit meiner Frau in den Urlaub gefahren.“ Danach habe er sich um die Finanzierung gekümmert. Für das Großprojekt steuerte er nach eigenen Angaben Eigenkapital in Höhe von 100.000 Euro bei, der Rest kam über Kredite. Vor wenigen Monaten summierten sich die Verbindlichkeiten für den heruntergekommenen Ruhrturm auf 59 Millionen Euro.
Das ist die Art von vermeintlichem Leuchtturmprojekt, mit dem sich die Fakt AG gerne schmückte. In Marl gelang es dem Konzern nicht einmal, das Parkhaus eines dortigen Einkaufszentrums fachgerecht zu renovieren. Der Einzelhändler Aldi hielt deswegen mitunter Mieten in sechsstelliger Höhe ein, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person gegenüber CORRECTIV.
Jetzt ist die Fakt AG insolvent und die Kommunen des Ruhrgebiets müssen mit den Folgen umgehen. In Bottrop sagte Oberbürgermeister Tischler, dass die Stadt das marode und verlassene Hansazentrum jetzt übernehmen werde, um es in eigener Verantwortung mit einem neuen Konzept zu entwickeln.