FDP ist nun offen gegen das EU-Lieferkettengesetz
Die EU-Lieferkettenrichtlinie droht am Widerstand der FDP zu scheitern. Am Donnerstag stellten sich zwei Bundesminister in einem Brief offen gegen das Vorhaben, das bereits als beschlossene Sache galt. CORRECTIV veröffentlicht das Schreiben nun vollständig.
Die FDP sagt offen nein zum EU-Lieferkettengesetz: In einem Schreiben, das CORRECTIV vorliegt, stellen sich Finanzminister Christian Lindner und Justizminister Marco Buschmann (beide FPD) gegen den Kompromissentwurf: „Beide Häuser können das Ergebnis nicht mittragen“, heißt es darin: „Im Rat der Europäischen Union hat dies eine Enthaltung Deutschlands zur Folge, die im Ergebnis wie eine „nein“-Stimme wirkt.“
Am Donnerstag berichtete The Pioneer zuerst über den Brief, auch andere Medien griffen die Nachricht auf. CORRECTIV veröffentlicht das Dokument jetzt vollständig.
Christian Lindner und Marco Buschmann zum EU-Lieferkettengesetz
Der Widerspruch der FDP kann dazu führen dass das Gesetzesvorhaben kippt, wenn in Folge der Kehrtwende Deutschlands auch andere Länder ins Zweifeln geraten. Auffällig ist, dass die FDP die Richtlinie nun komplett ablehnt – obwohl Bundesjustizminister Marco Buschmann die Position der Bundesregierung bis Mitte November 2023 mitgetragen hat. Das belegen interne Regierungsunterlagen, die CORRECTIV vorliegen; über den Sinneswandel berichtete CORRECTIV bereits in der vergangenen Woche.
In der EU wird seit etwa zwei Jahren über die Lieferkettenrichtlinie diskutiert. Das Gesetz soll Unternehmen verpflichten, bei ihren Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutz zu achten. Sofern es zu Verstößen kommt, könnten die Unternehmen auch rechtlich zur Verantwortung gezogen werden.
Die FDP würdigt in dem Dokument, dass der federführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) „kraftvoll und engagiert“ gearbeitet habe. Ihm seien bei den Verhandlungen „beachtliche Erfolge“ gelungen. Allerdings müsse man feststellen, dass der Kompromiss „den Anforderungen für eine gute Lösung objektiv nicht entspricht.“
Allerdings nennt die FDP als Begründung für ihr Nein mehrere zentrale Punkte, denen Buschmann zuvor im Prinzip zugestimmt hat: Hierzu zählt etwa die zivilrechtliche Haftung für Unternehmen, die Buschmann zwar einschränken, aber nicht vollständig streichen wollte. Auch, dass die Richtlinie bereits für Unternehmen ab 500 Mitarbeitern gelten soll und für die gesamte Lieferkette anstatt nur für die direkten Zulieferer, ist laut dem Schreiben für die FDP nicht mehr hinnehmbar. Diese beiden Punkte hatte Buschmann bislang in den Verhandlungen mitgetragen, wie interne Dokumente und Weisungen belegen.
CORRECTIV hatte mehrfach berichtet, wie Wirtschafts- und Lobbyverbände gegen das Lieferkettengesetz Sturm laufen. Die FDP hatte mehrfach Argumente der Lobbyverbände aufgegriffen. Buschmann hatte bei mehreren Punkten weichere Vorgaben für die Unternehmen durchgesetzt und die Position der Bundesregierung so mitgeprägt. Dass die Partei sich vor wenigen Wochen komplett von dem Entwurf losgesagt hat, sorgt deshalb in Brüssel und Berlin für Irritationen.