Gefährliche Keime

Zehntausende Patienten offenbar unsauber operiert

Ein Hygieneskandal am Uniklinikum Mannheim entwickelt sich zur bundesweit größten Affäre um verschmutzte OP-Bestecke. Das legt der interne Bericht einer Untersuchungskommission nahe, welcher der Funke-Mediengruppe vorliegt. Dem Bericht zufolge missachtete die Uniklinik mindestens sieben Jahre lang – von 2007 bis Ende 2014 – Hygienegesetze und Infektionsschutzrichtlinien. Zehntausende Patienten wurden offenbar mit unsauberen Instrumenten operiert.

von Daniel Drepper

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[Von Klaus Brandt, Funke-Mediengruppe]

Die 1350-Betten-Klinik war nicht in der Lage, das OP-Besteck vorschriftsmäßig steril aufzubereiten – weder technisch, noch organisatorisch, noch personell. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe, die in Kooperation mit CORRECTIV, der ZEIT und Zeit Online in den vergangenen Monaten über tödliche Keime berichtet hatte. Die Betroffenen wären damit unüberschaubaren Infektionsrisiken ausgesetzt. Die Klinikleitung kannte die Hygienemissstände, unternahm aber laut Kommissionsbericht nichts dagegen. Wie viele Patienten welche Folgeschäden erlitten haben, ist bislang nicht absehbar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Eine anonyme Anzeige hatte den Skandal im Oktober 2014 ins Rollen gebracht. Die Vorwürfe reichen bis zu gezielter Verunreinigung von medizinischem Gerät. Staatsanwälte durchsuchten das Krankenhaus, beschlagnahmten kistenweise mögliches Beweismaterial. Die Klinikleitung gestand Mängel ein: Waschmaschinen zur Reinigung von OP-Besteck fehlte ein TÜV-ähnliches Siegel, dem Reinigungspersonal die nötige Fachkenntnis. Operationen und Endoskopien mussten wochenlang drastisch reduziert werden; nur Notfälle kamen noch unters Messer. Die Klinik verschrottete zwei Drittel ihrer OP-Instrumente.

Der Untersuchungsbericht gibt nun eine Vorstellung davon, wie offenbar auch eine tote Fliege in versiegeltes OP-Besteck gelangen konnte. Seit 2007 stiegen in Mannheim die OP-Zahlen. Damit wuchs der Bedarf an Instrumenten. Doch „nach objektiver Einschätzung“ der Expertenkommission war die gesetzlich vorgeschriebene Aufbereitung der Medizinprodukte sieben Jahre lang unmöglich. Es fehlte am Personal, an der Technik und an der Organisation. Fazit der Gutachter: Die vorgegebene „Güte und Qualität“ des Medizinproduktegesetzes und der Krankenhaushygieneverordnung (KRINKO) sei so nicht erreichbar gewesen.

Die Prüfer kommen zu dem Schluss, dass die gesetzlich geregelte Aufbereitung des Sterilguts bis November 2014 „nicht den Richtlinien und Vorgaben entsprach“. Einige Mängel bestünden bis heute. Die Kommission rät dringend zu Investitionen in Hygiene, Organisation, Technik und Risikomanagement. Mehr qualifiziertes Personal und verlässliche Qualitätskontrollen müssten her. Laut Klinik sind die Patienten in Mannheim derzeit „sicher aufgehoben“.


Mehr Informationen gibt es bei der Funke-Mediengruppe.

Wir haben im vergangenen Herbst zum Thema Tödliche Keime berichtet. Habt Ihr Erfahrungen mit Hygienemängeln in Krankenhäusern oder Altenheimen gemacht? Oder selbst mit Keimen gekämpft? Wir freuen uns, wenn Ihr Eure Erfahrungen in unserem Fragebogen teilt.

Foto: Ivo Mayr