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NRW: Was Wilders Niederlage für die AfD bedeutet

Die Niederlande haben gewählt und sich entscheiden. Gegen den Rechtspopulisten Geert Wilders und damit für ein offenes Europa. Doch welche Auswirkungen hat das Ergebnis auf die Politik in Nordrhein-Westfalen? Schließlich positioniert sich der AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell klar gegen die EU und setzt auf eine Machtergreifung der Populisten in Europa.

von Marcus Bensmann

© Screenshot Correctiv.Ruhr

Das Wahlergebnis in den Niederlanden ist nicht nur ein Rückschlag für Geert Wilders – auch für die Populisten in ganz Europa. Besonders aber für die AfD in NRW. Noch im Januar feierte Marcus Pretzell den Rechtspopulisten aus den Niederlanden als zukünftigen „Regierungschef“.

Wilders und dessen Partei für die Freiheit landeten bei der Wahl am Mittwoch mit 13.1 Prozent abgeschlagen auf dem zweiten Platz und konnten nur wenige Sitze hinzugewinnen. Über Monate hatten Meinungsumfragen Wilders’ Partei in Führung gesehen. Wilders, der sich klar gegen die EU ausspricht, hatte im Wahlkampf die niederländische Öffentlichkeit mit fremden- und islamfeindlichen Parolen sowie der Forderung nach einem Nexit vor sich hergetrieben. Doch am Wahltag ging seine Rechnung nicht auf. Vor allem EU-freundliche Parteien wie die Grünen verzeichneten in den Niederlanden bei einer hohen Wahlbeteiligung Gewinne.

„Viel Erfolg Geert!“

Marcus Pretzell hatte auf einen Sieg Wilders gesetzt und sich Rückenwind für die Wahl in NRW und den Bund versprochen. Am gestrigen Wahltag in den Niederlanden war Pretzell noch voller Hoffnung. „Viel Erfolg Geert Wilders“, schrieb er auf seiner Facebookseite, und postete dazu ein politisches Familienfoto:  Wilders mit der Mozart-Frisur macht breit grinsend ein Selfi, daneben lachend Marine Le Pen, und zwischen beiden schaut Marcus Pretzell über deren Schultern, so als wolle da einer bei den Großen mitspielen.

Das Foto stammte von der Konferenz der Rechtspopulisten in Koblenz, zu der die Fraktion Europa der Nationen und Freiheiten, ENF, zusammen mit Pretzell im Januar geladen hatten. Pretzell sitzt mit Marine Le Pen und den Abgeordneten der Wilders-Partei in einer Fraktion im Europaparlament. Die Fraktion, angeführt von der französischen Präsidentschaftskandidaten Le Pen, ist der Club der europäischen Rechtspopulisten und Kämpfer gegen die angebliche Islamisierung des Abendlandes. Die ENF will den Euro und die Europäische Union schleifen, und schwärmt für ein Putin-Europa.

Die neuen Regierungschefs von Europa

Pretzell beschwor noch im Januar in Koblenz die baldige Machtergreifung in Europa und bezeichnete Wilders und Le Pen als Bundesgenossen der AfD. „Das neue Europa, die neuen Staats- und Regierungschefs von Europa haben sich hier in Teilen heute bereits versammelt“, sagte er in der Eröffnungsrede. Darüber hinaus sieht Pretzell den Front National als Vorbild: „Nun fehlt es in der AfD an einigem, bevor die Partei zu den erfolgreichen rechtspopulistischen Parteien in Europa, zu der FPÖ, zur Lega Nord und zum Front National, aufschließen kann“, schreibt er im Dezember auf der Internetseite „Der blaue Kanal“.

Wilders Wahlniederlage ist nun auch eine Niederlage für die Fraktion und die von Pretzell geplante Machtachse der Populisten in Europa. Wie in den Niederlanden schwindet auch in NRW die Zustimmung für die Populisten.  Bei der jüngsten Forsa-Umfrage liegt die AfD bei nur sieben Prozent.  

Widerstand innerhalb der AfD

Nicht jeder aus der AfD steht jedoch hinter der Idee einer europäischen Allianz. Pretzells Kooperation, vor allem mit der Front National aus Frankreich, stößt im NRW-Landesverband auf heftigen Widerstand. Die AfD bekämpfe als „hauptsächlichen Gegner innerhalb des politischen Raumes sozialistische Politik“, sagte der AfD-CO-Vorsitzende in NRW Martin Renner im Februar gegenüber Compact. Und der Front National sei eine „sozialistische Partei“.

Renner führte weiter aus: Wenn mit dem Schwerpunkt der „sozialistischen Politik“ noch „ein scharfer und starker nationaler Impetus zusammenkommt, dann muss man beide Adjektive nur zusammenfügen“, und man erhält „national und sozialistisch“. Damit sei die politische Zielrichtung der Le Pen Partei beschreiben, sagte Renner, und damit wolle die AfD „gar nichts zu tun“ haben.

Konflikte vorprogrammiert

Das schürt Konflikte innerhalb der Partei: In der Regel lässt Pretzell nichts auf seine Chefin in der Fraktion im Europaparlament Le Pen und deren Partei kommen. Ende Februar attackierte Pretzell auf einer Wahlversammlung der AfD in Essen ein WDR-Team, da der Reporter den Front National in einem Beitrag als „rechtsradikal“ bezeichnet hatte. Damit hätte der WDR 30 Prozent der französischen Bevölkerung beleidigt, blaffte Pretzell den Reporter an.

Ein AfD-Politiker wie Pretzell sollte nach Überzeugung seines Parteikollegen Renners nicht mit Le Pen in einer Fraktion sitzen. Eine sehr enge Kooperation, wie zum Beispiel im europäischen Parlament, sei „nicht mein Ding“, sagte Renner. Und er steht in der AfD nicht alleine. Die AfD-Politiker Jörg Meuthen oder Alexander Gauland sprechen sich ebenfalls offen gegen die von Pretzell betriebene Nähe zum Front National aus.  

Zerstrittene Spitze

Ungeachtet dieses Gegensatzes müssen Pretzell und Renner die NRW-AfD gemeinsam führen. Das hatte Pretzell anders geplant. Mit Renner sei ein Wahlkampf für die AfD in NRW nicht möglich, sagte Pretzell im Januar auf einem Parteitag in Oberhausen und versuchte Renner aus dem Boot zu werfen. Er verfehlte jedoch die notwendige Zweidrittelmehrheit, um Renner von dem Posten des Co-Vorsitzenden für NRW zu entheben.

Renner retournierte. Gegen Pretzells Plan setzte er sich in einer Kampfkandidatur bei der Wahl in Essen als Spitzenkandidat der AfD aus NRW für die Bundestagsliste durch. Nun ziehen beide Politiker für die Alternative für Deutschland aus NRW in die Wahlkämpfe, wobei jeder eine andere Vorstellung hat, wie diese Alternative ausschaut.