Faktencheck

Gedrosselte Mieten, gedrosselte Investitionen?

Zwei Jahre ist es her, dass die Mietpreisbremse in 22 Städten in Nordrhein-Westfalen eingeführt wurde. Jetzt soll sie wieder abgeschafft werden, so steht es jedenfalls im schwarz-gelben Koalitionsvertrag. Der Grund: Die Mietpreisbremse habe private Investitionen in den Wohnungsbau ausgebremst. Stimmt das?

von Pauline Schinkels

© Sascha Scheuermann / AFP

Schwarz-Gelb will in Nordrhein-Westfalen die Mietpreisbremse abschaffen. Den Grund liefert die neue Landesregierung direkt mit. Zu wenig sei in privaten Wohnraum investiert worden. Das wäre in der Tat problematisch, denn erschwingliche Wohnungen sind bekanntlich Mangelware – jedenfalls in den großen Innenstädten NRWs.

Im Juli 2015 wurde die sogenannte Mietpreisbegrenzungsverordnung unter Bauminister Michael Groschek, inzwischen SPD-Landesvorsitzender, eingeführt. Und gilt seitdem für 22 Städte in NRW. Darunter sind beliebte Hochschulstädte wie Düsseldorf, Münster, Köln, Aachen und Bonn. Hier darf ein Vermieter höchstens zehn Prozent mehr verlangen als die ortsübliche Miete für Wohnungen dieser Qualität, sonst kann der Mieter ihn rügen. So sollte verhindert werden, dass weniger einkommensstarke Mieter aus den Innenstädten verdrängt werden und Quartiere für Besserverdiener entstehen. Das war das Ziel, was die damalige rot-grüne Landesregierung verfolgte.

Dieses Ziel sei verfehlt worden, so schreiben CDU und FDP es jedenfalls in ihrem Koalitionsvertrag. Die Mietpreisbremse habe „die Mieten nicht gebremst, sondern private Investitionen in den Wohnungsbau“. Deshalb will die schwarz-gelbe Landesregierung die entsprechende Verordnung, die noch bis 2020 hätte laufen sollen, nach zwei Jahren wieder kippen. Die Begründung ist allerdings dürftig.

Zahl der Baugenehmigungen in NRW steigt

„Der Effekt, den die Mietpreisbremse auf Investitionen hat, dürfte nur marginal sein“, sagt Reiner Braun, Geschäftsführer des Forschungs- und Beratungsinstituts Empirica. Denn für Neubauten, die nach Oktober 2014 entstanden sind, gilt die Mietpreisbremse nicht. „Der Neubau wird so attraktiver im Vergleich zum Altbau“, sagt Claus Michelsen, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. Denn anders als beim Altbau sind horrende Mieten beim Neubau weiter möglich, da sie vom Gesetzgeber nicht reguliert werden.

Strittig ist aber, was mit bestehendem Wohnraum passiert. Gehen etwa Sanierungen zurück, wenn die Miete staatlich gedrosselt wird? Solche Baumaßnahmen müssen je nach Umfang vorher genehmigt werden – und sie werden zentral für Nordrhein-Westfalen erfasst. Die Anzahl der Baugenehmigungen sowohl für Neubauten als auch für Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden ist aber in den vergangenen Jahren gestiegen – das zeigen die Zahlen der Landesdatenbank. Ein Grund dafür dürfte auch sein, dass die erste Vermietung nach einer umfassenden Modernisierung von der Mietpreisbremse ausgenommen ist, das schreibt das Bundesjustizministerium auch so auf seiner Seite.

Wer neu baut, den trifft die Mietpreisbremse nicht. Wer modernisiert, den trifft die Mietpreisbremse nicht. Trotzdem soll sie laut Koalitionsvertrag die Investitionen hemmen. Auf Correctiv.Ruhr Anfrage rudert die FDP zurück, man wolle die Investitionen generell wieder ankurbeln, dazu zähle man aber auch andere Maßnahmen wie etwa ein Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer oder eine Novellierung der Energieeinsparverordnung. 

Wohnraum ist knapp, also wird investiert. Das verhindert auch die Mietpreisbremse nicht. „Man könnte höchstens vermuten, dass die Anzahl der Baugenehmigungen ohne Mietpreisbremse noch stärker angestiegen wäre“, sagt Braun. Möglicherweise schrecke Investoren ab, dass nicht klar sei, wie es mit der Mietpreisbremse nach 2020 weitergegangen wäre. Belegen lasse sich das aber nicht.  

Was regelt die Mietpreisbremse?

Die bundesgesetzliche Neuregelung der Mietpreisbremse gilt seit April 2015. Die Neuregelung sieht vor, dass bei der Wiedervermietung von Bestandswohnungen die zulässige Miete in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt höchstens auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete zuzüglich 10 Prozent angehoben werden darf. Das Gesetz lässt aber Ausnahmen zu, darunter fallen beispielsweise Neubauten, umfassend modernisierte Wohnungen oder – temporär jedenfalls – die Vermietung von möblierten Wohnungen. Die einzelnen Bundesländer – wie etwa NRW – können die Mietpreisbremse für höchstens fünf Jahre für ein bestimmtes Gebiet ausweisen, in NRW regelt das die sogenannte Mietpreisbegrenzungsverordnung. Die soll jetzt unter Schwarz-Gelb fallen. Damit steht NRW nicht allein, auch die neue Landesregierung in Schleswig-Holstein will die Mietpreisbremse abschaffen.

„Die Mietpreisbremse müsste nachgebessert und nicht abgeschafft werden“, sagt Silke Gottschalk, Sprecherin vom Mieterbund NRW. Zu kompliziert und zu intransparent sei sie für Mieter, mögliche Sanktionen seien zu lax. „In unsere Geschäftsstellen kommen kaum Mieter, die sich dazu beraten lassen“, sagt Gottschalk. 

Die Mietpreisbremse findet Braun aus ganz anderen Gründen problematisch. „Die Mietpreisbremse“, sagt der Sozialforscher und Volkswirt, „kann höchstens die Symptome des Wohnungsmangels beheben.“ Die Ursache sieht er aber in der fehlenden Möglichkeit überhaupt erst bauen zu können. „Die Städte weisen kaum neues Bauland aus“, sagt Braun. Der Grund: Die Ausweisung ziehe häufig Bürgerproteste nach. „Davor schrecken viele Politiker zurück“, sagt Braun, „insbesondere vor Wahlen.“

Geringverdiener entlastet die Mietpreisbremse nicht

Aber was ist mit dem ursprünglichen Ziel Einkommensschwächere zu entlasten, wie Rot-Grün es festhielt? „Geringverdiener wohnen in der Regel nicht in den Innenstadtbereichen, in denen die Mieten in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind“, sagt Claus Michelsen vom DIW. Die Mietpreisbremse entlaste eher die Mittelschicht, wie beispielsweise Familien, die weiterhin innenstadtnah leben wollen und  – es sich so finanziell weiter leisten können.

„Geringverdiener werden auf einem freien Wohnungsmarkt immer den Kürzeren ziehen“, sagt Michelsen. Daran ändere auch eine Preisgrenze nichts. Helfen könnten nur Wohnungsberechtigungsscheine oder mehr sozialer Wohnungsbau. Der rückte unter Rot-Grün in NRW wieder stärker in den Fokus. Auch die schwarz-gelbe Landesregierung will das Problem angehen, sonderlich konkret wird sie dazu im Koalitionsvertrag aber noch nicht. 

Fazit:

Ob die Mietpreisbremse einen Effekt auf den Mietpreis hat ist sehr umstritten. Eine Studie attestierte der Mietpreisbremse gar einen gegenteiligen Effekt. Sie aber mit der Begründung abzuschaffen sie hätte Investitionen gehemmt, wie CDU und FDP es in ihrem Koalitionsvertrag schreiben, lässt sich kaum belegen. 

Voller Laden, darüber leere Wohnungen: Wer durch NRWs Einkaufsstraßen geht, hat das wahrscheinlich schon öfter beobachtet. Warum die Politik kaum etwas gegen den Leerstand in den Innenstädten unternimmt, können Sie hier lesen. 


So sind die Mietpreise in NRW gestiegen

Wie haben sich die Mieten in Herne, Dortmund oder Gelsenkirchen entwickelt? Den vollständigen Artikel „So sind die Mietpreise in NRW gestiegen“ lesen Sie hier.