Faktencheck

Klimawandel? Irreführende Beiträge über die angebliche Austrocknung der Victoriafälle

Derzeit verbreitet sich auf Facebook eine Collage, die zeigen soll, dass der MDR in einem Beitrag über die Victoriafälle in Afrika eine Falschmeldung verbreitet habe. Es geht um die Frage, ob die Wasserfälle aktuell ungewöhnlich wenig Wasser führen. Wir haben die Fakten recherchiert. 

von Alice Echtermann

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Ein aktuelles Foto der Victoriafälle zwischen Simbabwe und Sambia vom 10. Dezember 2019. (Foto: Zinyange Auntony / AFP)
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Teilweise falsch
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Teilweise falsch. Der Facebook-Beitrag weist zu Recht auf eine irreführende Berichterstattung des MDR hin. Er führt aber selbst mit einem alten Foto in die Irre und verschweigt, dass die Wassermenge dieses Jahr tatsächlich sehr gering war.

Hat der MDR in einem Beitrag über die Victoriafälle in Afrika Falschnachrichten verbreitet? Das behaupten zahlreiche Nutzer auf Facebook. 

Die Victoriafälle sind ein riesiger Wasserfall des Flusses Sambesi an der Grenze zwischen Simbabwe und Sambia. Der MDR hatte am 7. Dezember einen TV-Beitrag darüber veröffentlicht, der auf der Webseite des Senders mit dem Titel „Klimawandel: Die Victoriafälle sind trocken“ zu finden war. Auf dem Vorschaubild des Videos auf der MDR-Webseite ist ein trockener Abschnitt der Wasserfälle zu sehen. In einer Collage, die nun auf Facebook kursiert, wird daneben eine Luftaufnahme gestellt. Darauf sieht es so aus, als sei an anderer Stelle wesentlich mehr Wasser geflossen. 

Einer der Facebook-Beiträge mit der Collage vom 12. Dezember wurde mehr als 3.500 Mal geteilt. Der Nutzer behauptet darin, der Bericht über die Wasserfälle sei ein Beispiel für eine „bewusst irreführende Falschmeldung“: „Die angebliche Austrocknung der Victoriafälle gibt es nicht.“ Außerdem veröffentlichte die Seite Politikstube am 14. Dezember einen Artikel mit der Collage und dem Titel „Um den Klimawandel zu belegen, verbreitet der Staatsfunk auch gerne mal Fake News“. 

Wir haben diese Behauptung geprüft – der Vorwurf der Falschmeldung ist nicht korrekt. Tatsächlich hat der MDR in seinem Beitrag wichtigen Kontext weggelassen. Aber: Dasselbe trifft auch auf den Facebook-Beitrag mit der Collage zu.  

Der Facebook-Beitrag mit der Collage aus dem MDR-Beitrag und einem Luftbild. (Screenshot am 19. Dezember und Schwärzung: CORRECTIV)

Die Luftaufnahme der Wasserfälle, die in der Collage verwendet wird, ist mindestens fünf Jahre alt, sie ist also kein Beleg für eine falsche Berichterstattung des MDR. Das Foto haben wir mit Bilder-Rückwärtssuchen bei Google auf einem privaten Blog gefunden. Es stammt demnach von Dezember 2014 und sagt nichts über die Wassermenge im Jahr 2019 aus. 

MDR beruft sich vor allem auf Aussagen von Einheimischen

Auf der Webseite des MDR und in der ARD-Mediathek ist das Video nicht mehr verfügbar. Der MDR-Beitrag wurde am 8. Dezember im Internet Archive gespeichert. In dieser archivierten Version lässt sich jedoch nicht das Video abrufen. 

Über die Google-Suche waren die MDR-Beiträge noch sichtbar, obwohl sie in der Mediathek nicht mehr verfügbar waren. (Screenshot: CORRECTIV)

Die Pressestelle des MDR schickte uns auf Anfrage das Video zu. Es ist 1 Minute und 27 Sekunden lang. 

Zuerst werden Archiv-Aufnahmen der Victoriafälle gezeigt, auf denen viel Wasser fließt. Dann folgen Bilder, auf denen fast kein Wasser zu sehen ist. „So sieht es derzeit aus“, sagt die Sprecherin dazu. Die Fälle seien „nahezu ausgetrocknet“, „ein Rinnsal“. Allerdings ist im Hintergrund der Aufnahmen zu sehen, dass an einer anderen Stelle der Wasserfälle zu diesem Zeitpunkt mehr Wasser floss. 

Zwei junge einheimische Männer kommen zu Wort, einer sagt laut der Übersetzung: „Eine Trockenzeit von diesem Ausmaß, das gab es noch nie.“ Ein anderer sagt laut Übersetzung: „Klimawandel – ich dachte, die Leute würden nur so reden. Aber jetzt sehen wir: die Wasserfälle sind trocken.“ Dann erklärt die Sprecherin, weite Teile Südafrikas litten derzeit unter einer Dürre. 

Andere Medienberichte zeigen dieselben Videoaufnahmen, ordnen jedoch stärker den Kontext ein

Der MDR ist nicht das einzige Medium, das Anfang Dezember über die Situation der Victoriafälle berichtete. Andere lieferten jedoch mehr Kontext und erwähnten, dass die Wasserfälle jedes Jahr in der Trockenzeit weniger Wasser führen.

So veröffentlichte T-Online am 13. Dezember einen Artikel, in dem ein Video mit Aufnahmen der Agentur Reuters zu sehen ist. Eine Sprecherin sagt: „Die Wassermenge ändert sich im Laufe des Jahres. So kann das Volumen während der Trockenzeit im November nur rund ein Zehntel der Menge im April betragen. Bilder von den fast ausgetrockneten Fällen sind also keine Seltenheit. Und doch ist es in diesem Jahr anders, wie etwa Anwohner berichten.“

Dann kommt derselbe junge Mann zu Wort wie in dem MDR-Beitrag, ein Souvenirverkäufer: Er habe gedacht, der Klimawandel sei nur eine Geschichte, bis er zu den Victoriafällen kam. „Während der Trockenzeit kennen wir das so, aber in diesem Jahr hat sie schon im Juni begonnen. Ich würde sagen, das ist die längste Trockenzeit, die wir hier jemals hatten.“

Auch Zeit Online hat am 9. Dezember ein ähnliches Video mit demselben Videomaterial von Reuters veröffentlicht. Darin heißt es: „Im September und Oktober ist die Trockenzeit bekannt, doch dass es noch im Dezember so dramatisch aussieht, ist ungewöhnlich, wie einige der örtlichen Souvenirverkäufer bestätigen.“

Dass es jedes Jahr eine Trockenzeit gibt, in der der Wasserfall wenig Wasser führt, wird in dem MDR-Beitrag nicht deutlich. Die Überschrift „Die Victoriafälle sind trocken“ ist falsch, da die Fälle nie komplett ausgetrocknet waren. 

Das Thema erregte international Aufmerksamkeit

Auch international berichteten Medien in den vergangenen Wochen über die Victoriafälle. Auf Youtube kursiert zudem seit September ein Video mit dem Titel „Victoria Falls are almost bone dry“ (Deutsch: Die Victoriafälle sind fast knochentrocken). Es wurde mehr als 51.000 Mal angesehen. Dazu veröffentlichten die Faktenchecker von AFP am 12. Dezember einen Artikel. Sie erklärten, das Youtube-Video lasse den wichtigen Kontext weg, dass die jährliche Trockenzeit stets Auswirkungen auf die Wasserfälle habe. Zum selben Schluss kam auch die Sunday Times in Neuseeland in einem Faktencheck am 13. Dezember. Auf Twitter kursiert außerdem der Hashtag #VictoriaFallsIsNotDry, unter dem Nutzer „Beweisfotos“ von den Wasserfällen veröffentlichen.  

Nein, die Victoriafälle trocknen nicht aus

Offizielle Daten der Zambezi River Authority (Diagramm) zeigen, dass die Victoriafälle zwar im November ähnlich wenig Wasser führten wie in der Saison 1995/96 – dem bisherigen Niedrigrekord. Aber seit Anfang Dezember nimmt die Wassermenge langsam wieder zu. 

Zudem sei das Wasserlevel 2018 am selben Tag noch niedriger gewesen, schreibt die Behörde (Stand: 19. Dezember): „Der Wasserfluss der Victoriafälle stieg diese Woche und erreichte 282 Kubikmeter pro Sekunde am 18. Dezember 2019. Letztes Jahr am selben Tag waren es 227 Kubikmeter pro Sekunde.“

Daten der Zambezi River Authority an der Messstation Victoria Falls zeigen, dass die Wassermenge stark schwankt. (Screenshot am 19. Dezember 2019: CORRECTIV)

Aktuelle Fotos der Agentur AFP vom 10. Dezember 2019 zeigen ebenfalls sehr geringe Wassermengen an einigen Stellen und größere Wassermengen an anderen. 

Fest steht also: Die Victoriafälle sind derzeit nicht völlig trocken und wie sich die Wassermengen in Zukunft entwickeln werden, ist unklar. Der Beitrag des MDR führte tatsächlich in die Irre – durch die falsche Überschrift auf der Webseite und das Weglassen von Kontext im Video. Ein Zusammenhang mit dem Klimawandel ist unbelegt, auch wenn die Häufigkeit von Dürren durch ihn steigen kann. Die Informationen im MDR-Beitrag selbst sind aber nicht falsch. 

Auch in dem Facebook-Beitrag fehlt Kontext

Darüber hinaus sind aber auch die Facebook-Beiträge mit der Collage und der Artikel der Seite Politikstube selbst irreführend. 

Die Luftaufnahme der Wasserfälle, die in der Collage verwendet wird, ist, wie oben erwähnt, mindestens fünf Jahre alt. Der Facebook-Beitrag behauptet zudem, die Austrocknung der Victoriafälle gebe es nicht. Auch hier wird wichtiger Kontext weggelassen, nämlich dass es tatsächlich im südlichen Afrika in Ländern wie Simbabwe eine schlimme Dürre gibt, dass die Wasserfälle in diesem Jahr den niedrigsten Wasserstand seit vielen Jahren erreichten, und dass Einheimische vor Ort sagen, die Trockenzeit dauere ungewöhnlich lange. 

Update, 19. Dezember 2019: Kurz nach der Veröffentlichung hat der MDR auf unsere Presseanfrage geantwortet. Das Video sei nicht gelöscht worden, sondern wie alle anderen Nachrichtenbeiträge standardmäßig nach sieben Tagen aus der Mediathek entfernt worden. Der Video-Beitrag sei mit Aufnahmen von Eurovision, einem Verbund für internationalen Nachrichtenaustausch, angefertigt worden. „Die zuständige Redakteurin hat die Bilder genutzt, die mit dem Überspiel zur Verfügung standen. Es wurden keine Aufnahmen weggelassen, die eventuell einen anderen Gesamteindruck ergeben hätten. Behauptungen werden in diesem Beitrag von der Redakteurin nicht aufgestellt. Dass Trockenheit in hohem Maße herrscht und die Viktoria-Fälle viel weniger Wasser führen, als zu dieser Jahreszeit normal wäre, hat die Redaktion nicht behauptet, sondern ein O-Ton-Geber vor Ort, untermauert mit Angaben der UN.“